Austria-Trainer Helm: Warum er auf Social Media ein Geist ist und gut schlafen kann
Seit diesem Sommer darf Stephan Helm die Austria dirigieren, er wurde mit einer 6:0-Abstimmung im Führungsgremium bestätigt. Nach dem Europacup-Aus spürte er den ersten Gegenwind, nach dem Sieg gegen den WAC hofft er auf einen Erfolg am Sonntag (17) in Hartberg.
Wie erleichternd war für Sie persönlich der Sieg gegen den WAC zuletzt?
Stephan Helm: Ich setze mich nicht so sehr mit meiner persönlichen Situation auseinander, sondern mit unserer als Team. Als Trainer muss man ohnehin Verantwortung übernehmen. Mit guter Arbeit kann man sich entwickeln, damit das Bild, das man sich vorstellt, Formen annimmt. Darauf fokussiere ich in solchen Situationen viel.
Zählt gegen Hartberg die Leistung oder das Resultat?
Über Ergebnisse kann man positive Energie generieren, gleichzeitig ist aber die Art und Weise wichtig. Man muss viel sehen von dem, was man sich vorgenommen hat. Nur so gewinnt man Vertrauen. Wir wollen mehr Spielanteile haben, präsent und aggressiv sein.
Wie wichtig ist für Sie als Trainer ein Routinier wie Aleksandar Dragovic?
Sein Gesamtpaket macht uns besser, das weiß jeder zu schätzen, auch seine Mitspieler. Er ist ein Leader, aber auch ein Teamplayer.
Haben Sie genug Führungsspieler?
Die Mischung macht es aus. Wir haben einige, die diese Rolle übernehmen können, aber Dragovic steht noch mal drüber. Auf dem Feld muss ohnehin jeder Verantwortung übernehmen.
Sie kennen die Austria als Verein. Haben Sie gewusst, was Sie erwartet, auch im Umfeld?
Ich habe die Austria ja schon einmal erlebt, daher habe ich gewusst, dass der Verein eine Kraft hat. Ich weiß auch was passiert, wenn es nicht so optimal läuft.
Austria-Trainer haben seit 2008 eine durchschnittliche Amtszeit von eineinhalb Jahren. Welchen Zeithorizont haben Sie sich bei der Unterschrift gesetzt?
Damit setze ich mich nicht auseinander. Man hat ein Bild im Kopf, wie man die Mannschaft besser machen kann. Ich hatte das Potenzial vor Augen und die Idee, wie wir das umsetzen können. Es ist ja keine One-Man-Show, ich habe ein Trainerteam. Im Sport muss man mit Kritik umgehen können.
Orientieren Sie sich eher an Karl Daxbacher und Thorsten Fink, die länger im Amt bleiben durften?
Ich gehe optimistisch an die Rolle heran. Bei Thorsten Fink war ich ja dabei und habe Erfahrung mitnehmen können. Wir müssen uns Etappenziele setzen. Umso länger wir daran arbeiten können, desto positiver wird sich das gestalten. Der Verein weiß, wie ich als Trainer ticke. Innerhalb fühle ich die Unterstützung.
Die Entscheidung fiel damals im Gremium 6:0 für Sie aus. Gibt das Sicherheit?
Schon. Die Verantwortlichen wussten über mich Bescheid.
Sie waren schon als St. Pölten-Trainer ein Kandidat bei der Austria. Waren Sie enttäuscht, dass dann Michael Wimmer genommen wurde?
Es hat damals nicht zu 100 Prozent für alle Seiten gepasst, das habe ich akzeptiert. Schön, dass ich auf mich aufmerksam gemacht hatte.
Welcher Typ Trainer sind Sie?
Ich habe eine klare Spielweise im Kopf mit dominantem und mutigem Fußball. Dazu muss man den Gegner unter Druck setzen, das ist für mich moderner Fußball. Als Typ bin ich kooperativ. Wichtig ist mir Klarheit und eine gute Kultur innerhalb des Teams.
Sind Sie ein Kumpeltyp?
Zu modernen Führungsqualitäten zählen vielmehr gegenseitiges Vertrauen und Respekt.
Werden Sie laut?
Ich verliere selten die Kontrolle über mich. Wenn rund um mich die Leute einen kühlen Kopf behalten sollen, muss ich das vorleben und konstruktiv bleiben. Dennoch muss man die Dinge klar ansprechen.
Ihr Vorgänger Wimmer hat den Kader eingeschätzt für Platz fünf bis acht. Was meinen Sie?
Unser Ausgangspunkt war Platz acht in der letzten Saison, da kann man freilich mehr schaffen. Ich sehe sehr viel Potenzial, die Frage ist, wie schnell können wir zusammen wachsen. Bei dem Liga-Format will ich nach 22 Runden unter den Top 6 liegen.
Wie lange wird es dauern, bis man das sieht von der Austria, was Ihnen vorschwebt?
Normalerweise sagt man, dass dies bis hin zu einem halben Jahr dauert. Bis dahin wollen wir immer mehr Phasen im Spiel von unserem Plan sehen.
