Viel Brisanz im Finale vor dem Finale

Antoine Griezmann will auch gegen Deutschland treffen.
Frankreich fordert heute Abend im Semifinale Deutschland. Im brisanten Duell mit dem amtierenden Weltmeister setzt der Gastgeber auf den Heimvorteil und seine geballte Offensivkraft.

Erst Titelverteidiger Spanien gegen Vizeeuropameister Italien. Dann Weltmeister Deutschland gegen Italien. Und nun EURO-Gastgeber Frankreich gegen Deutschland. Das Turnier erlebt heute Abend in Marseille (21 Uhr, live in ORFeins, ZDF, SF2) das nächste Duell, das einem Finale alle Ehre machen würde. Dabei geht’s "nur" darum, welches Team am Sonntag im Endspiel auf Portugal trifft.

Das Gipfeltreffen zwischen den Franzosen und den Deutschen ist ein Klassiker im Weltfußball. "Wir spielen nicht nur gegen eine Mannschaft, sondern wir spielen gegen ein ganzes Land", sagte der deutsche Teamchef Joachim Löw pathetisch: "Frankreich hat mit dem Sieg gegen Island sehr viel Selbstbewusstsein getankt. Die Euphorie und die Kraft ist übergesprungen auf die Mannschaft und die ganze Nation."

Alles zum Halbfinale ab 19 Uhr im kurier.at-Liveticker

Das DFB-Team gilt in Frankreich als Angstgegner. Aber auch abseits des Platzes scheint das Land manchmal einen gewissen Minderwertigkeitskomplex gegenüber dem Nachbarn zu kultivieren - sei es mit Blick auf die niedrige Arbeitslosigkeit oder die sprichwörtliche Organisation. Vor dem Halbfinale hat das Magazin L'Obs seinen Lesern im Internet nun Mut gemacht: Unter dem Titel "Nein, Deutschland gewinnt nicht immer" führt es 20 Beispiele auf, wo Frankreich die Nase vorn habe.

Darunter nennt es Klassiker wie die Zahl der ausländischen Touristen pro Jahr (2014: 83,7 Millionen in Frankreich, nur 33 Millionen in Deutschland) und die höhere Geburtenrate - nach Prognosen dürfte die Bevölkerung Frankreichs die von Deutschland Mitte des Jahrhunderts überholen. Aber auch, dass die Franzosen im Schnitt länger arbeiten als ihre Nachbarn im Osten, was nun so gar nicht dem Klischee von den arbeitsamen Deutschen entspricht. Auf dem Rasen hilft das natürlich nichts.

Mit Schweinsteiger

Viel Brisanz im Finale vor dem Finale
Germany's midfielder Bastian Schweinsteiger warms up during a training session at their training grounds in Evian-les-Bains on July 6, 2016 during the Euro 2016 football tournament. / AFP PHOTO / PATRIK STOLLARZ
Den Weltmeister plagen vor dem Semifinale zwar Personalsorgen – Gomez und Khedira sind verletzt, Hummels ist gesperrt –, trotzdem strotzt die Mannschaft nach dem Viertelfinalerfolg gegen Italien vor Selbstvertrauen.

"Fürchten tun wir uns definitiv nicht", verkündet Toni Kroos, der im deutschen Mittelfeld an der Seite von Bastian Schweinsteiger spielen wird. Der Routinier wurde rechtzeitig fit und steht in der Startelf. "Bastian ist für unsere Mannschaft schon sehr wichtig. Gerade in einem Spiel in so einem Hexenkessel ist seine Erfahrung immens viel wert. Er wird auf jeden Fall beginnen", sagt Deutschlands Teamchef Joachim Löw.

Die Franzosen hatten in ihrem Viertelfinale gegen Island (5:2) weit weniger zu kämpfen als die Deutschen gegen Italien. Auch deshalb sagt Joachim Löw: "Ich glaube, wir werden der härteste Gegner sein, den Frankreich in diesem Turnier bislang hatte."

Mit Respekt

Deutschland ist freilich gewarnt. Das Prunkstück der französischen Mannschaft ist die Offensive. "Frankreich kann sehr flexibel und druckvoll agieren", weiß Löw: "Und Frankreich hat die beste Chancenverwertung." Antoine Griezmann (4 Tore), Dimitri Payet (3) und Olivier Giroud (3) sind brandgefährlich. "Ich denke, dass die Franzosen mit aller Wucht und Physis nach vorne spielen werden. Die Offensive war bislang ihre Stärke", so Löw weiter.

Mit Unterstützung

Der Gastgeber setzt auch auf seine Fans. Die Mehrzahl der über 60.000 Zuschauer im Stade Vélodrome wird Griezmann und Co. anfeuern. "Wir werden die Unterstützung der Zuschauer brauchen. Es wird schwierige Momente geben", sagte Trainer Didier Deschamps. Das Publikum soll das Team Richtung Endspiel tragen. "Ich hoffe, dass die Fans uns helfen, das letzte Quäntchen rauszuholen", sagte Torwart Hugo Lloris: "Wir müssen über unsere Grenzen hinauswachsen."

Mit Eile

Ganz andere Sorgen haben derweil die Mitglieder im deutschen Bundestag. In der letzten Tagungswoche vor der Sommerpause wären heute eigentlich Debatten bis um vier Uhr in der Nacht anberaumt. Um das Semifinale der EURO ansehen zu können, will der Bundestag die Gespräche so rasch wie möglich abwickeln.

Kommentare