Heute vor 12 Jahren: "7:0 für Rapid - es war pervers“
Am Ostersonntag 2008 kam es zum überraschendsten Ergebnis der Bundesliga-Historie: Rapid gewann in Salzburg 7:0 (5:0), schob sich auf Platz eins und holte mit einer bis zum Saisonende andauernden Siegesserie den 32. und bislang letzten Meistertitel. Für den KURIER blickt Rapids Langzeitmasseur Wolfgang Frey auf den 23. März 2008 zurück: „Es war pervers. Wie waren wie in einem Tunnel. Auf der Bank waren alle paralysiert.“
Anreise als Außenseiter
Um das Ausmaß der Überraschung einzuordnen, erzählt Frey von der Ausgangsposition: „Wir waren Zweiter, Salzburg war der Favorit. Das wichtigste Ziel war, nicht zu verlieren, um noch eine theoretische Chance im Titelrennen zu wahren. Unser Motto war: Wir dürfen Salzburg nicht zum Meister machen.“
Die Spiel-Vorbereitung war turbulent, Markus Katzer fiel aus, Steffen Hofmann hatte einen (leichten) Autounfall – und Trainer Peter Pacult eine Idee. Der Chefcoach setzt überraschend auf das Sturmduo Maierhofer – Hoffer. Dabei galt Mario Bazina bis zum „Dosenschießen“ als gefährlichster Rapid-Stürmer und bester Angreifer auf Kunstrasen (der damals noch in Salzburg verlegt war).
Mit dem 7:0 war das Duo „MaierHoffer“ geboren.
„Der Lange und Jimmy haben sich privat gut verstanden, aber dass es so gut funktionieren würde, war so überraschend wie bei Jancker – Stumpf“, erinnert sich Frey an das Sturmduo, das Rapid 1996 ins Europacup-Finale schoss.
Der Unterschied: „Beim Büffel und beim Carsten hat man im Trainingslager gesehen, dass das gehen könnte. Aber 2008 war der Lange ja erst kurz da und keiner konnte wissen, dass das so eine besondere Mischung wird.“
Janko als Symbol
Vor rund 20.000 fassungslosen Zuschauern waren die ersten vier Torschüsse allesamt im Netz. „Das Symbol dieses Spiels war dann die vergebene Chance von Marc Janko. Als er zwei Meter vor dem leeren Tor drüber geschossen hat, war mir klar, dass heute alles für uns läuft.“
Mit 5:0 ging es in die Pause.
Strenger Pacult
Der Niederösterreicher, der sich Steffen Hofmann als Trauzeuge ausgesucht hat, erinnert sich an die Pausenansprache: „Der Trainer war laut und streng – keiner dürfe nachlassen. Einige Spieler wussten nicht, ob sie Pacult häkeln will.“ Ähnlich ungewöhnlich wie das Spiel war, dass Frey Peter Pacults Worte hautnah miterlebte: „In Salzburg ist das Massage-Zimmer ein paar Meter abseits. Aber an diesem Tag hatte niemand Schmerzen, es gab keine Behandlungen.“
Frey saß neben den Spielern und sah ihnen in die Augen: „Es war eine Mischung aus Fassungslosigkeit und Glückseligkeit. Die Spieler wussten nicht, wie sie reagieren sollten.“
Peter Pacult war wie immer: „Das hat sich nie geändert. Sogar nach Triumphen wie bei Aston Villa hat er uns seine Emotionen nicht gezeigt. Aber als Jimmy gleich nach Wiederanpfiff das 6:0 geschossen hat, musste sogar er lächeln.“
Mitleid mit Trapattoni
In der Nachspielzeit schoss Steffen Hofmann gar noch das 7:0. „Dieses Spiel ist wirklich mit nichts zu vergleichen.“
Frey bemerkte ein eigenartiges Gefühl gegenüber den Salzburgern: „Wir hatten großen Respekt, immerhin stand Trapattoni ein paar Meter neben uns. Es gab überhaupt keine Schadenfreude, irgendwie haben sie mir sogar leidgetan.“
Auf der Heimfahrt im Bus gab es übrigens keine Feier, „aber die Erkenntnis, dass wir wirklich Meister werden können“. Nur ein paar Mal kam Stimmung auf: „Auf der Rückfahrt haben öfters Fans gehupt und uns auf der Autobahn Schals entgegengestreckt. Sonst war es wirklich ruhig.“
Konzentration pur
Als in der Vorbereitung zum Heimspiel gegen Tirol (4:1) etwas mehr Schmäh als gewohnt gelaufen wäre, wurde Pacult fuchtig. „Es wurde noch konzentrierter als vor dem 7:0 gearbeitet. Und wenn kurz etwas aufgekommen wäre, ist er sofort dazwischengefahren. Da kannte er nix“, betont der Niederösterreicher.
Nach mehreren Jahrzehnten Handarbeit an unterschiedlichen Spielertypen meint Frey: „Diese Meistermannschaft war eine unglaubliche Einheit. Was heute gerne vergessen wird, sind die vielen Ausfälle im Saisonfinish. Heikkinen musste Innenverteidiger spielen, Thonhofer links hinten, ich hatte sehr viele Behandlungen. Aber auch mit Schmerzen wollte jeder spielen und es ist ein Flow entstanden.“
Vom Masseur zum Organisator
Dass Wolfgang Frey mittlerweile nicht mehr täglich massieren kann, hängt mit seinen schweren Fuß-Operationen zusammen: „Mein rechter Fuß musste versteift werden. Ich mache gerade eine Umschulung.“
Frey wird ab Sommer die gesamte medizinische Versorgung bei Rapid organisieren: „Das geht von der U7 bis zu den Profis. Wenn Junge und Profis hoffentlich bald im Trainingszentrum gemeinsam behandelt werden können, bringt das viele Synergien und den gesamten Verein weiter.“
Kampf gegen Corona
Davor muss noch das Corona-Virus eingedämmt werden. Als Autor der „neuen“ Vereinshymne „Rapid wird’s immer geben“ stellt sich Frey die Frage nach der Richtigkeit dieses Titels.
Er ist überzeugt: „Ich war schon beim Ausgleich in den 90ern dabei. Finanzielle Abstriche hat es früher auch gegeben. Alle werden sehen: Der Mammon ist nicht das Wichtigste im Leben und Rapid kann das überstehen.“
Appell an Rapidler
Der Appel des Langzeit-Rapidlers: „Genau in solchen Phasen kann Rapid nach außen viel bewirken. Durch unsere Vereinskultur können wir Rapidler Vorbildwirkung erzielen. Es geht jetzt darum zusammenzuhalten und dabei Abstand zu wahren.“
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