Finanzieller Frust statt Fußball-Lust beim ÖFB
Es war jahrelang ein beliebter Witz, der auf Kosten der Vienna gemacht wurde. Und den man aktuell auf das Nationalteam ummünzen könnte:
Ein Fan ruft beim ÖFB an und fragt: „Wann spielt denn Österreich?“
Antwort: „Wann hätten Sie denn Zeit?“
Am Dienstagabend haben immerhin 5.000 Fans Zeit, sich einen sportlich unbedeutenden Test gegen Schottland anzusehen, sich das letzte Match von Franco Foda als Teamchef live zu Gemüte zu führen. Das Nationalteam hat die Stadien dieses Landes im Laufe der vergangenen zwölf Monate leer gespielt, gegen Schottland verirrten sich nur noch Eingefleischte in den Wiener Prater.
TV-Flaute
Frust über die verpasste WM-Teilnahme überlagert die Lust, Österreichs besten Kickern bei ihrer Arbeit auf die Beine zu schauen. Selbst vor dem Fernsehgerät. Das Alles-oder-Nichts-Spiel in Wales verfolgten im Schnitt 793.000 Zuschauer im ORF. Bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr waren teilweise bis zu zwei Millionen Fans pro Partie via TV-Gerät im Bilde.
Die fehlende Euphorie rund um das Aushängeschild des heimischen Fußballs bekommt freilich auch und vor allem der Fußball-Bund selbst zu spüren. Besonders wirtschaftlich, wie Bernhard Neuhold, Geschäftsführer der ÖFB-Wirtschaftsbetriebe, unterstreicht: „Mit Sicherheit trifft es uns neben dem sportlichen Misserfolg auch wirtschaftlich. Mit einer WM-Teilnahme hätten wir die durch die Pandemie in den vergangenen zwei Jahren nicht realisierbaren Erlöse wieder auffangen können.“
Dabei handelt es sich um direkte wirtschaftliche Folgen – und um viele indirekte. Die direkten sind aktuell schwer zu beziffern, da die FIFA als Veranstalter noch keine Zahlen bezüglich der Endrunden-Teilnahme in Katar bekannt gegeben hat.
Millionen fürs Dabeisein
Zum Vergleich: Die UEFA hat letztes Jahr jedem der 24 Teilnehmer 9,25 Millionen Antrittsgeld bezahlt, Österreich kam mit zwei Gruppensiegen und dem Achtelfinale auf fast 13 Millionen. Zwar könne man sich mit diesem Betrag nicht auf Jahre sanieren, so Neuhold, dennoch lässt so ein Geldregen die Kassa anwachsen und gedeihen.
Mittel- und langfristig schmerzen vor allem die indirekten Folgen, die man nur durch harte Arbeit über einen langen Zeitraum wird kompensieren können. Dabei geht es um mögliche neue Sponsoren, die im Falle einer Euphorie Gefallen am Team finden.
Fehlende Ticketeinnahmen
Besonders aber betrifft es den Ticket-Verkauf für die Heimländerspiele. In guten Jahren nahm der ÖFB pro Spielzeit allein fünf bis sechs Millionen Euro brutto ein. Ein volles Ernst-Happel-Stadion bringt rund 1,3 Millionen Euro brutto.
Hätte sich Österreich in Wales durchgesetzt, wäre die WM-Hoffnung zumindest bis Juni aufrecht geblieben. Allein in diesem Sommermonat hätte man das finale Spiel um die Endrunde in Wien in einem wohl vollen Stadion bestritten, dazu noch zwei weitere Heimspiele im Rahmen der Nations League.
Der sportliche Misserfolg kommt für den Verband zur absoluten Unzeit. Denn auch er leidet wie die Vereine unter Corona und den Geisterspielen der letzten zwei Jahre, in denen man maximal TV-Partner und bestehende Sponsoren bedienen konnte, um aufrechte Verträge zu erfüllen. Ansonsten zahlte man bei fast jeder Partie drauf.
Großprojekt
Noch in diesem Jahr möchte man allerdings den Spatenstich für den ÖFB-Campus in Wien-Aspern setzen. Das Realisieren des Großprojektes kostet den Fußball-Bund mindestens 20 Millionen Euro an Eigenmitteln, durch den Krieg in der Ukraine und die Verknappung von Rohstoffen muss man jetzt mit einer Kostensteigerung rechnen. Neuhold: „Bei Projekten wie diesen haben wir eine Qualifikation für die WM nicht vorausgesetzt.“
Allerdings: Es wäre mehr als nur ein willkommenes Körberlgeld gewesen.
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