Der ÖFB und seine Struktur rund um die Gremien. Die Thematik gleicht einem Epos, dem immer wieder ein neues Kapitel hinzugefügt wird. Derzeit gewinnt es an Aktualität, weil mit Gerhard Milletich ein neuer designierter Präsident bestimmt wurde, in naher Zukunft könnte auch wieder das Prozedere der Teamchefbestellung zur Anwendung kommen.
In der Vergangenheit war genau dieser Ablauf ein heftiger Kritikpunkt bei Teamspielern, die sogleich von manchen Landespräsidenten einen öffentlichen Rüffel erhielten.
Damals wurde eine Reform für einen ÖFB gefordert, der den Erfordernissen des modernen Profifußballs gerecht werden sollte. Schon bei der Bestellung von Franco Foda wurde eine Sportkommission zu Rate gezogen, es wurden die Namen Herzog, Fink und Foda vorgeschlagen. Danach einigte man sich ÖFB-intern auf eine noch intensivere Herangehensweise, wie ÖFB-Generalsekretär Thomas Hollerer bestätigt und sie auch Milletich in Zukunft anstrebt.
Der Ablauf sieht vor, dass das Präsidium den Sportdirektor mit der Teamchefsuche beauftragen würde. Der Sportdirektor soll dabei die Sportkommission befragen, die paritätisch mit Experten aus ÖFB und Bundesliga besetzt wird. Milletich: "Wir wollen diese Fachkompetenz. Sportdirektor und Sportkommission sollen Vorschläge machen und eine Auswahl aufbereiten, wonach man abklären kann, ob man sich die Kandidaten auch leisten kann. Ich möchte, dass mehr Fachleute dabei mitwirken."
Klingt gut.
Wir wollen diese Fachkompetenz. Sportdirektor und Sportkommission sollen Vorschläge machen.“
von Gerhard Milletich
designierter ÖFB-Präsident
Der KURIER hat mit drei verdienstvollen Ex-Nationalteamspielern über den ÖFB gesprochen und um konstruktive Anregungen gebeten. Marc Janko, KURIER-Kolumnist und 70-facher Teamspieler, Martin Harnik (68 Spiele) und Martin Stranzl (56 Spiele).
Was allen gemein ist: der österreichische Fußball liegt ihnen am Herzen, sie haben in starken europäischen Ligen den modernen Profi-Kick kennengelernt und wissen, worauf es ankommt, um erfolgreich zu sein. Unisono fordern sie eine strikte Trennung innerhalb des ÖFB zwischen Amateur- und Profifußball.
Die Landespräsidenten haben ihre Verdienste im Amateursport. Aber sie dürfen nicht im Profibereich mitreden.“
von Marc Janko
70 Länderspiele
„Die Landespräsidenten haben ihre Verdienste im Amateursport, was extrem wichtig ist. Diese Aufgaben darf und soll man ihnen auch nicht wegnehmen“, meint Janko. „Aber sie dürfen nicht im Profibereich mitreden.“ Allen voran beim A-Nationalteam und den dazu gehörigen Bereichen. „Dort herrschen andere Voraussetzungen, eine andere Dynamik. Alles andere wäre nicht mehr zeitgemäß. Da muss der ÖFB diesbezüglich in der Jetzt-Zeit ankommen.“
Klare Verantwortung
Martin Harnik möchte betonen, dass er das Geschehen rund um den ÖFB derzeit aus dem fernen Hamburg betrachtet. „Ich bin nicht komplett im Detail in dem Thema drinnen. Aber so ein Verband ist grundsätzlich ein großes Unternehmen. Da müssen die Strukturen klar sein. Die Landespräsidenten sind Amateure, das soll bitte schön ja nicht despektierlich klingen.“ Es gäbe zwei Sparten, andere Kompetenzen, die ein anderes Know-how erfordern.
