Die Gletscher schmelzen, der Ski-Winter naht
Gletscherschmelze, Dürre – noch lässt ÖSV-Finanzdirektor Patrick Ortlieb, 55, die Hitze kalt. Einige niederschlagsreiche Tage genügen, sagt Ortlieb mit der ihm eigenen Gelassenheit, die ihn schon vor seinem Olympiasieg ausgezeichnet hatte, und der nächste Winter werde programmgemäß beginnen. Nicht im Advent, sondern in 70 Tagen. Wie auch immer – es wird keine Saison wie jede andere werden.
Erstmals soll nach dem Riesenslalom-Auftakt in Sölden nur eine Woche später, also ebenfalls noch im Oktober, von den Abfahrern zwischen Italien und der Schweiz grenzüberschreitend um Weltcuppunkte gerast werden. Was der sechsfache Kitzbühel-Sieger Dominik Paris wegen der extremen Höhenlage (3.900 Meter) für höchst problematisch hält.
Erstmals wird mit Herbert Mandl, 61, ein Niederösterreicher, der sich schon als ÖSV-Damenchef und später als Leiter der Skilehrerausbildung großer Wertschätzung erfreute, als oberster Sportboss auf der ÖSV-Kommandobrücke stehen.
Erstmals will Ex-ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel (81), nachdem er auch als FIS-Vize Abschied nahm, nicht mehr ins Ski-Geschehen eingreifen. Zumal der 16-fache Großvater jetzt ganz auf die Krebsforschung fokussiert ist. Ein von ihm mitinitiiertes und -finanziertes kanadisch-dänisches Projekt wurde im Juli an der Universität in Kopenhagen feierlich gewürdigt und mit 1,5 Millionen Dänen-Kronen (=200.000 Euro) prämiert.
Erstmals wird Marcel Hirscher (mit Red-Bull-Rückhalt und Know-how von Ex-ÖSV-Chefcoach Toni Giger) als Ausrüster seines früheren norwegischen Rivalen Henrik Kristoffersen mit dem Ski „vom Hirschen“ alias „Van deer“ den Rennzirkus beleben.
Ski-Konkurrenz vom Fußball
Erstmals droht dem Ski-Weltcup durch eine Fußball-WM übermächtige TV-Konkurrenz. Denn Anfang Dezember, wenn in Beaver Creek die bisher dem ORF stets Top-Quoten garantierenden schwersten US-Rennen geplant sind, finden bei der Wüsten-WM in Katar zu gleicher Sendezeit Achtelfinalspiele statt. Franz Klammer wird zumindest am 3.12. weder Abfahrern noch Kickern zusehen, steht doch an diesem Tag dem Olympiasieger sein Eintritt ins 70. Lebensjahr bevor.
Nicht zum ersten Mal „übersommert“ das österreichische Ski-Team in Übersee. Auch der neue ÖSV-Finanzboss Ortlieb hatte im letzten Jahrtausend immer wieder auf chilenischem Schnee seine Abfahrtslatten angeschnallt. So auch im August 1993, als er dem KURIER von einer unglaublichen Begebenheit berichtete.
Österreichische und deutsche Läufer trauten ihren Augen nicht, als ihnen in La Parva in der Seilbahn-Bergstation der so gefürchtete Ex-DDR-Staatschef Erich Honecker entgegenkam. Just jener wegen schwerster Menschenrechtsverletzungen Angeklagte, der sich kurz zuvor seinem Prozess in Berlin krankheitsbedingt entzogen hatte. Der aber 3.500 Meter überm Meer ganz und gar nicht schonungsbedürftig wirkte. Im chilenischen Exil wollte er noch einmal hoch hinaus. Neun Monate später war er tot.
Kommentare