1. Karl Daxbacher (3 Jahre 5 Monate)
2. Thorsten Fink (2 Jahre 7 Monate)
3. Manfred Schmid (1 Jahr 5 Monate)
4. Michael Wimmer (1 Jahr 4 Monate)
5. Thomas Letsch (1 Jahr 1 Monat)
6. Peter Stöger (1 Jahr)
6. Christian Ilzer (1 Jahr)
8. Peter Stöger (11 Monate)
9. Gerald Baumgartner (8 Monate)
10. Ivica Vastic (7 Monate)
10. Nenad Bjelica (7 Monate)
12. Robert Ibertsberger (3 Monate)
12. Andreas Ogris (3 Monate)
14. Christian Wegleitner (1,5 Monate)
Fußball-Österreich spricht viel über das Nationalteam und den Rangnick-Fußball. Kann man den mit der Austria spielen?
Ich will niemanden kopieren. Man muss den Weg finden, das Potenzial der Mannschaft auszureizen. In der Ausprägung hätte ich vielleicht nicht die Spieler dafür. Das Nationalteam greift zurück auf die besten Spieler. Und man muss ja auch sagen, dass das Team beides macht. Es spielt teilweise sehr druckvoll ganz vorne, es verschiebt flexibel die Linien des Verteidigens. Und wenn ich sehe, wie ein Alaba oder Trauner das Spiel eröffnen, dann finde ich da auch viele schöne Facetten für das Spiel, das ich mir mit der Austria vorstelle. Das ist moderner Fußball für mich. In gewissen Dingen können wir uns was abschauen.
Braucht es nicht bald wieder Austrianer im Nationalteam?
Sicherlich. Wenn wir Ergebnisse liefern und uns verbessern, dann ist das ein mittelfristiges Ziel. Wir müssen unsere Spieler interessant machen.
Die Austria redete ein Jahr lang vom Europacup, von dem sie sich nach zwei Spielen verabschiedet hat. Sollte man das gar nicht als Ziel mehr nennen?
Ein Verein wie die Austria muss natürlich Ziele haben. Es braucht aber immer auch eine Entwicklung, um diese Ziele zu erreichen – und da ist es wichtig, diesen Weg und die Fortschritte klar zu kommunizieren.
Die Austria ist das Highlight Ihrer Karriere. Sind Sie stolz?
Das ist vielleicht das falsche Wort, vielmehr ist es eine Ehre. Ich habe viel investiert über die Jahre. Das ist nun die beste Mannschaft, mit der ich arbeiten darf. Gleichzeitig sehe ich mich gut vorbereitet für die Aufgabe.
Das heißt, Sie haben eine dicke Haut?
Natürlich ist das ein Job, bei dem man nicht heimgeht, ein Hakerl und Feierabend macht. Es herrscht viel mehr Interesse, und es gibt mehr Seiten, die an einem ziehen.
Das Rundherum bei der Austria mit den vielen Einflüsterern – wie gehen Sie damit um? Kann man das zur Seite schieben?
Ich gehe gern auf die Leute zu. Je mehr Informationen andere bekommen, desto mehr steigt intern die Überzeugung. Mein Fokus liegt auf dem Moment und darauf, was ich beeinflussen kann.
Es gibt Trainer, die sagen, dass sie sich 24 Stunden pro Tag mit Fußball beschäftigen. Die dürften nicht schlafen. Können Sie schlafen?
Es gibt Tage, nach denen legt man sich hin und hat noch 17 Sachen im Kopf. Das Einschlafen verzögert sich dann vielleicht. Aber danke der Nachfrage, ich schlafe gut. Wenn ich so einen Job annimmt, dann gehe ich bewusst in den Arbeitsmodus, wo ich auch keine Freiräume brauche. Wichtig ist die Balance, dass man selbst so viel Energie hat, die man in die Arbeit stecken kann. In dieser Lebensphase bin ich jetzt.
Wie schalten Sie ab?
Bei meiner Familie.
Wie hat sich das Trainergeschäft entwickelt?
Schnelllebig war es in den letzten Jahren schon. Die Vereine sind mehr denn je gefragt, seriös und professionell zu arbeiten. Außerhalb dieser Wirklichkeit sehe ich das Schnelllebige, das nicht mehr zur Realität passt. Das ist aber ein gesellschaftliches Thema, das stark in Zusammenhang steht mit den Sozialen Medien. Von diesem Trend darf man als Verein nicht abhängig werden, das wäre gefährlich.
Sie meinem die Extreme?
Genau, alles dazwischen wird oft ausgeblendet. Der Informationsfluss ist ungebremst, und der Gesellschaft ist oft nicht bewusst, dass das nicht das reale Leben ist. Social Media sind oft ein Brandbeschleuniger.
Sind Sie aktiv auf Social Media unterwegs?
Ich nütze es als Informationsbeschaffung, also passiv.
Schauen Sie sich Postings zu Artikeln über die Austria an?
Genau das mache ich nicht. Diese Welt gibt es für mich nicht, dort bin ich ein Geist.
Muss man als moderner Trainer nicht digital sein?
Dazu muss ich nicht Plattformen durchforsten, wo der Fußball verkompliziert wird. Insofern bin ich weit weg von einem Laptop-Trainer.
Was ist Sinn und Zweck des Fußballs?
Dass Menschen, die diesen Sport ausüben, eine Freude daran haben. Und dass man Leute, die zuschauen, daran teilhaben lässt.
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