Bundesliga-Vorstand Ebenbauer: "Rapid hat ein echtes Problem"
Diese Saison wird Christian Ebenbauer nie vergessen: Von der Corona-Krise über die LASK-Aufreger bis zum Kampf um die Rückkehr der Fans in die Stadien ist der 44-jährige Wiener im Dauereinsatz. Im KURIER-Interview nimmt sich der Bundesliga-Vorstand die Zeit, so viele offene Fragen wie möglich zu beantworten.
KURIER: Wenn Sie an die vielen Themen denken, die zu besprechen sind: Wie froh sind Sie, dass Sie ausgebildeter Jurist sind?
Christian Ebenbauer (lacht): Es ist eine Herausforderung, weil ich aufgrund meiner Ausbildung mit einem anderen Anspruch angesehen werde. Aber ich sage ganz ehrlich: Es hilft ungemein. Seit Bosman hat eine unglaubliche Verrechtlichung des Profifußballs, aber auch des gesamten Lebens stattgefunden.
Die Corona-Strafe für den LASK wurde in zweiter Instanz von sechs auf vier Punkte reduziert. Wird nach dem Schiedsgericht für den zugegebenen Verstoß noch eine Sanktion übrig sein?
Ich denke, dass der LASK das Meisterschaftsende abwarten wird, um zu sehen, was der Protest bewirken könnte. Danach gilt für mich, dass ich Vertrauen in die unabhängigen Organe der Bundesliga habe und davon ausgehe, dass das Urteil hält. Aber vor Gericht ist es wie auf hoher See: Man weiß nie, wie das Wetter wird.
Wenn der LASK danach auch noch zum Internationalen Schiedsgericht CAS zieht, droht das totale Chaos. Fürchten Sie das?
Nein. Die Klubs haben einen Vertrag mit dem Schiedsgericht. Deswegen ist aus meiner Sicht für letztinstanzliche Beschwerden in einem österreichischen Fall nicht der CAS zuständig, sondern ausschließlich das Schiedsgericht.
Die Liga könnte gegen führende LASK-Funktionäre Anzeige einbringen, um wegen der Corona-Verstöße Funktionsverbote zu erwirken. Wann wird das entschieden?
Wir warten auf die Langfassung des Urteils des Protestkomitees. Das sollte sehr bald vorliegen, danach entscheiden wir über eine Anzeige.
Was sagen Sie zur Rechtsansicht des LASK, erst für die kommende Saison bestraft werden zu können?
Es hat in verschiedenen Fällen sowohl für die jeweils laufende als auch für die kommende Saison Sanktionen gegeben. Das ist beides juristisch erklärbar. Klar ist: Aufgrund der aktuellen Fristen hätte es mit einer Strafe für die kommende Saison weniger Termindruck und mehr Rechtssicherheit gegeben.
Selten sind die österreichischen Fälle für das Ethikkomitee. Wie wird das Verfahren gegen Rapid wegen des sexistischen Fan-Transparents ablaufen?
Das Ethikkomitee wurde in der Ära Stronach eingeführt. Es soll sich mit Grundwerten beschäftigen, die nicht klassisch im Strafsenat abgebildet sind. Die ersten Fälle haben die Herren Haider und Kartnig betroffen. Schön, dass es zuletzt weniger Verfahren gegeben hat. Beim Ethikkomitee geht es auch um die Bewusstseinsbildung.
Ist es für eine mögliche Strafe gegen Rapid von Bedeutung, dass das Transparent noch vor Spielbeginn abgenommen wurde?
Das muss das Ethikkomitee entscheiden. Mir wurde mitgeteilt, warum das Komitee das Verfahren eingeleitet wurde: Aufgrund der Dauer, in der das Plakat in seiner enormen Größe zu sehen war, geht es in seinen Auswirkungen über den Fußballplatz hinaus.
Ab 1. September sind maximal 10.000 Zuschauer auf Sitzplätzen erlaubt. Wie wird das in den verschiedenen Stadien funktionieren?
