Wissen und Wahrnehmung
Sportwissenschaftler Johannes Uhlig hat sich Elfmeter in Theorie und Praxis genauer angesehen. Als Wissenschafter am Institut für Bewegung und Sportwissenschaft und als Fußballtrainer, etwa bei den U17-ÖFB-Frauen hat er etliche Elfmetertrainings geleitet. Im KURIER-Gespräch erklärt er, dass ein Spiel zwischen Wissen und Wahrnehmung ist, das sich in den Köpfen des Elferschützen und des Torhüters abspielt: „Ich weiß als Spieler, wo meine präferierte Ecke ist. Auch wenn der Tormann das weiß - wenn ich präzise genug hinschieße, hat er kaum eine Chance“, sagt Uhlig.
Gleichzeitig gibt es auch die Möglichkeit, wahrnehmungsgesteuert an den Elfmeter heranzugehen und dabei zu antizipieren, was der jeweils andere macht. Lässt der Torhüter erkennen, in welche Richtung er springen wird? Erkennt der Tormann anhand der Haltung von Fuß oder Oberkörper beim Schützen, in welche Richtung er schießen wird?
Dabei ist der Spieler im Vorteil, denn er kann den Anlauf verzögern, um den Torhüter in Aktion zu zwingen. Umgekehrt könnte der Torhüter den Schützen mit Bewegungen zu irritieren versuchen. Studien zeigen, dass das die Wahrscheinlichkeit zu parieren leicht erhöht.
In die Mitte
Übrigens wird auch knapp ein Drittel der Elfmeter im Zentrum des Tores verwertet. Die Torleute haben also die Auswahl, nach links oder rechts zu springen – oder stehen zu bleiben, um den Strafstoß zu halten. Dennoch sieht man nur wenige Torhüter, die das tun. Den Grund hat der israelische Psychologe Michael Bar-Eli als „Action Bias“ ausgemacht („Tendenz zur Bewegung“). Die Gefahr untätig auszusehen, während der Ball in eine Ecke fliegt, sei zu groß, obwohl das durchaus erfolgsversprechend wäre, erklärt Uhlig: „Die Torhüter wären gut beraten, ab und zu in der Mitte stehen zu bleiben.“
Spieler, die auf die eigenen Fähigkeiten vertrauen, werden aber zu einem hohen Prozentsatz scharf, also mit mindestens 100 km/h, unter die Latte oder neben die Stange schießen. Der Ball braucht ca. 0,4 Sekunden bis zum Tor. Zu schnell, um als Goalie reagieren zu können.
Der Letzte trifft seltener
Die Trefferquote blieb über die Jahre zwischen 70 und 80 Prozent stabil. Sowohl Torhüter, als auch Spieler trainieren und analysieren diesen Bereich mittlerweile mit hohem Aufwand – nicht nur technisch, sondern auch psychologisch.
Einige Regeln scheinen ewig gültig:
- Routinen vor dem Elfer geben Sicherheit und erhöhen die Erfolgsquote.
- Außerdem ist die Torwahrscheinlichkeit um 17 Prozent höher, wenn der Schütze das Spiel zugunsten seiner Mannschaft entscheiden kann.
- Umgekehrt ist sie um 45 Prozent niedriger, wenn durch einen vergebenen Schuss sein Team verliert.
- Der letzte Schütze trifft seltener als der erste.
- Und die Mannschaft, die beim Elferschießen zuerst antritt, gewinnt mit 60-prozentiger Wahrscheinlichkeit.
Kommentare