Bericht: Pantani, Ullrich haben mit EPO gedopt

Wenige Stunden nach Veröffentlichung des Untersuchungsberichts legte Stuart O'Grady ein Geständnis ab.

15 Jahre nach der Skandaltour 1998 sind Stars als Dopingsünder endgültig entlarvt. Der inzwischen verstorbene Gesamtsieger Marco Pantani (ITA) war bei der Frankreich-Radrundfahrt 1998 ebenso mit EPO gedopt wie der zweitplatzierte Deutsche Jan Ullrich, Sprintstar Erik Zabel (GER) und die Ex-Weltmeister Mario Cipollini (ITA), Laurent Jalabert (FRA) und Abraham Olano (ESP). Das geht nach übereinstimmenden Medienberichten aus dem Untersuchungsbericht der Anti-Doping-Kommission des französischen Senats hervor, der am Mittwoch veröffentlicht worden ist.

In dem Bericht wurden die Identifikationsnummern der Proben aufgelistet, die durch ein modernes Testverfahren 2004 neu überprüft und von französischen Medien den Fahrern zugeordnet werden konnten. Ähnlich waren bereits die sechs positiven Proben von Lance Armstrong bei der Tour de France 1999 entschlüsselt worden.

Ullrich gegen Pantani bei der Tour 1998

Ebenfalls identifiziert werden konnten bei dieser Tour, an der mit Georg Totschnig auch ein Österreicher (Platz 27) teilnahm, die Italiener Andrea Tafi, Nicola Minali, Fabio Sacchi, die Spanier Marcos Serrano und Manuel Beltran, der Deutsche Jens Heppner, der Niederländer Jeroen Blijlevens sowie die Franzosen Jacky Durand und Laurent Desbiens. Nicht identifiziert werden konnte der Tour-Dritte, der US-Amerikaner Bobby Julich, der am Vortag auf der Homepage der Zeitung "Le Monde" ebenfalls als überführt angegeben worden war.

Ullrich-Berater Falk Nier wollte auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa die Nachricht nicht kommentieren. "Ich muss den Bericht erst einmal lesen", sagte Nier. Es sei unklar, ob sich Ullrich zu den neuen Enthüllungen äußern werde. Ullrich hatte bisher nur Eigenblut-Doping beim spanischen Arzt Eufemiano Fuentes gestanden.

Die Tour 1998 war eine Farce

Für Zabel ist die Enthüllung nur drei Tage nach dem Ende der Jubiläumstour besonders bitter. Bei seinem Geständnis im Mai 2007 hatte der Ex-Sprinter ausgesagt, dass er lediglich bei der Tour de France 1996 das Blutdopingmittel EPO für einen Zeitraum von einer Woche genommen, aber nicht vertragen habe. Der sechsfache Gewinner des Grünen Trikots für den besten Sprinter war für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar.

Schon lange vor der überfälligen Aufarbeitung der dunklen Vergangenheit war die Tour de France 1998 als Farce in die Geschichte eingegangen. Die Tour war noch gar nicht gestartet und hatte schon ihren großen Skandal. Auf dem Weg nach Dublin, wo die Rundfahrt begann, wurde Festina-Teambetreuer Willy Voet drei Tage vor dem Startschuss an der belgisch-französischen Grenze festgenommen. Voet war mit rund 400 Ampullen EPO und weiteren Dopingpräparaten unterwegs. Die Aufregung war groß. Das Festina-Team um Kapitän Richard Virenque distanzierte sich reflexartig von Voet.

Doch in den Polizeiverhören wurde schnell klar, dass der Belgier auf Anweisung seines Teams gehandelt habe. Virenque drohte mit einer Verleumdungsklage, wovon sich die Tour-Organisation aber nicht mehr abschrecken ließ. Am 16. Juli um 22.50 Uhr wurde die Mannschaft von der Rundfahrt ausgeschlossen. Es folgten Vernehmungen der Fahrer, Razzien in Hotels. Viele Teams traten die Flucht an. Nur 14 von 21 Mannschaften erreichten noch Paris.

Sportlich holte sich der 2004 verstorbene Marco Pantani den Gesamtsieg. Der Italiener nutzte einen schlechten Tag von Ullrich in Les Deux Alpes zum Triumph. Ein Erfolg mit unsauberen Mittel, wie sich herausstellte. Das Blutdopingmittel, das zu diesem Zeitpunkt noch nicht nachweisbar war, war flächendeckend im Feld zum Einsatz gekommen.

Die Ausdauerleistungsfähigkeit eines Sportlers ist wesentlich vom Sauerstoffaufnahmevermögen seines Blutes abhängig. Erythropoietin (EPO), ein Peptidhormon, stimuliert die Produktion roter Blutkörperchen (Erythrozyten). Die erhöhte Anzahl im Organismus zirkulierender Erythrozyten wiederum führt zu einer Verbesserung der Sauerstoffaufnahmekapazität des Blutes und hat damit eine Steigerung der Ausdauerleistungsfähigkeit zur Folge.

Seit 1983 ist es möglich, EPO synthetisch herzustellen. Entwickelt wurde es für Patienten mit schweren Nierenleiden, bei denen Blutarmut auftritt. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat den Gebrauch von EPO 1990 verboten. Bis zum Jahr 2000 war der analytische Nachweis eines EPO-Missbrauchs jedoch sehr schwierig, weil das vom Organismus produzierte nicht vom synthetischen - gentechnisch hergestellten - EPO zu unterscheiden war.

Den Durchbruch beim Aufspüren von verbotenen EPO-Einnahmen schaffte die Französin Francoise Lasne, die ein direktes Nachweisverfahren auf der Grundlage einer Urinanalyse entwickelte. Der Radsport-Weltverband (UCI) hat die Lasne-Methode im April 2001 anerkannt.

Wenige Stunden nach der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts der französischen Anti-Doping-Kommission hat Tour-de-France-Rekordteilnehmer Stuart O'Grady ein kleines Geständnis abgelegt. "Ich habe es genommen. Es war sonst niemand involviert", sagte O'Grady der australischen Tageszeitung "The Herald Sun" und ergänzte: "Ich musste einfach über die Grenze fahren und es in der Apotheke kaufen."

Er habe EPO wegen der "vielen Horrorgeschichten" in geringen Mengen genommen. Es sei kein systematisches Doping gewesen. Bei seiner ersten Frankreich-Rundfahrt 1997 habe er gemerkt, dass er nicht annähernd konkurrenzfähig sei. "Ich habe es für zwei Wochen vor der Tour 1998 genommen. Als die Festina-Affäre passierte, habe ich es weggeworfen und seitdem nicht mehr angefasst", ergänzte O'Grady.

O'Gradys Probe wurde in dem Untersuchungsbericht als "verdächtig" aufgeführt. Damit gehörte er zu einer Reihe von Radsportlern wie Jan Ullrich, Erik Zabel, Jens Heppner, Marco Pantani oder Mario Cipollini, denen das Blutdopingmittel EPO in den Proben nachgewiesen worden war. Am Montag hatte der Australier, der zusammen mit dem Amerikaner George Hincapie mit 17 Teilnahmen Rekordstarter bei der Frankreich-Rundfahrt ist, seine Karriere beendet.

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