Es müssen jene greifbar sein, die die Entscheidung treffen. Der A-Teamchef ist eine große Entscheidung.“
von Martin Harnik
68 Länderspiele
Für Harnik stellt sich auch die Frage der Verantwortlichkeit. „Es müssen jene greifbar sein, die die Entscheidung treffen. Der A-Teamchef ist eine große Entscheidung, da darf sich dann niemand wegducken“
In der Vergangenheit hat meistens das ÖFB-Präsidium über den Teamchef entschieden, sprich die Landespräsidenten plus Beteiligung der Liga. Janko fordert: „Profis für den Profibereich, die wissen, was vonnöten ist. Das Rundherum ist extrem wichtig.“
Klare Ausrichtung
Martin Stranzl, der sich sehr mit dem Nachwuchsfußball in Österreich beschäftigt, teilt die Meinung seiner Kollegen nach einer klaren Trennung der Bereiche. „Die Landespräsidenten sind große Fans, die den Fußball lieben und fördern. Die fachliche Expertise ist aber die andere Seite. Sie besitzen wiederum eine wichtige Funktion, da sie Kontakte zu Sponsoren und in die Wirtschaft pflegen, dorthin gut vernetzt sind.“ Gute Kontakte sind das eine, sportliche Belange das andere. „Die Crux an der Sache ist oft, dass nicht wirklich klar ist, was man vom ÖFB in welcher Sache erwartet“, sagt Stranzl.
Ein Präsident, der viel für den ÖFB unterwegs ist, sollte entlohnt werden wie in der freien Wirtschaft.“
von Martin Stranzl
56 Länderspiele
Für Harnik ist der moderne Profi-Fußball immer eine Mischung aus Kompetenz und Wirtschaftlichkeit. „Profi-Fußball bedeutet permanenter Druck, Erfolg, Jobs.“ Amateure und Profis, das seien eben zwei verschiedene Paar Schuhe. „Jeder hat seine Bedeutung in seiner Sparte. Ich spiele selbst noch in der 5. Liga in Hamburg. Der Amateurbereich ist einfacher, das ist aber ein Hobby und kein Beruf.“ Kein Vergleich eben.
Marc Janko räumt Fortschritte ein. „Es ist schon viel weiter gegangen seit der Ära Marcel Koller, aber es gilt immer noch an vielen Schrauben zu drehen. Es geht immer um die Sache, nicht ums Ego und die Eitelkeit, sondern um den Fußball.“
Dies ist für die Ex-Profis auch der Hauptbeweggrund, sich über die künftige Ausrichtung des ÖFB Gedanken zu machen, Anstöße zu präsentieren, Diskussionen anzuregen. Keine Anklage soll es sein, vielmehr Anregung. Janko und Stranzl denken dabei auch das Ende der Ehrenamtlichkeit an. „Darüber sollte man diskutieren, ob sie in der Gegenwart im Profibereich noch zeitgemäß ist“, so Janko. „Ein Präsident, der viel für den ÖFB unterwegs ist, sollte entlohnt werden wie in der freien Wirtschaft.“ Stranzl pflichtet bei. „Es wäre rechtens, wenn man für die investierte Zeit bezahlt wird.“
Ein Thema, mit dem sich Windtner-Nachfolger Milletich intensiv beschäftigen muss, ist das geplante Trainingszentrum des ÖFB in Wien-Aspern. Für Stranzl ist es höchst an der Zeit, die Pläne endlich in die Tat umzusetzen. „Das Zentrum ist überfällig. Wir haben schon 2007 und 2008 vor der Heim-EM mit ÖFB-Generalsekretär Gigi Ludwig über dieses Thema gesprochen. So lange liegt das schon auf dem Tisch, und wir haben noch immer kein Zentrum.“
Der Vorteil liegt für den ehemaligen Russland- und Deutschland-Legionär klar auf der Hand. „Alle Nachwuchsteams sollen dort spielen. Man trifft sich, weil alle Teams auf einem Fleck sind.“
Dazu sollen Zuschauer die Möglichkeit haben, auf Tribünen mit von der Partie zu sein und sich ein Bild von den Talenten oder von den Stars und Vorbildern des A-Teams zu machen. „Man könnte einerseits eine Nähe zu den Fans herstellen, auf der anderen Seite hätte man einen Stützpunkt mit kurzen Wegen. Und Zeit ist im modernen Fußball extrem kostbar geworden.“ Viele Fliegen würde man mit einem Schlag erwischen. Stranzls Schlusssatz: „Und man würde als Fußballnation auftreten.“
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