Corona ist Ansichtssache: Eine Krisen-Bilanz aus 5 Perspektiven
Hartberg und die Austria beschließen am Mittwoch-Abend im Play-off-Finalrückspiel eine Bundesliga-Saison, die turbulenter kaum hätte sein können. Mit Corona kehrte auch das Chaos im heimischen Sport und damit auch im Fußball ein. Hinter den Teams liegen ereignisreiche Wochen und Monate.
Doch nach dem finalen Spiel ist bereits wieder vor der kommenden Saison, die im September angepfiffen wird. Aber in welcher Form? Mit maximal 10.000 Zuschauern oder gar wieder vor leeren Rängen? Ende Juli sollen diese Fragen beantwortet werden. Fest steht: Corona hat vieles verändert und Österreichs Profifußball einem Belastungstest ausgesetzt.
Der Fußball und seine Protagonisten
Der KURIER hörte sich bei einigen Protagonisten um und versucht auf diese Weise die Corona-Saison aus fünf Perspektiven zu beleuchten und zu bilanzieren: Ein Trainer, ein Spieler, ein Schiedsrichter, ein Fan und ein Spielerberater blicken zurück – und auch nach vorne.
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Der Trainer: Robert Ibertsberger
Ich bin am Montag, dem 9. März beim SKN vorgestellt worden. Nach drei Trainings wurde die Meisterschaft ausgesetzt. Mein erster Gedanke war: „Super, zwei Wochen mehr Zeit, um die Mannschaft kennenzulernen.“ Wir haben gleich Testspiele ausgemacht. Aber schnell war klar, dass das länger dauern wird. Und am Freitag, den 13. hab’ ich gemerkt, wie kurios das ist: Ich hatte eine lange Pause, brenne für die neue Chance – und es kommt die nächste lange Pause. Im Lockdown ist es nur noch darum gegangen, die Fitness der Spieler zu erhalten.
Danke an alle Spieler für ihre Disziplin"
Zusätzlich gab’s Videokonferenzen. Durchs viele Gradauslaufen ist bei den ersten Kleingruppentrainings mit Ball aufgefallen, wie schnell die Spieler die Belastung spüren. Meine Ideen unter den Umständen zu implementieren war schwierig, aber wir haben es hingekriegt.
Die zehn Spiele in den fünf Wochen waren extrem lehrreich. Am Ende waren alle grenzwertig unterwegs. Im Rückblick wäre es mit etwas weniger Rotation auch gegangen. Wenn man schaut, wie wenige Coronafälle in Österreichs Profifußball passiert sind, möchte ich noch ein Danke an alle Spieler für ihre Disziplin aussprechen!
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Der Spieler: Michael Madl
Es war eine spezielle Zeit. Zunächst das Heimtraining, das sich irgendwie anfühlte, als wäre man auf Urlaub und müsste sich fit halten. Positiv war, dass ich durch meinen täglichen Lauf ins Freie kommen konnte, einmal raus aus den eigenen vier Wänden. Das war ja von Beginn an bei all den Einschränkungen erlaubt. Zum Glück. Die Hauptaufgabe lag darin, sich so fit wie möglich zu halten. Gleichzeitig wusste man allerdings nicht, wie lange der Zustand noch anhalten würde. Ich habe ein wenig ins Ungewisse trainiert.
An Geisterspiele gewöhnt sich ein Fußballer nie"
Die Freude, dann endlich wieder die Kollegen beim Kleingruppentraining zu sehen, war groß. Trotz aller Vorkehrungen und Maßnahmen. Ich habe bemerkt, dass ich mich über Dinge gefreut habe, die sonst selbstverständlich sind, über die man sonst gar nicht einmal nachdenkt.
Ein Fußballer wird sich nie an Geisterspiele gewöhnen, aber sie waren absolut notwendig. Man kann sich darauf einstellen, trotzdem: Es ist jedes Mal aufs Neue ein eigenartiges Gefühl, wenn man zum Aufwärmen in ein komplett leeres Stadion geht. Ich hoffe, dass sich das in der nächsten Saison wieder ändern wird."
