Austria-Trainer Schmid: "Es braucht eine gute Streitkultur"
Manfred Schmid war zwölf Jahre Spieler bei der Austria, danach Jugendtrainer und Assistent von Peter Stöger bei den Profis. Diese Saison startet der 50-Jährige erstmals als Chefcoach bei seinem Verein.
KURIER: Es war nicht Ihr erster Anlauf zurück zur Austria. Hätten Sie sich einen besseren Zeitpunkt gewünscht ob des Zustands des Vereins? Oder kann man nur gewinnen?
Manfred Schmid: Das wäre zu einfach ausgedrückt. Es ist eine große Chance, ich habe das Gefühl, dass sich bei der Austria soeben viel verändert. Aber natürlich hätte es einfachere Momente gegeben, die Situation ist herausfordernd. Dennoch freue ich mich auf die Arbeit.
Wie waren Ihre ersten Eindrücke?
Ich kenne den Verein sehr gut. Wenn du so eine lange Durststrecke hast, dann ist es logisch, dass die Stimmung nicht die beste ist. Aber ich möchte nach vorne schauen.
Wie wichtig ist Manuel Ortlechner als Sportdirektor für Sie in dieser Phase?
Der Orti ist eine wichtige Person, als Sportdirektor soll er mir den Rücken freihalten. Zuletzt hatten wir bezüglich der Kaderplanung viele Sitzungen. Wenn man bedenkt, wer aller dabei involviert ist, dann merkt man schon, wie groß der Verein immer noch ist. Ich habe das Gefühl, dass sich nun alles in richtigen Bahnen befindet.
Ortlechner war 2013 der Kapitän der Meistermannschaft, Sie waren einer seiner Trainer. Jetzt ist er Ihr Vorgesetzter – ein Rollentausch?
Ja. Er weiß, wie man erfolgreich sein kann, war als Spieler schon unser verlängerter Arm in die Mannschaft. Wir kennen einander gut, wollen dasselbe.
In welchem Zustand haben Sie die Mannschaft vorgefunden?
Eine gewisse Verunsicherung war zu erkennen. Zudem haben wir einige Stammspieler abgegeben. Wir versuchen, die Stimmung im Umfeld ins Positive zu drehen und unsere Philosophie zu vermitteln. Wir wollen, dass die Spieler an Sicherheit gewinnen. Wir haben viele Junge mit Talent und Potenzial. Es sind einige dabei, die guten Fußball spielen können.
Wie muss die Austria spielen, damit Sie Ihre Philosophie wiedererkennen?
Man kann nicht mehr so spielen wie die Austria vor vielen Jahren. Aber Leidenschaft werde ich immer erwarten, dazu kommen Basiselemente wie gutes Positions- und Passspiel. Wir würden gerne dominant und offensiv auftreten, aber ich richte mich nach der Mannschaft. Wir haben eine Spielidee gefunden, die zu ihr passen kann. Es wird kein starres System sein, sondern flexibel, die Spieler müssen auf dem Platz auch selbst Entscheidungen treffen.
Die Ziele der Austria haben sich in den vergangenen Jahren stets verschoben. Warum sagt man jetzt nicht einfach, man will nicht absteigen?
Für mich wäre das falsch, weil es ein negatives Ziel wäre. Ich denke, dass wir mit einigen Teams mithalten können. Wenn sich die Spieler entwickeln, wäre es ein Schritt nach vorne. Daher arbeiten wir viel im individuellen Bereich.
Viele junge Spieler fühlen sich als Stars, nur weil sie bei der Austria spielen. Wie sehr können Sie mit Ihrer Erfahrung ihnen „die Wadln viererichten“?
Wir haben den einen oder anderen, der unglaubliches Talent, aber vielleicht noch nicht ganz kapiert hat, worum es geht. Sie brauchen Streicheleinheiten, aber auch klare Worte ins Gesicht. Sie wissen mittlerweile, woran sie bei mir sind. Ich sage ihnen ehrlich meine Meinung.
Wann hat ein Spieler bei Ihnen jeglichen Kredit verspielt?