Die Bundesliga ist immer dafür eingetreten, dass die Regierung nicht absolute Zahlen vorgibt, sondern Prozente des jeweiligen Zuschauervolumens. Jetzt gibt es aber eine Obergrenze. Derzeit gehe ich davon aus, dass in der Verordnung das steht, was mir im persönlichen Gespräch mitgeteilt wurde. Das wäre so: zugeteilte Sitzplätze, gar keine Stehplätze. Ohne Mund-Nasen-Schutz, aber mit Sicherheitsabstand. Also in der Regel ein freier Sitzplatz zwischen den Fans.
Das wären in Pasching nur rund 3.000 zugelassene LASK-Fans ...
Es wurde mir aber auch angekündigt, dass eine „Personengruppe“ auf den Abstand verzichten darf. Eine ganz wichtige Frage ist nun: Gilt nur eine Familie als „Personengruppe“, oder kann das auch eine Fan-Gruppe mit 100 Mitgliedern sein? Das heißt: 50 bis rund 75 % der Sitzplätze könnten ausgelastet werden, je nach Definition dieser „Personengruppe“. Das muss die Regierungsverordnung klären, auf die wir seit einigen Tagen warten.
Gibt es Hinweise, dass die Grenze von 10.000 weiter erhöht werden könnte?
In der Schweiz ist geplant, ab September alles freizugeben, wenn der Mund-Nasen-Schutz getragen wird. Ich hoffe, dass die Entwicklung so bleibt, dass wir mit dem Gesundheitsminister über weitere Verbesserungen sprechen können. Mit einem Maximum von 10.000 sind Länderspiele, Europacupspiele sowie die Liga-Hits einiger Vereine massiv betroffen. Beispielsweise Rapid hat ein echtes Problem – das ist mit rund 13.000 Abonnenten schon jetzt klar.
Die nächste Saison kann erst am 11. September starten. Die Herbstsaison wird damit ein Winterdurchgang, oder?
Ja, es wird im Jänner gespielt werden müssen. Es war leider nicht möglich, Spiele mit maximal 10.000 Zuschauern im August durchzusetzen. Es zählt jeder Tag, Anfang Juli muss der Rahmenterminplan beschlossen werden. Ich muss schon ankündigen: Die nächste Saison wird richtig hart.
Viele Profi-Vereine kämpfen in der Corona-Krise um das wirtschaftliche Überleben. Gibt es Zusagen der Regierung, die Umsatzentgänge auszugleichen?
Wir sind mit der Regierung in sehr engen Gesprächen, wir tun alles, damit es schnellstmöglich Ergebnisse gibt. Die Zeit drängt! Eigentlich brauchen wir bis Saisonschluss verbindliche Zusagen. Es geht auch da um jeden Tag.
Hat sich – nach fast zwei Durchgängen – der Modus mit der Aufteilung der Liga und der Punkteteilung bewährt?
Wenn ich mir anschaue, was durch diesen Modus möglich wäre und wie viel Spannung tatsächlich entstanden ist, lautet meine Antwort: eindeutig ja!
Ist die 2. Liga mit 16 Vereinen und halbprofessionellen Strukturen der Weisheit letzter Schluss?
Die 2. Liga hat sich als Drehscheibe viel besser entwickelt als erwartet. Ich finde es falsch, die 2. Liga für Kritik herauszunehmen, weil sie immer ein Flaschenhals bleiben wird. Man könnte lediglich den Übergang vom Amateur- zum Profifußball in seiner Gesamtheit diskutieren, da gehören aber die Regionalligen und der ÖFB dazu.
Salzburg-Trainer Marsch hat es als „lächerlich“ empfunden, dass der 1:1-Ausgleich seiner Salzburger gegen Rapid trotz Abseits gezählt hat. Er fordert den Videobeweis „sofort“ – geplant ist der VAR mit Beginn der Meistergruppe 2021. Wird zumindest dieses Datum trotz der Corona-Krise halten?
Nein. Es hat wegen Corona zuletzt auch nicht die nötigen Schulungen gegeben. Aufgrund der Umstände wird der VAR aus meiner Sicht nicht vor Sommer 2021 starten können.
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