Armstrong: "Wir haben alle gelogen"

Lance Armstrong meint, der Dopingbericht hätte dem Sport nur geschadet.

Ausgerechnet der wohl größte Betrüger im Radsport fordert ein Ende der Vergangenheitsbewältigung in Sachen Doping. "Wenn wir nicht zusammenkommen, einen Strich ziehen und nach vorne blicken, sind wir alle angeschissen", sagte der lebenslang gesperrte Lance Armstrong dem Internetportal "Cyclingnews" mit Blick auf den Untersuchungsbericht der Anti-Doping-Kommission des französischen Senats.

"Wir haben alle die Regeln gebrochen"

Dutzenden Fahrern wie Armstrongs früheren Rivalen Jan Ullrich, Marco Pantani oder auch den Weltklassesprintern Erik Zabel und Mario Cipollini waren in dem Report positive Dopingproben auf EPO bei der Tour 1998 zugewiesen worden. "Meine erste Reaktion ist, dass ich nicht überrascht bin. Wie ich bereits sagte, war es eine unglückliche Ära. Wir haben alle die Regeln gebrochen und gelogen", ergänzte Armstrong, dem im Oktober vergangenen Jahres alle sieben Tour-Titel von 1999 bis 2005 wegen langjähriger Dopingpraktiken aberkannt worden waren.

1998 hatte Armstrong wegen seiner Krebserkrankung bei der Tour gefehlt, von der Tour 1999 waren ihm in Nachanalysen aber ebenfalls sechs positive Kontrollen auf EPO nachgewiesen worden. Ob der Bericht aus Frankreich dem Sport helfen werde, zweifelt Armstrong an: "Ich fände es gut, aber aus meiner Sicht hat es dem Sport nichts außer Schaden gebracht."

Zobel will abwarten

Zabel will erst zu einem späteren Zeitpunkt eine Stellungnahme zu seiner positiven Dopingprobe abgeben. "Ich muss erstmal den offiziellen Bericht abwarten und in mich gehen. Ich weiß nicht, welche Proben analysiert wurden. Das muss man sehen und dann wird es auch eine Stellungnahme geben", sagte Zabel der "Bild"-Zeitung.

Im Untersuchungsbericht wurde Zabels Dopingkontrolle vom 12. Juli 1998 einem positiven Wert auf das Blutdopingmittel EPO in den Nachanalysen 2004 zugewiesen. Zabel hatte bei seinem Geständnis am 24. Mai 2007 noch ausgesagt, dass er nur für eine Woche bei der Tour de France 1996 EPO ausprobiert, aber nicht vertragen habe.

Stuart O'Grady soll zurücktreten

Stuart O'Grady hat am Mittwoch ein Geständnis abgelegt, nachdem seine Probe als "verdächtig" angeführt worden war. Nun fordert das Australische Olympische Committee (AOC), dass O'Grady aus der Athletenkommission zurücktritt. "Mitglieder dieser Kommission wurden wegen ihrer Integrität und Führungsqualitäten ernannt. Stuart verdient es nicht mehr, dieser Gruppe anzugehören", teilte AOC-Präsident John Coates in einer Aussendung mit.

Die Siegerlisten werden trotz der Doping-Enthüllungen aus Frankreich nicht erneut umgeschrieben. Der Radsport-Weltverband UCI hat nach der Veröffentlichung des Anti-Doping-Berichts des französischen Senats nachträgliche Disziplinarverfahren gegen die betroffenen Fahrer wie 98er-Toursieger Marco Pantani oder Jan Ullrich ausgeschlossen. Vielmehr kritisierte die UCI die französische Behörde für die Offenlegung der Namen.

"Die nachträglichen Tests der Tour-Teilnehmer von 1998 wurden vom französischen Labor aus wissenschaftlichen Zwecken durchgeführt und entsprachen nicht den Standards für Anti-Doping-Analysen. Außerdem wurden die Grundsätze der Anonymität und die vorherige Zustimmung der Fahrer zu wissenschaftlichen Zwecken nicht eingehalten", monierte die UCI in einer Stellungnahme. Es seien auch keine B-Proben verfügbar. Diese Ergebnisse könnten daher nicht als gültiger Beweis in Disziplinarverfahren hinzugezogen werden.

In dem Bericht der Anti-Doping-Kommission waren zahlreichen Radprofis, unter anderem Jan Ullrich, Marco Pantani, Erik Zabel und Ex-Weltmeistern wie Mario Cipollini oder Laurent Jalabert positive EPO-Proben von der Tour de France 1998 zugewiesen worden.

DEUTSCHLAND:

Berliner Morgenpost: "Die Doping-Lebenslügen von Jan Ullrich und Erik Zabel sind entlarvt, die Vergangenheit des Radsports hat sich an einem schwarzen Tag beispielloser Enthüllungen als vollends verseucht erwiesen. (...) Vor allem die vermeintlich goldene Ära des deutschen Radsports war demnach nichts anderes als Lug und Trug."

