Am Freitag bat Teamchef Franco Foda seine Mannschaft erstmals auf den Trainingsplatz von Bad Tatzmannsdorf. Der Deutsche steht vor der schwierigen Aufgabe, das Team ideal auf die Aufgaben vorzubereiten und gleichzeitig einen Lagerkoller zu verhindern.
Franco Foda: Ich bin sehr froh, dass es endlich losgeht.
Wie äußert sich dieses Kribbeln? Schlafen Sie unruhig?
Nein, das nicht, ich schlafe gut. Die Planung und Vorbereitung wurden schon in den vergangenen Wochen erledigt, jetzt freue ich mich auf die tägliche Arbeit mit den Spielern auf dem Platz. Trotz der schwierigen Umstände haben wir eine gute und abwechslungsreiche Vorbereitung durchgeplant. Wir haben ein gemeinsames Ziel vor Augen, das verfolgen wir ab sofort. An diesem Tag X wollen wir zum ersten Gruppenspiel in Bestform sein.
Sie sind mit diesem Team in dieser Konstellation nun so lange wie bisher noch nie zusammen. Worauf muss man achten, damit die Balance zwischen Training und guter Stimmung aufrecht erhalten bleibt?
Normalerweise wäre das kein Problem, aufgrund der Corona-Beschränkungen hat sich alles verändert, wir befinden uns ja in einer Blase. Wichtig wird sein, dass wir ein Feingefühl entwickeln für die Belastung, die Erholung und die Freizeit. Der Spaß und die Freude dürfen nicht abhanden kommen. Gezielt und fokussiert trainieren, aber auch Abwechslung anbieten.
Wie soll das aussehen?
Vielleicht können wir mal die Familien integrieren ins Teamquartier. Wir können schon gemeinsam etwas unternehmen, aber wenn wir wo hingehen, brauchen wir die Exklusivität für uns, wir können nicht mit anderen Menschen in Kontakt kommen. Ich habe immer dafür plädiert, dass wir die Vorbereitung nur in Österreich absolvieren, weil ich auf die Kraft durch die Fans hoffte. Aber jetzt gibt es leider Vorschriften, die das erschweren.
War die Kaderreduktion die schwierigste Entscheidung Ihrer Trainerkarriere, weil Sie einige Spieler extrem enttäuschen mussten?
Klar war es nicht leicht, wir haben über jeden Spieler lange diskutiert, es waren auch schwierige Entscheidungen dabei. Es ist eine negative Begleiterscheinung des Trainerjobs, den Spielern erklären zu müssen, dass sie nicht dabei sind. Ich kann die Enttäuschung nachvollziehen, ich war selbst viele Jahre Spieler. Ich habe jedem meine Beweggründe mitgeteilt. Irgendwo habe ich mich auch entschuldigt bei ihnen, weil ich am liebsten alle mitgenommen hätte.
Wie oft wurden Sie als Aktiver dermaßen aussortiert?
Bei so einem Großereignis war ich als Spieler leider nie dabei. Zum Glück war ich in fast allen Mannschaften Stammspieler. Aber mir wurde schon auch mitgeteilt, dass ich einmal nicht spiele. Auch da war ich enttäuscht. Das ist aber normal.
Wann wäre die EURO für Sie ein Erfolg und wann ein Misserfolg? Dreht sich alles um den Aufstieg in die K.-o.-Phase?
Puh, ich möchte Erfolg nicht kategorisieren. Mir geht es vielmehr darum, Dinge, die wie zuletzt gegen Dänemark nicht gut waren, besser zu machen. Wir müssen dynamisch spielen, mehr Zug zum gegnerischen Tor haben, das Gesamtverhalten im Spiel gegen den Ball muss besser werden. Das werden auch die Schwerpunkte im Training sein. Wenn wir das umsetzen können, dann können wir auch viel erreichen. Wir fahren nicht zur EM, um nur dabei zu sein. Wir sind da und wollen ins Achtelfinale.
„Dabeisein ist alles“ – das wäre ohnehin das olympische Motto und die falsche Großveranstaltung.
(lacht) Ja, aber man muss schon festhalten, dass es nicht selbstverständlich ist, bei einer EURO dabei zu sein. Das war ein Ziel, das wir erreicht haben. Man darf aber im Leben nie zufrieden sein und muss sich ein nächstes Ziel stecken. Man muss auch einen Traum haben, um diesen erreichen zu können.
