Doping-Netzwerk aufgeflogen: Ein neuer Fall vor dem großen Knall

Rund 40 mit Tarnnamen versehene Blutbeutel aus einem Kühlschrank in einer Erfurter Garage werden getestet.
Zwei österreichische Rad-Profis sind die neuesten Fälle. Nun werden in Deutschland Enthüllungen erwartet.

Am Mittwoch zerstörte eine Razzia inklusive Festnahmen die heile Welt der Nordischen WM in Seefeld. Fünf Athleten wurden im Tiroler Ort festgenommen, dazu zwei Komplizen eines Arztes. Der wurde mit einem weiteren Komplizen in Erfurt verhaftet.

Rund 40 mit Tarnnamen versehene Blutbeutel wurden in einer Erfurter Garage in einem Kühlschrank gefunden, die untersucht werden – und wenn möglich Sportlern zugeordnet. Der Arzt, der in früheren Jahren auch im Profi-Radsport aktiv war, kooperiert nach Angaben seines Anwalts mit den Behörden.

Neues Beben im Doping-Skandal

Radsport und Langlauf

Schon da war klar, dass es nicht bei Seefeld bleiben wird, dass die „Operation Aderlass“ am Mittwoch erst die Spitze des Eisbergs offengelegt hat, dass es nicht nur schwarze Schafe im Langlaufsport erwischen wird.

Eine erste Blutspur führt in den Radsport. „Der Verdacht hat sich im Zuge der Ermittlungen gegen den deutschen Sportmediziner und dessen Komplizen ergeben“, erklärt Hansjörg Mayr von der Staatsanwaltschaft Innsbruck. „Auch bei diesem Sportler besteht der Verdacht, er habe die verbotene Methode des Blutdopings angewendet und Sponsoren und Veranstalter getäuscht. Er wurde am Freitag dazu vernommen, hat sich geständig gezeigt und wurde bereits am Freitag wieder enthaftet.“

Name wurde keiner genannt. Nur: Die Staatsanwaltschaft Innsbruck führt seit Freitag auch Ermittlungen gegen einen 31-jährigen Tiroler Radsportler wegen des Verdachts des Sportbetruges. Am Montag wurde es auch offiziell, dass es sich um Stefan Denifl handelt, der sich laut Anklagebehörde bei der Einvernahme am Freitag geständig zeigte. Anschießend wurde Denifl wieder enthaftet.

Der 31-Jährige aus dem Stubaital dürfte schon länger unter Verdacht gestanden sein. Denifl gewann im Juli 2017 die Österreich-Rundfahrt und zwei Monate später sensationell eine Bergetappe der Spanien-Rundfahrt.

Am Montag gab es dann ein weiteres Nachbeben: Auch Georg Preidler, ein steirischer Rad-Profi, gestand Blutdoping. "Ich habe einen Blödsinn gemacht und will ehrlich sein. Das war der größte Fehler meines Lebens", sagt der 28-Jährige in der Kleinen Zeitung. Preidler hat bereits eine Selbstanzeige erstattet.

Ominöse Trennung

Im vergangenen Oktober unterschrieb der Schwager des Tiroler Ex-Profis Georg Totschnig einen Vertrag beim polnischen World-Tour-Team CCC. Zu Weihnachten wurde dann aber überraschend die Auflösung des Vertrages bekannt, es wurden „persönliche Gründe“ Denifls angeführt. Ähnlich wie für die Langläufer in Seefeld gab es auch für die österreichischen Radsportler im Herbst 2018 eine Heim-WM.

Eine Zeitung berichtete, dass sich aufgrund der Aussagen der beiden österreichischen Langläufer die Rolle von Johannes Dürr in der Causa geändert habe. Er soll als Vermittler zwischen dem Duo und dem Arzt aufgetreten sein. Das behauptete auch ÖSV-Chef Peter Schröcksnadel. Mayr: „Berichte, wonach Johannes Dürr ein Drahtzieher hinter dem Sportbetrug durch die Langläufer sei, werden nicht bestätigt.“

Der Dopingsünder von 2014 hatte mit seinen Aussagen die derzeitige Entwicklung mitangetrieben. Allerdings will ihn ÖSV-Langlaufchef Markus Gandler klagen. Dürr hat im Jänner in einer ARD-Dokumentation erklärt, dass er auch von Personal des Österreichischen Skiverbandes bei unerlaubten Praktiken unterstützt worden sei. Da Dürr bei seinen Aussagen blieb, verlangt Gandler von diesem, nun die Namen zu nennen.

Sponsoren-Grant

Denn jetzt gab es eine erste Reaktion aus der Wirtschaft. Die Casinos Austria AG und die Österreichische Lotterien GmbH seien langjährige Partner und Förderer des österreichischen Sports, deshalb liege ihnen dessen Wohl und nachhaltige Entwicklung am Herzen, hieß es am Sonntag. „Die Übernahme von persönlicher Führungsverantwortung im ÖSV für das langjährige systematische Scheitern im Kampf gegen Doping ist geboten“, wird Generaldirektor Alexander Labak zitiert.

Die negativen Ereignisse würden zeigen, dass der ÖSV ein systemisches Problem in der Dopingprävention habe und nicht Opfer von Einzelfällen sei. Quasi als Bestätigung wittert Schröcksnadel eine Verschwörung; „Eine getürkte Aktion, wie das inszeniert worden ist, gerade bei der WM.“ Und: „Man muss nachdenken, ob es nicht eine Gruppe gibt, die uns schaden will.“ Gleichwohl zog der Tiroler am Sonntagmorgen ein Interview mit der ARD wieder zurück – keine Sekunde darf gesendet werden.

Schröcksnadel: "Es tut sehr weh"

Bis zu 15.000 Euro

Jetzt wird erwartet, dass es in Deutschland zum Knall kommt. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck hat mit der Staatsanwaltschaft München zusammengearbeitet. Für Staatsanwalt Kai Gräber ist die Razzia in Seefeld und in Erfurt der größte Erfolg einer deutschen Behörde im Kampf gegen Doping. Er weiß noch nicht, ob Deutsche unter den Kunden von Mark Schmidt waren. „Ich formuliere es so: Mir liegen bislang keine Erkenntnisse vor, dass deutsche Athleten zum illegalen Patientenstamm des Beschuldigten gehört haben.“

Für „ein bisschen übertrieben“ hält er die Bezeichnung „kriminelles Netzwerk“ in diesem Fall. Er erklärte in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zu den Summen: Der Arzt dürfte nach Einschätzung Gräbers zwischen 8.000 und 15.000 Euro pro Athlet und Saison verdient haben. „Das war ein All-inclusive-Paket.“

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