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Der Schiedsrichter: Harald Lechner
Ich habe vier Geisterspiele geleitet. Drei in der Qualifikationsgruppe und eines in der Meistergruppe. Die Spiele waren für mich weder leichter, noch schwieriger zu leiten, an der Aufgabenstellung hat sich nichts verändert. Neu war, dass man alles hört, auch das, was die Spieler sich untereinander zurufen. Negativ beeinflusst hat mich das aber nie. Grundsätzlich muss ich den Spielern ein Kompliment aussprechen, sie waren immer sehr fair, vielleicht sogar noch disziplinierter als zuvor bei Spielen mit Zuschauern. Selbst in der letzten Runde beim Spiel zwischen WSG Tirol und der Admira, als es ums nackte Überleben ging, haben sich alle korrekt verhalten.
Tempo und Intensität waren wie immer"
Auch wenn es manchmal im Fernsehen so wirken mag: Die leeren Ränge hatten überhaupt keine Auswirkung. Das Tempo, die Intensität oder das Verhalten der Spieler in Zweikämpfen waren wie immer. Die fehlenden Zuschauer waren, wenn überhaupt, nur eine kurze Umstellung. Man weiß auch als Schiedsrichter immer, worum es geht, dass mehrere Kameras im Stadion sind und daher waren der Fokus und die Konzentration immer gleich hoch.
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Der Fan: Christian Srnka
Ich bin jahrzehntelanger Austria-Fan und seit zwei Jahren Abonnent auf der Südtribüne. Vorweg muss ich sagen, dass ich froh bin, dass überhaupt gespielt wurde. Schön war die Zeit natürlich nicht, wenn man nicht ins Stadion darf. Das gehört einfach dazu. Die Atmosphäre fehlt und der Austausch mit den um sich sitzenden Fans. Gelegentlich habe ich während des Spiels über WhatsApp mit anderen Fans kommuniziert. Aber das ist nicht das gleiche wie im Stadion. Normalerweise leidet und freut man sich gemeinsam, aber der Frust ist größer, wenn man alleine daheim sitzt und ein Fußballspiel ist definitiv noch immer dazu da, um am Wochenende die Sau raus- und den Emotionen freien Lauf zu lassen. Auch das gemeinsame Bier fällt weg, das trinke ich zu Hause eher nicht.
Der Frust ist größer, wenn man alleine ist"
Aber die Atmosphäre und das Erlebnis ist für mich nicht alles. Ich persönlich achte gerne darauf, was Spieler machen, wenn sie nicht am Ball sind. Wer bietet sich an, wer nicht? Diesbezüglich sieht man im Fernsehen eben nicht alles. Positiv habe ich empfunden, dass mehr gespielt wurde und die Spieler weniger auf dem Rasen herumgekugelt sind
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Der Spielerberater: Max Hagmayr
Im Vorjahr habe ich beruflich 69 Flüge absolviert, heuer waren es gerade einmal zwei. Dazu kamen 70.000 Kilometer mit dem Auto. Und jetzt? Das Positive: Bei mir hat ein Umdenken eingesetzt, ich habe gelernt, dass man einige persönliche Kontakte nicht ersetzten, aber vieles durch technische Möglichkeiten ersetzen kann. Sonst herrscht Unsicherheit. Wir wissen nicht, wie’s im Herbst weitergeht. Dürfen Zuschauer ins Stadion, was für die Klubs wichtig wäre, Firmen werden eher ihre Sponsortätigkeit aufgeben, bevor sie eigene Leute entlassen müssen.
Viele Gespräche, aber wenige Abschlüsse"
Bis Anfang Oktober wird nun die Transfer-Zeit dauern. Nicht unbedingt ein Vorteil, denn es zieht sich alles. Die Vereine haben Spieler in ihren großen Kadern, mit denen sie nichts anzufangen wissen, es gibt viele Sondierungsgespräche, aber wenig Abschlüsse. Ich befürchte, dass viele Spieler ohne Verträge dastehen, es noch mehr Arbeitslose geben wird. Für mich bedeutet das, es werden eher ablösefreie Wechsel und Tauschgeschäfte stattfinden. Na ja, wenigstens bin ich es gewöhnt, dass ich in meinem Geschäft ohnehin nie genau weiß, was das nächste Jahr bringt.
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