Darf oder muss Österreich mit dieser Mannschaft den Anspruch haben, ins Achtelfinale aufzusteigen? Oder wäre das zu vermessen?
Was bedeutet Anspruch? Damit habe ich generell meine Probleme. Wir müssen mit dem Vertrauen und der Überzeugung ins Turnier gehen, dass wir die Gruppe überstehen. Einen Anspruch können die großen Fußballnationen haben, und auch von denen werden nicht alle diesem Anspruch gerecht. Natürlich wollen wir ins Achtelfinale.
Nach dem 0:4 gegen Dänemark im März meinten Sie, alles hinterfragen zu wollen. Stellen Sie irgendetwas seitdem grundlegend in Frage?
Ich bin ein Mensch, der immer viel hinterfragt, auch nach Siegen. Das ist meine Arbeitsstruktur. Niederlagen kommen oft unterschiedlich zustande, oft ist es unglücklich, dann so wie gegen Dänemark, wo nicht viel gegangen ist. Selbstreflexion ist dabei wichtig.
Seit geraumer Zeit wird immer wieder der Spielstil des Teams kritisiert. Wie gehen Sie damit um? Verstehen Sie diese Kritik, trifft Sie das?
Sachliche Kritik ist in Ordnung, jeder hat seine Sichtweise. Und ich habe meinen Weg. Man darf nur nicht in der Kritik alles verallgemeinern, denn wir hatten auch viele tolle Spiele. Unser Ansatz ist doch immer derselbe: Wir wollen aktiv sein, den Gegner unter Druck setzen und stören. Wir wollen nach vorne spielen. Viele Statistiken belegen das auch bei unseren Spielen. Manche Aussagen der Kritiker treffen auch ganz einfach nicht zu. Natürlich wissen wir schon selbst, wann unsere Spiele nicht gut waren.
Es gibt verschiedene Trainertypen. Zum einen beispielsweise die Klopps und Guardiolas. Wie würden Sie sich bezeichnen? Konservativ, vorsichtig?
Ich halte nichts davon, Trainer in eine Schublade zu stecken. Klopp war mit Liverpool unglaublich erfolgreich, in dieser Saison hatten sie Probleme. Der Trainer war aber immer noch derselbe. Das Gleiche gilt für Jogi Löw. Oder nehmen wir Guardiola, der Jahre brauchte mit Manchester City, um das Champions-League-Finale zu erreichen. Selbst bei den besten Trainern wird diskutiert. Ich habe meine Vorstellungen, wir wollen aktiv sein, mutig auftreten. Aber ich bin einer, der schaut, welchen Kader er zur Verfügung hat und was möglich ist. Was ist mutig, was nicht? Guardiola hat zuletzt auch immer wieder auf Umschaltspiel gesetzt, was früher bei ihm undenkbar war. Auch er hat variieren müssen.
Fußball ist ein Ergebnissport. Gibt einem das Ergebnis immer Recht?
Mein Wunsch ist doch auch, dass wir richtig gut spielen und gewinnen. Und Sie können mir glauben, dass es schon Siege gab, bei denen ich unzufrieden war mit der Spielweise. Wir können Siege und Niederlagen schon richtig einordnen.
Was bedeutet Ihnen persönlich die EURO? Ist es das absolute Highlight?
Als Spieler und Trainer hatte ich schon Erfolge, aber ich hätte mir nicht träumen lassen, einmal als Trainer bei einer EURO dabei zu sein.
Baumgartlinger, Arnautovic, Laimer geben ihr Comeback. Was erwarten Sie von ihnen?
Das werden wir in den nächsten Trainings sehen. Wichtig ist, dass sie wieder im Trainingsbetrieb sind. Die Einheiten sollen ja kurz und knackig sein, mit hohem Tempo. Bei den zwei Tests gegen England und die Slowakei werden sie ihre Einsätze bekommen, um zu schauen, wie weit sie schon sind. Alle Spieler sind wichtig, nicht nur die in der jeweiligen Startelf. Es geht ja über all die Wochen um den Teamspirit.
Bitte vervollständigen Sie den Satz: Österreich wird die EURO in bester Erinnerung behalten, weil...
... die Mannschaft gut spielt und Freude bereitet.
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