ÖFB-Präsident Windtner: "Wir sind an der Spitze in Europa"

Leo Windtner spricht über das Corona-Jahr 2020, die Kritik am Spielstil von Teamchef Foda und den Vorteil, dass keine Euphorie herrscht

Es war ein verrücktes Länderspieljahr, das erst im Herbst angepfiffen wurde. Acht Matches in drei Monaten brachten den Gruppensieg in der Nations League und den Aufstieg in die Liga A. Alles Eitel Wonne also beim ÖFB? Der KURIER fragte bei Präsidenten Leo Windtner nach.

Mit welcher Schlagzeile würden Sie das Jahr 2020 aus Sicht des ÖFB bilanzieren?

Leo Windtner: Es war das skurrilste Länderspieljahr.

Was genau war dermaßen schwierig dabei?

Der Umstand, dass eigentlich nichts vorhersehbar gewesen ist, sondern sich die Situation binnen von Stunden geändert hat und man darauf sofort reagieren hat müssen. Dabei hat der gesamte Staff des ÖFB wirklich professionell agiert und nicht nur reagiert, sondern immer wieder auch die Weichenstellungen betrieben.

Österreichs Team hatte keinen einzigen Corona-Fall. Gute Prävention oder auch Glück?

Ohne Glück geht es im Sport und im Leben überhaupt nicht. Nur muss man dem Glück auch in die Schuhe helfen. Ich war beeindruckt von der Konsequenz und von der gegenseitigen Rücksichtnahme, wie die Spieler und auch der gesamte Betreuerstab hier agiert haben.

Kommen wir zum Sportlichen. Der Herbst war sehr intensiv mit acht Spielen, sechs Siegen, einem Unentschieden, einer Niederlage und dem Gruppensieg in der Nations League. War es für Sie rein von den Ergebnissen zufriedenstellend?

Ja. Wir sind von den Ergebnissen her an der Spitze in Europa in diesem Herbst, haben das Ziel klar erreicht. Mehr als aufsteigen kann man nicht.

Trotzdem hat es immer wieder Kritik gegeben am Spielstil, den Teamchef Franco Foda dem Team mitgibt. Können Sie diese Kritik nachvollziehen?

Ich glaube, das rein auf den Spielstil runterzubrechen wäre zu banal. Man muss das gesamte Umfeld berücksichtigen. Wir haben gerade im Herbst eine Breite an Kandidaten entwickelt, wie wir sie nie zuvor beim ÖFB hatten. Fakt ist auf der anderen Seite natürlich auch, dass Spiele dabei waren, wo wir nicht das Furioso entfacht haben. Einige unserer Spieler waren dann physisch und auch psychisch etwas erschöpft von der Intensität des Programms der letzten Monaten.

 Leo Windtner

Hat Ihnen als Präsidenten gefallen, was Österreich gezeigt hat?

Es waren manche Begegnungen, die mir wirklich gefallen haben. Wie wir gestartet sind in Norwegen mit der ersten Halbzeit, das war wirklich ein Furioso. Es hat aber Partien gegeben, wo wir gerade auch in der zweiten Halbzeit etwas mau gespielt haben. Wir werden sicherlich daraus Schlüsse ziehen und lernen.

Bei der Öffentlichkeit oder auch bei den Medien steht in solchen Situationen schnell der Teamchef im Fokus der Kritik. Wie beurteilt die ÖFB-Spitze den Teamchef? Nach welchen Gesichtspunkten?

Es ist klar, dass Fußball ein ergebnisorientierter Sport ist. Daran gemessen, gibt es am Teamchef nichts auszusetzen. Wir haben uns für die EURO qualifiziert und den Gruppensieg in der Nations League errungen. Das sind Tatsachen. Jetzt wäre es natürlich wichtig, im nächsten Jahr gleich gut in die WM-Quali zu starten.

Es gibt viele Spieler in diesem Kader, die durch die sogenannte „Red-Bull-Schule“ gegangen sind. Das ist offensiver, attraktiver Fußball mit Angriffspressing. Sollte das Team diesen nicht pflegen?

Ich glaube, das ist etwas vereinfacht dargestellt. Es stimmt, dass es durchaus den einen oder anderen Impetus gegeben hat. Damals, als ein großer Teil auch direkt noch von Red Bull Salzburg gekommen ist. In der Zwischenzeit ist die Herkunft der Spieler noch etwas breiter geworden. Es ist auch ein gewisser Part vom LASK dazugekommen, der auch einen ähnlichen Stil pflegt. Ich glaube aber, dass dieser Mix gut ist. Das Wichtigste sind die Ergebnisse. Denn es würde uns alles nichts helfen, wenn wir den Spielstil des Nationalteams groß loben könnten und keine Ergebnisse hätten.

 Leo Windtner

Was erwarten Sie sportlich von 2021?

Die EURO wird der Höhepunkt sein. Wir hoffen, dass wir dort anders präsentieren als 2016. Da sind wir mit einer Riesenerwartung hingefahren und mussten mit einer Riesenenttäuschung heimziehen.

Wie ist die Erwartungshaltung jetzt?

Nicht so hoch wie damals. Sie wird ja von der Öffentlichkeit und den Medien befeuert. Das war damals total überzogen. Nächstes Jahr wollen wir eine andere Herangehensweise wählen. Daher ist es durchaus kein Nachteil, dass noch keine Euphorie ausgebrochen ist.

Der ÖFB hat es mit Corona nicht leicht. Die A-Teams dürfen spielen, der Breiten- und Amateurfußball wurden eingestellt. Haben Sie ein lachendes und ein weinendes Auge?

Natürlich. Wir haben alles unternommen, um auch im Amateursport den Ball am Rollen zu halten. Wir müssen uns aber auch an den nationalen Gegebenheiten orientieren. Rund 55.000 von 72.000 Spielen haben wir im Amateurbereich durchgebracht, das ist erfreulich.

Wann wird die Normalität wieder Einzug halten im Fußball?

Die echte Normalität kann man nur herbeisehnen derzeit. Im ersten Halbjahr 2021 wird sie nicht eintreten können. Vielleicht gewinnen wir einen Teil davon zurück. Es wird nur Schritt für Schritt gehen.

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