Der FC Wacker in der vierten Liga: Ein Neustart ins Ungewisse

Der FC Wacker in der vierten Liga: Ein Neustart ins Ungewisse
Die Innsbrucker starten am Samstag mit dem Match gegen den SV Kirchbichl in die Tiroler Liga. Der Verein kämpft um sein Image und das Überleben.

In den Katakomben des Tivolistadions prallen gerade zwei Welten aufeinander. Die mondäne Kabinenlandschaft mit Entmüdungsbecken, Sauna und Kraftkammer steht in krassem Widerspruch zu den Fußballern, die neuerdings hier verkehren dürfen: Kicker aus zehn Nationen, die Jüngsten gerade einmal 15, durch die Bank Amateure, die für ihr Hobby zwischen 150 und 540 Euro im Monat verdienen – Willkommen in der Gegenwart des zehnfachen Meisters FC Wacker Innsbruck.

Der FC Wacker in der vierten Liga: Ein Neustart ins Ungewisse

Lizenzverweigerung und Insolvenz haben den Traditionsverein tief sinken lassen. Der FC Wacker ist in der Tiroler Liga aufgeschlagen, an den Ruhm und Glanz früherer Tage erinnern beim Viertligisten nur mehr die Kabine und der Stern auf dem Trikot, Symbol für zehn gewonnene Meistertitel.

„Vom Stern auf dem Trikot kannst du dir nichts kaufen. Die Realität heißt Amateurfußball. Und das wird auch noch länger so bleiben“, sagt Hannes Rauch.

Der frühere Generalsekretär der Österreichischen Volkspartei ist seit einigen Wochen Präsident des Krisenklubs. Die Geschäftsstelle und die alten Büroräumlichkeiten sind mittlerweile geschlossen, Hannes Rauch führt den Verein vom Kabinentrakt aus. Bis auf einen Mitarbeiter werden mit Ende des Monats alle getreuen Helfer dem FC Wacker den Rücken gekehrt haben. Fast ein halbes Jahr hatten sie zuletzt den Betrieb am Laufen gehalten ohne auch nur einen Cent zu sehen. Irgendwann stößt auch der größte Idealismus an seine Grenzen.

Es ist beim FC Wacker gerade in allen Bereichen Improvisationskunst gefragt. Wer könnte das besser wissen als Akif Güclü. Erst vor zwei Wochen wurde der 40-Jährige zum Cheftrainer bestellt, vor dem Liga-Auftakt an diesem Samstag beim SV Kirchbichl blieb für ein Testspiel keine Zeit. Keiner weiß, wie sich das bunt zusammengewürfelte Team in dieser Liga schlagen wird.

"Das Team kennt sich nicht. Wir sind eine Wundertüte", weiß Akif Güclü. "Ich habe eine Woche gebraucht, bis ich mir alle Namen gemerkt habe und am Anfang die falschen Spieler zusammengeschissen“, gesteht der frühere Wacker-Spieler.

Der FC Wacker in der vierten Liga: Ein Neustart ins Ungewisse

Cheftrainer Akif Güclu (li.) und Assistent Mario Geir

Es gibt fürwahr einfachere Traineraufgaben. Andererseits ist sich Akif Güclü sehr wohl darüber im Klaren, dass er nicht bei irgendeinem Verein auf der Trainerbank sitzt. Der FC Wacker ist immer noch der FC Wacker, Tiroler Liga hin oder her. Streng genommen ist Güclü ein Nachfolger von Ernst Happel, Kurt Jara oder Joachim Löw. „Ich bin ein alter Wackerianer. Ich sehe es als Ehre, bei diesem Klub etwas aufzubauen.“

In der Hypo Tiroler Liga warten auf Wacker Innsbruck unter anderem drei Stadtderbys. Zu den Matches gegen die Lokalrivalen IAC, SVI und Union Innsbruck können die Spieler des FCW zu Fuß anreisen. Ein Überblick über die weiteren Liga-Konkurrenten und Distanzen.

Natters                         6 Kilometer

Völs                              7 Kilometer

Kematen                       11 Kilometer

Mils                               14 Kilometer

Volders                         15 Kilometer

Oberperfuss                 16 Kilometer

Münster                         36 Kilometer

Kirchbichl                      58 Kilometer

Mayrhofen                     69 Kilometer

Prutz/Serfaus                82 Kilometer

Ebbs                              83 Kilometer

St.Johann                      96 Kilometer

 

Die Betonung liegt auf Aufbauen. Denn nach dem Crash des FC Wacker lag auch sportlich alles darnieder beim Traditionsverein. Praktisch über Nacht wurde eine neue Mannschaft aus der Taufe gehoben. Es gibt Spieler mit klingenden Namen wie Lucas Scholl, den Sohn der Bayern-Legende Mehmet Scholl oder den Franzosen Romuald Lacazette, Cousin des französischen Teamstürmers Alexandre Lacazette.

