Grödig: Ein Dorf gerät ins Zentrum des Fußballs

Beim Feiern und Jubeln sind sie schon einmal erstklassig. Als der Sieg gegen Lustenau (2:1) perfekt war und das viel zitierte „Wunder des Dorfklubs“ Wirklichkeit, da erlebte Grödig eine Ekstase, wie sie die Gemeinde im Salzburger Flachgau in dieser Form noch nicht gekannt hatte. Der Sekt spritzte, die Freudenfeuer brannten, auf den Tribünen der Untersbergarena stimmten die Menschen lautstarke Lobeshymnen an, und noch Stunden nach dem Schlusspfiff war weit über die Grödiger Felder We are the Champions zu hören.
Willkommen im Klub. Willkommen im immer größer werdenden Klub der Kleinen, die im Konzert der Großen mitspielen dürfen. Von Ried bis Wolfsberg, von Mattersburg bis Wiener Neustadt – in der Bundesliga sind die Dorfvereine am Ball. „Das Beispiel Grödig zeigt, dass man auch mit einem Kleinen aufsteigen kann, wenn man gut arbeitet“, sagt der Grödiger Erfolgscoach Adi Hütter. Zur Feier des Tages bekam er ein riesiges Meister-T-Shirt überreicht, in dem das halbe Team Platz gehabt hätte.
Ein Bild mit Symbolcharakter? Ist für den SV Scholz Grödig die Bundesliga nicht doch eine Nummer zu groß?
Kugellager

Das soll sich jetzt schlagartig ändern, versichert Christian Haas. „Für die Gemeinde ist das eine Riesenchance. Grödig ist durch den Fußball eine Marke geworden.“ Wer einige Zeit mit dem jungen Macher und Manager des SV verbringt, der kann den Eindruck bekommen, der Chef eines Großklubs sitze einem gegenüber. Das Handy des 36-Jährigen klingelt ununterbrochen. Ob es um VIP-Karten geht oder um neue Spieler – bei Haas laufen alle Fäden zusammen. Das ist das Los des umtriebigen Selfmade-Managers seit er mit Papa Toni die Geschicke des SV Grödig übernahm.
In seinem Büro auf einem Schrottplatz in Wals lässt sich der Aufstieg bildlich verfolgen. Haas hat die Wände chronologisch mit den Teamfotos tapeziert, nur ein Jahrzehnt dauerte der Sprung aus den Niederungen des Salzburger Fußballs (6. Stufe) in die österreichische Bundesliga. „Als wir anfingen, sind die Leute noch auf Bierbänken gehockt. Heute haben wir ein kleines, feines Stadion.“
Engstelle

In seine Begeisterung um den Aufstieg mischen sich aber auch Sorgen. Was wenn nächste Saison gegnerische Fans im stillen Örtchen Radau machen? „Was Furchtbareres kann dem Verein nicht passieren, dass einige Wahnsinnige durch den Ort rennen und einen Schaden machen“, sagt Hemetsberger und fordert daher für Risikospiele die Übersiedlung ins nahe Salzburger EM-Stadion.
Für Manager Haas kommt das erst gar nicht in Frage. Er sieht sich dieser Tage umgeben von Vorurteilen, Gerüchten und Dorftratsch. „Es sind so viele Horrorgeschichten im Umlauf. Wir müssen die Leute informieren, dass sich mit einem vernünftigen Konzept und einer Zufahrt alles regeln lässt.“
Haas hat bewiesen, dass er strategisch denkt und konzeptionell arbeitet. Lange war der junge Manager wegen seiner Gefühlsausbrüche und seinem losen Mundwerk belächelt worden, längst hat er die Kritiker Lügen gestraft. „Er ist ein positiv Verrückter“, lächelt Trainer Adi Hütter.
Gegenentwurf
Ein Verrückter, der auch im Höhenflug nicht die Bodenhaftung verliert. Kader (22 Spieler) und Budget (4 Mio.) werden zwar aufgestockt, „aber wir lassen uns auf keine finanziellen Abenteuer ein. Bei uns gibt es keine 15.000 Euro im Monat zu verdienen. Ich frage mich überhaupt, ob ein Spieler so viel wert ist. Wir sind Nummer 71 der Welt.“
Ob das etwa auch damit zusammenhängt, dass die Bundesliga zusehends zur Dörferliga mutiert?

Wenn Christian Haas von seinem Schrottplatz in Wals nach Osten blickt, dann hat er die Bullenarena vor Augen. Eine nahe Welt, die doch so weit weg ist. Haas sieht seinen SV Grödig als Gegenentwurf zu Red Bull Salzburg. „Wir wollen der Verein zum Angreifen sein. Es muss menscheln. Wir sind eben ein Dorfverein, da müssen wir auch urig sein.“
In einem Punkt, so Haas, hat Grödig den großen, reichen Nachbarn ohnehin bereits übertroffen. „Bei uns im Stadion“, erzählt er, „gibt’s die besten Bosna der Liga.“
Der SV Grödig ist längst nicht der erste Klub aus einem Dorf, der in der Bundesliga am Ball sein darf. Die Geschichte des österreichischen Fußballs ist reich an Provinzvereinen, was nicht zuletzt eine Zahl beweist: Der SV Grödig ist bereits der 73. österreichische Klub im heimischen Oberhaus.
Mit seinen 7000 Einwohnern ist Grödig aber längst nicht die kleinste Bundesliga-Gemeinde. Altach (6400) und Pasching (6600) liegen in dieser Wertung sogar noch vor den Salzburgern. Auch Mattersburg (7100) erfüllt alle Kriterien für einen Dorfklub.
Die Einwohnerzahl steht jedenfalls den Erfolgen nicht im Weg. Klein, aber oho – diese Devise galt schon öfter. Sowohl der Linzer Vorort Pasching – mittlerweile nur mehr in der Regionalliga, aber dafür im Cup-Semifinale gegen Salzburg – als auch Mattersburg schafften es in den Europacup.
Viele dieser Dorfvereine (St.Veit/Glan, Neusiedl, Spittal/Drau) spielten nur für eine Saison ganz oben, manche wie die SV Ried (11.380 Einwohner) gehören mittlerweile bereits zum Inventar des heimischen Fußballs.
Vor Einführung der offiziellen Bundesliga im Jahr 1974 gab es sogar noch kleinere Klubs. 1954 spielte Markersdorf an der Pielach in der obersten Liga – der Ort in Niederösterreich hat keine 2000 Einwohner.
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