Die Welt: "Überführte Lügner. (...) Der Radsport wird wieder einmal von den Sünden seiner dopingverseuchten Vergangenheit eingeholt. Und es verwundert nicht, dass Deutschlands einziger Tour-de-France-Gewinner Jan Ullrich (39) dabei endgültig im Dopingsumpf versinkt. (...) Die in Paris am Mittwoch veröffentlichte Dokumentation entlarvt Ullrich einmal mehr als schamlosen Lügner und Betrüger."

Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Von der Lüge eingeholt. Jan Ullrich und Erik Zabel stehen auf der Liste der Epo-Doper der Jahre 1998 und 1999. Eine düstere Epoche des Radsports bekommt durch einen französischen Bericht endlich Namen."

Abendzeitung: "Die große Epo-Lüge. Und sie haben doch gedopt. (...) Die einstigen deutschen Radsport-Helden Jan Ullrich und Erik Zabel versinken endgültig im Dopingsumpf: "

Bild: "Ullrich und Zabel mit EPO gedopt. Der Beweis. 15 Jahre lang hätten sie jeden Tag die Wahrheit aussprechen können. Doch selbst jetzt, wo sie raus ist, schweigen sie."

FRANKREICH:

L'Equipe: "Sagen wir es ganz offen: Das Überraschende ist nicht, dass 17 Sportler 1998 und 1999 mit Epo gedopt haben, sondern dass es nur 17 waren."

La Voix du Nord: "Ein richtiger Knüller wäre es gewesen, die Namen derer zu veröffentlichen, die in dieser dunklen Zeit nichts genommen haben, denn davon gibt es nicht viele."

Le Republicain Lorrain: "Seit der Etappe von Ventoux, die Chris Froome im Turbogang zurückgelegt hat und bei der er am Sattel geklebt ist, kann man die Unschuld der Tour de France stark infrage stellen."

La Charente Libre: "Das Beispiel der Hartnäckigkeit der amerikanischen Doping-Agentur gegen Armstrong ist eine schöne Ausnahme. Trotzdem haben die französischen Senatoren recht. Wenn es um Recht und Angemessenheit geht, darf man niemals nachlassen, genau wie im Sport."

Liberation: "Lange Zeit stigmatisiert ist der Radsport nicht die einzige Disziplin, in der Fehler gemacht werden. Ähnlich ist es in der Leichtathletik oder im Schwimmen. In einer Welt des Sports, in der ultimative Leistung auch eine Frage des Geldes ist, wird Doping oft als Mittel verlangt, um auf entsprechendem Niveau zu bleiben. (...) Der Sport kann nur aus sich selbst heraus bestehen, oder es wird ihn nicht mehr geben."

ITALIEN:

Corriere dello Sport: "Die Tour de France 1998 war eine 'schmutzige' Tour. Jetzt ist es offiziell."

Tuttosport: "1998: Tour de Epo. Aber alles bleibt, wie es ist."

La Gazzetta dello Sport: "Die schwarze Liste der Tour 98: Pantani, Ullrich, Cipollini... Positiv, aber keine Sanktionen."

SPANIEN:

Marca: "Eine Lügen-Tour: Nach dem Bericht der französischen Senatoren fuhr das Fahrerfeld 1998 gedopt (...) Die Kollateralschäden des Berichts treffen - wie immer - nur den Radsport, weil es die einzige Sportart ist, in der man nach 15 Jahren immer noch Gläser mit eingefrorenem Urin aufbewahrt."

El Mundo: "Nutzloser Revisionismus: Rückwirkende Kontrollen ohne Recht auf Widerspruch, ohne sportliche Konsequenzen, aber sehr schädlich für das Image und die Ehre der Verwickelten. Der Radsport hat sich weiterentwickelt und obwohl es immer Schwindler geben wird, ist der Dopingmissbrauch deutlich zurückgegangen. Mit den Enthüllungen des Senats steckt man einen weiteren Stock in die Speichen eines Rads, das auf weniger verschmutzten Wegen vorwärtszukommen versucht."

El Pais: "Die Liste stellt eine unvollständige und ungerechte Feststellung dar: Enthalten sind weder alle Sportarten noch alle Radfahrer. Schuldig können nur diejenigen sein, deren Proben analysiert wurden. Einer wie Tyler Hamilton, Jahre später geständig, wird zum Beispiel nicht aufgeführt. Die Aufgelisteten werden mit Demütigung und mit dem Verlust der Ehre oder des Arbeitsplatzes zahlen. Sportliche Sanktionen wird es nicht geben."

SCHWEIZ:

Neue Züricher Zeitung: "Das Bild der neunziger Jahre des Radsports ist längst gezeichnet, in düsteren Farben, die bloß für das eine stehen: Doping."

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