Aber es gibt auch Wacker-Urgesteine wie Alexander Schwab. Der 21-Jährige spielt seit frühester Kindheit für die Schwarz-Grünen, nach dem tiefen Fall des Klubs steht der Verteidiger plötzlich in der Einsermannschaft und repräsentiert seinen Herzensverein. "Es ist schon etwas Besonderes. Und es werden auf jeden Fall spezielle Partien, vor allem mit unseren Fans."

Die Auswärtspartie in Kirchbichl wird schon einmal einen Vorgeschmack liefern, was die Spieler des FC Wacker und die gegnerischen Teams in der kommenden Saison erwartet. 600 Fans werden die Mannschaft zum Saisonauftakt in der Tiroler Liga begleiten. Die Innsbrucker verschlägt es in Liga 4 auf Sportplätze, die die meisten Anhänger bislang nur vom Hörensagen kannten.

Mit dem IAC, SVI und Union warten in der Tiroler Liga gleich drei Stadtderbys, zu den Partien in Mils, Oberperfuss, Kematen, Völs, Volders und Natters sind es jeweils nur 15 Autominuten. Jedes Auswärtsspiel wird zum Heimspiel für den FC Wacker. "Das werden Fußballfeste. Jeder will den FC Wacker schlagen", weiß Akif Güclü.

So sehr der Wacker-Trainer Siege herbeisehnt und mittelfristig auf eine Top-5-Platzierung hofft, fast noch wichtiger als der sportliche Erfolg ist für den FC Wacker, wieder die Herzen der Tiroler Fußballfans zu gewinnen.

Nach all den Skandalen und Peinlichkeiten der letzten Jahre rangiert Wacker in der Beliebtheitsskala irgendwo zwischen Darmgrippe und Wurzelbehandlung. „Einen Imageschaden kannst du nicht in drei Wochen reparieren“, weiß Präsident Hannes Rauch. "Das Gesamtbild des Vereins muss besser werden."

Aktuell steht der Verein im Abseits und ziemlich alleine da. Hände weg vom FC Wacker heißt es bei vielen potenziellen Geldgebern und Sponsoren. Leidtragende sind auch die Damen-Teams, die im Moment in der Luft hängen und nicht wissen, wie es bei ihnen weitergeht.

"Wir müssen uns das Vertrauen der Sponsoren erst wieder erarbeiten", weiß Präsident Hannes Rauch, der nicht viel Geld zur Verfügung hat. "Die Mannschaft kostet 200.000 Euro. Wir zahlen keine Punkteprämie."

Es ist ein äußerst fragiles Gebilde, dieser FC Wacker Innsbruck. Ein Verein mit einer großen, aber längst verjährten Vergangenheit und einer äußerst unsicheren Zukunft. Das wurde nicht zuletzt erst dieser Tage im Rahmen des Insolvenzverfahrens über die FC Wacker GmbH deutlich.

Die Ausführungen des Insolvenzverwalters und der Experten des Kreditschutzverbandes von 1870 ließen tief blicken. Schon im Sommer 2021 war der FC Wacker insolvent, die Vereinsverantwortlichen hätten kein finanzielles Kontrollsystem gehabt und nach dem Motto gelebt und gearbeitet: „Management by Kontostand".

 

Die Misswirtschaft der vergangenen Jahre könnte den FC Wacker nun in der Tiroler Liga einholen. Die finanziellen Doppelpässe zwischen der GmbH und dem Verein sind dermaßen verworren und fragwürdig, dass auch dem Verein der Konkurs droht. „Der Fortbestand des Vereins ist nicht gesichert", heißt es in der Aussendung des Kreditschutzverbandes. Es sei zu befürchten, dass der Verein ebenfalls in die Insolvenz rutscht.

Verglichen damit wirken die Probleme, mit denen sich der FC Wacker dieser Tage konfrontiert sieht wie Kinkerlitzchen. Bundesligist WSG Tirol würde gerne die mondäne Kabine im Tivolistadion übernehmen - und im Gegensatz zum Amateurverein Wacker dafür auch die vorgeschriebenen Mietkosten berappen.

Derzeit muss die Nummer 1 im Tiroler Fußball mit einer kleinen Kabine im Tivolistadion Vorlieb nehmen. "Wir würden die große Kabine gerne nutzen. Es geht um das Abschlusstraining, den Matchtag und die Regeneration am Tag danach", sagt WSG-Tirol-Coach Thomas Silberberger. Nachsatz: "Aber wahrscheinlich braucht man als Tiroler Ligist das für die Regeneration."

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