Bei Vertrauensbruch und fehlender Wertschätzung. Der Umgang ist extrem wichtig.
Die aktuelle Austria und jene, als Sie noch aktiv waren – darf man das vergleichen?
Die Zeit hat sich verändert, auch der Fußball. Die Spieler wachsen anders auf, die Kritikfähigkeit hat abgenommen, auch die Streitkultur, wie wir sie früher hatten. Die fehlt mir. Die Sozialen Medien sind auch schwierig. Aber es gibt Dinge, die sich nicht ändern. Die Leidenschaft muss immer da sein.
Sie sind bei den Violetten aufgewachsen, da war die Austria noch eine andere Nummer.
Ja, die Spieler der Kampfmannschaft haben uns Jungen das vorgelebt. Du hast mitbekommen, was es bedeutet, erfolgreich Fußball zu spielen. Oder dass es Streit geben kann, der dann gleich beigelegt wird. Da gab es keine Diskussionen über drei Tage. Es muss eine gute Streitkultur geben.
Verstehen Sie die aktuelle Generation mit Social Media?
Ja, ich bin selbst auf den Kanälen unterwegs, wenngleich eher passiv. Ich poste wenig, aber es macht mir Spaß. Für die Spieler ist es schwierig, weil sie gläsern sind. Sie können sich nirgends bewegen, ohne dass ein Foto gemacht wird.
Oder sie machen die Fotos selbst zwecks Inszenierung.
Richtig, sie legen auch ihr Leben öffentlich und machen sich angreifbar.
Würden Sie das als Spieler heute alles mitmachen?
Viele Dinge würde ich nicht preisgeben, vor allem aus dem Privatleben. Diese Phase muss man aber akzeptieren. Viel ärger ist es in Deutschland, wo schon jeder Spieler seinen Medienberater hat.
Ohne Leistung bringt die beste Inszenierung nichts.
Das stimmt, es geht letztlich immer um die Leistung. Wir hatten früher aber auch die eine oder andere Ablenkung, die uns nicht geschadet hat.
Davon gab es aber nie Fotos.
Zum Glück. Ich bin aber kein Trainer, der Spieler überwacht. Ich schau’ mir die Leistung auf dem Platz an. Wenn ich das Gefühl habe, dass etwas nicht passt, dann spreche ich das an. Aber grundsätzlich sind sie freie Menschen, die ihren Freiraum haben sollen.
Als Sie bei Dortmund Co-Trainer waren, hatte ein gewisser Jadon Sancho Flausen im Kopf und wurde zur U 18 geschickt. Jetzt wechselt er für 85 Millionen zu Manchester United. Was denken Sie sich dabei?
Wichtig ist, dass es bei einem Miteinander Regeln gibt. Wenn einer ständig ausbricht und es keine Konsequenzen gibt, dann wird er das Verhalten nicht ändern. Damals war es für uns an der Zeit, zu reagieren. Finanziell konnte man ihm schwer schaden, daher traf ihn eine sportliche Maßnahme. Danach hat er sich super entwickelt. Aber wir sind nicht dafür verantwortlich, dass er diesen Weg gemacht hat.
Privat Manfred Schmid wurde am 20. Februar 1971 in Wien geboren. Er ist verheiratet und hat einen Sohn.
284 Pflichtspiele bestritt er für die Austria, zu der er als Zehnjähriger vom 1. Simmeringer SC gekommen war und 1988/’89 unter Herbert Prohaska sein Profi-Debüt gegeben hat. Er blieb bis 2002, als Profi spielte er danach noch für den LASK.
Trainer Bereits 2003 begann er in der Austria-Jugend, coachte in der Stronach-Akademie in Hollabrunn und 2008 als Chefcoach Kooperationsklub Schwanenstadt in der 2. Liga. Danach war er Co-Trainer bei Magna Wr. Neustadt und kehrte 2012 als Co von Peter Stöger zur Austria zurück. Mit Stöger ging er 2013 nach Köln und 2017 nach Dortmund.
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