Die Fans von
Real Madrid waren beim Einlaufen der beiden Mannschaften dermaßen aus dem Häuschen, dass sie auf den Fangzaun kletterten und eine folgenschwere Kettenreaktion auslösten. Erst knickte der Zaun ein, dann fiel das Tor in sich zusammen, das an diesem Zaun fixiert war.
Und perfekt war das Chaos.
Wie alle war auch Kommentator Marcel Reif damals davon ausgegangen, dass sich der Vorfall mit dem Torfall gleich einmal erledigt haben würde. Doch da sollte sich die Sportreporter-Legende mächtig irren. Denn so perfekt durchgeplant, ja geradezu durchinszeniert die
Champions League sein mag, an die Möglichkeit, dass so ein Fußballtor einmal seinen Geist aufgeben könnte, hatte bei der UEFA und Real Madrid offenbar niemand gedacht.
So wurden die TV-Zuschauer von RTL Augen- und Ohrenzeugen einer Übertragung, die heute Kultstatus genießt und Marcel Reif und
Günther Jauch sogar den Bayrischen Fernsehpreis einbrachte. Die Protagonisten selbst nahmen den historischen Fernsehmoment damals ganz anders wahr. Sie dachten sogar, dass sie für ihren Auftritt rausgeschmissen werden.
76 Minuten Warten
Denn es sollte geschlagene 76 Minuten dauern, bis im Bernabeu-Stadion endlich ein Ersatztor aufgestellt werden konnte. 76 Minuten, die Marcel Reif und Günther Jauch live auf Sendung waren und irgendwie überbrücken mussten, um die Zuseher bei Laune zu halten. Aus Sorge, den Anpfiff zu verpassen, hatte der Sender entschieden, kein Ersatzprogramm zu bringen.
"Wenn jemand Jauch und mir gesagt hätte, ihr müsst jetzt bitteschön 76 Minuten Sendezeit überbrücken, hätten wir ihm gesagt, dass wir jetzt zum Würstchenstand gehen und zum Anpfiff wieder abgeholt werden wollen. Was sollen wir denn 76 Minuten reden?", sagte Marcel Reif gegenüber der Welt.
Marcel Reif und Günther Jauch blödelten sich über die Zeit. Und mit jeder Minute, die sie auf das Tor warten mussten, wurde das Duo noch schlagfertiger und origineller. Die Zitate, die den beiden bei ihrer spontanen Doppel-Conference einfielen, sind legendär.
"Für alle, die nicht rechtzeitig eingeschaltet haben, das erste Tor ist schon gefallen", sagte Günther Jauch im TV-Studio. Marcel Reif konterte mit: "Noch nie hätte ein Tor einem Spiel so gut getan." Irgendwann begannen die beiden übers Heimwerken zu reden und Jauch organisierte sogar einen Meterstab, um den Zusehern zu demonstrieren, wie hoch denn so ein Tor ist.
Die Zuseher der ungewöhnlichen Live-Übertragung wechselten übrigens nicht den Kanal oder drehten den Fernseher ab. Sie blieben drauf und erfreuten sich an dem Unterhaltungs-Ersatzprogramm von Günther Jauch und Marcel Reif. "Wir hatten uns hochgeschaukelt – das war wie ein Lachkrampf von zwei Jungs im Klassenzimmer, die trotz Ermahnung des Lehrers nicht mehr aufhören können. Das war lustig, offenbar", meinte Reif.
Die Einschaltquoten geben den beiden recht. 12,76 Millionen Zuseher verfolgten das närrische Treiben im Bernabeu-Stadion, wo Heerschaften von Helfern fieberhaft nach einer Lösung suchten und Günther Jauch und Marcel Reif jeden Handgriff lustig kommentierten. "Hier spielen doch die Königlichen, und dann frisst der Gammel das Tor", sagte Jauch ebenfalls und befand: "Wer auf der Seite die Werbebanden gebucht hat: Glückwunsch."
Nach 76 Minuten hatte Real Madrid dann endlich ein Ersatztor aufgetrieben. Vom Trainingsgelände der Königlichen wurde die wertvolle Fracht ins Stadion transportiert, dann konnte das Spiel endlich beginnen. Beim Match, das Real Madrid mit 2:0 gewann, waren dann übrigens nur mehr 6 Millionen Zuseher vor den Fernsehgeräten.
"Nach dem Spiel war ich sicher, dass sie uns aufhängen. Jauch war sicher, dass wir einen Preis bekommen", erzählte Marcel Reif später einmal. "Er behielt Recht."
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