Singende Menschen auf Balkonen, Solidarität, der aufkeimende Zusammenhalt in der Bevölkerung und die damit einhergehende Bereitschaft, rigorose Verhaltensmaßnahmen zum Wohle der Allgemeinheit protestlos, selbstlos hinzunehmen, geben mir ein gutes Gefühl und lassen mich nicht verzagen.
Fakt ist, ein mikroskopisch kleiner Erreger hat es geschafft, die uns bekannte Welt sprichwörtlich aus den Angeln zu heben. Der Mensch bekommt einmal mehr vor Augen geführt, dass er Teil dieser Erde ist und nicht umgekehrt. Innerhalb kürzester Zeit wurde unser Alltag komplett auf den Kopf gestellt. Die richtigen und notwendigen Maßnahmen der Regierung verlangen uns in den nächsten Wochen alles ab und bringen den einen oder anderen womöglich auch an seine psychischen Grenzen. Das Virus hat uns bis auf Weiteres die Freiheit genommen.
Wie sagt man so schön: Sport ist die schönste Nebensache der Welt. Doch das, was gerade passiert, geht weit über die Sportwelt hinaus. Selbstredend, dass Sportgroßevents abgesagt oder um ein Jahr aufgeschoben worden sind. Warum man beim IOC weiterhin darauf beharrt, die Spiele von Tokio im Sommer durchzuziehen, entzieht sich meinem Verständnis.
Was geschieht nun mit den ausgesetzten Fußball-Ligen, falls man sie nicht zu Ende spielen kann? Die fairste Regelung wäre, die Führenden als Meister zu werten. Gleichzeitig sollte es keinen Absteiger geben, man spielt kommende Saison mit einem Team mehr, dem Aufsteiger. Man darf nur nicht die Saison für nichtig erklären, weil es unfair wäre, einen LASK in Österreich oder Liverpool in England um die Früchte der Arbeit zu bringen.
Wenn der Sport mich eines für mein Leben gelehrt hat, dann wohl die Lektion, dass jede Krise auch eine Chance bedeuten kann. In diesem Fall könnte es die Erkenntnis sein, dass es möglich ist, als Gesellschaft eine große Bedrohung abzuwenden, indem jeder Einzelne etwas dazu beiträgt.
Die nächste, wahrscheinlich größere globale Bedrohung ist nur im Kollektiv zu bewältigen, nämlich die Klimakatastrophe. Wir müssen endlich kapieren, dass wir mit der Art und Weise, wie wir aktuell leben, unseren Planeten und damit auch uns selbst auslöschen werden. Das ist unumstößlich.
Wenn wir es nicht schaffen, zeitnah – so wie aktuell weltweit vorexerziert – wirklich rigorose Einschnitte und Änderungen in allen Bereichen unserer Gesellschaft vorzunehmen, und wir sprechen hier von weitaus zumutbareren, dann werden Zustände wie jetzt aktuell das kleinste Übel unserer Nachkommen sein.
Marc Janko, 36, spielte 70-mal für Österreich und erzielte 28 Tore. Aktuell ist er Fußball-Experte bei Sky.
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