ÖFB-Sportdirektor Schöttel: "Es hat die Frische gefehlt"
Peter Schöttel versucht, die enttäuschenden Leistungen des Nationalteams zu relativieren. Der 53-Jährige hofft auf aktivere Gegner, niedrigere Belastungen und weniger Verletzungspech.
205 Tage sind es noch, bis Österreichs Fußball-Team am 13. Juni gegen Nordmazedonien in die Europameisterschaft startet. Peter Schöttel, seit drei Jahren als Sportdirektor beim ÖFB engagiert, ist trotz der schwachen Leistungen gegen Nordirland und Norwegen guter Dinge.
KURIER: Wie beurteilen Sie die Leistungen des Nationalteams in den zwei jüngsten Länderspielen?
Peter Schöttel: Wir hatten in diesem Herbst acht Länderspiele, wo wir agieren mussten. Vom Resultat her haben wir das sehr gut hinbekommen. Wir hatten Phasen, wo wir sehr gut gespielt haben, wir hatten Phasen, wo wir uns schwergetan haben. Um auf den letzten Lehrgang zurückzukommen, sag’ ich mit der Erfahrung von vor über 20 Jahren: Der November-Termin ist der schwierigste. Vor allem heuer, wo es im Dreitagesrhythmus sehr viele Spiele gibt. Wir haben ein großes Thema, was körperliche und geistige Frische betrifft.
Was macht den November speziell?
Er war immer heikel, weil die Spieler seit August viele Spiele haben und du Diskussionen mit Vereinen bezüglich der Abstellung hast. Heuer wurde noch später als sonst begonnen, trotzdem müssen alle Spiele stattfinden. Neu ist, dass du drei Länderspiele hast, wo du drüberkommen musst. Ich sehe viele Spiele, aber kaum attraktive. Wir sind jetzt unter den Top-16-Nationen Europas, da gehören wir hin, aber wir werden ganz genau hinschauen, was gut war und was weniger.
Hatten die anderen Teams nicht ebenso hohe Belastungen?
Nein. Also die Norweger haben nicht viele Europacupspiele gehabt. Das war eine eigene Konstellation.
Zuerst haben sie nicht gegen Rumänien gespielt, dann hast du nicht gewusst, ob sie zu uns kommen, dann kommen sie mit Profis, die sie aus mehreren Ländern zusammensuchen und können alles gewinnen. Wir hatten viel zu verlieren, wir haben versucht, das Spiel zu machen. Wenn du im Kopf auch nur ein bisschen leer bist, dann tust du dir schwer. Und was mir zu kurz kommt bei aller zum Teil auch berechtigter Kritik, ist, dass es auch positive Dinge gegeben hat im Herbst. Wenn ich etwa an die Personalien Christoph Baumgartner und Adrian Grbic denke, die sich in kurzer Zeit toll positioniert haben, dann sollte man das auch erwähnen.
Das tun wir auch.
Habe ich nicht bemerkt.
Laut Norwegens Trainer waren einige seiner Spieler über zwölf Stunden unterwegs, um nach Wien zu kommen. Kann es nicht sein, dass die ebenso nicht ganz frisch waren?
Das weiß ich nicht. Das war für die das Spiel ihres Lebens, wo sie Geschichte schreiben konnten. Sie haben frischer gewirkt, sie waren mutiger. Ich bin überzeugt davon, dass es im Frühjahr in der WM-Qualifikation und bei der EM anders aussehen wird, auch weil da wieder andere Gegner sein werden, wo zum Teil auch wir reagieren können.
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Noch einmal zum Thema Belastung: Es gibt Teams, die trotz hoher Belastungen souverän spielen. Etwa die Spanier, wo auch alle Spieler Champions League spielen und Deutschland 6:0 abfertigen.
Dann nehme ich Deutschland. Die spielen auch alle Champions League. Sie können also Spanien als Beispiel nehmen, und ich nehme Deutschland.
Dann reden wir über Salzburg, das vier Tage nach einem Champions-League-Spiel 7:1 gegen Hartberg gewinnt oder den LASK, der drei Tage nach einem Europa-League-Spiel die Admira mit 4:0 abfertigt.
Naja, nein. Da muss man schon aufpassen. Wenn, dann reden wir bitte von Nationalteams und nicht von Vereinen, da bringen wir ein bisserl was durcheinander.
Es geht um Spieler, die trotz hoher Belastungen stark spielen.
Das Nationalteam ist eine eigene Geschichte. Was wir da geschafft haben, da red’ ich jetzt nicht vom Sport, ist toll. Es geht um ständige Gespräche mit Klubs, die nicht wollen, dass ihre Spieler zu viel spielen. Da ist der Teamchef im Rahmen der Möglichkeiten auch sehr kooperativ.
Wenn wir Belastungen unter Teamspielern vergleichen, könnte man sagen: Die Nordiren haben drei Tage vor dem Spiel in Wien in Belfast 120 Minuten EM-Play-off gespielt. Kann man diese Belastungen wirklich als Ausrede gelten lassen?
Es ist keine Ausrede.
Es klingt aber so.
Sie interpretieren es so. Wenn Sie mich fragen, was der Grund ist für diese Leistungen, sage ich aus meiner Sicht: Es hat die körperliche und geistige Frische gefehlt.
Sie hoffen 2021 auf aktivere Gegner. Man könnte etwa gegen die Niederlande bei der EM in Rückstand geraten. Was, wenn sich die dann mit der Führung zurückziehen und Österreich erst wieder vor einem tief stehenden Gegner steht?
Es kann aber auch passieren, dass wir 1:0 oder 2:0 in Führung gehen. Also da spekulieren wir jetzt wild drauflos. Aus meiner Sicht ist diese Nationalmannschaft, und das haben wir gezeigt, für jede große Nation sehr unangenehm zu bespielen. Und ich glaube, dass uns Ausfälle, die wir jetzt in der Offensive hatten, was Kreativität betrifft, wehtun. Wenn ich daran denke, wie dominant etwa Christoph Baumgartner war im Oktober, dann hätten wir den jetzt gut brauchen können. Wir sind holprig durch den Herbst gekommen, haben aber unsere Ziele erreicht. Alle wissen, dass dieses Team wieder besser spielen wird.
Ist es nur Spekulation, wenn man sagt, man gerät vielleicht gegen die Niederlande in Rückstand? Muss man nicht auf all diese Situationen und Spielphasen vorbereitet sein?
Sie sind auf all diese Phasen vorbereitet.
Mit Verlaub, das hat in den jüngsten Spielen nicht so ausgesehen.
Nein, ganz sicher. Ich war zehn Tage dabei. Alle Trainer, die Analysten, sie sitzen bis spät in die Nacht. Aber noch einmal: Für mich ist es ein Thema, dass Fußballspielen in dieser Zeit generell schwierig ist. Wir wollen aber das Beste daraus machen, wir werden den Herbst nachbesprechen und sind guter Dinge, dass wir im Frühjahr Spiele sehen werden, die attraktiver sind.
Was stimmt Sie positiv?
Ich hoffe, dass die Zeit wieder eine andere sein wird. Dass Abläufe dann anders sind als jetzt, wo du Spieler für zehn Tage im Hotel einsperrst. Schlussendlich ist es für mich einfach ein Belastungsthema.
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