Die Sport-Weltmacht China: Ein Superhirn und zwei Sensationen

Zhang Zhizhen schrieb Geschichte.
China ist eine Weltmacht – und sie will es auch im Sport sein. Immer wieder unterstreicht Präsident Xi Jinping die Bedeutung des Sports. Einerseits um Probleme wie Übergewicht und Diabetes in den Griff zu bekommen. Andererseits soll der Leistungssport Ruhm über die Volksrepublik bringen. Aberwitzige Millionenbeträge werden ausgegeben, um Sportstätten zu errichten oder internationale Stars ins Land zu holen.
Bei den Olympischen Spielen in der Hauptstadt Peking erreichte man erstmals eines der großen Ziele: China gewann 2008 den Medaillenspiegel. Ein Kunststück, das seitdem nicht mehr wiederholt wurde, obwohl alle olympischen Disziplinen in China intensiv gefördert werden.
Wenn es nach Xi Jinping geht, soll China eines Tages auch Fußball-Weltmeister werden. Fußball wurde in den Schulen als Pflichtfach eingeführt. Doch der Erfolg ist zumindest im Fußball nicht am Reißbrett planbar, Chinas Kicker stehen immer noch im Abseits.
Die Winterspiele 2022 in Peking sollten eine Initialzündung sein und China in den Rang einer Wintersportnation heben. Bereits ein Jahr nach dem prestigeträchtigen Großereignis ist das Reich der Mitte im Wintersport nur mehr ein weißer Fleck.
Dafür jubelte China nun an anderer Stelle, zeigten Sportler im Schach, Tennis und Snooker auf. Ein Überblick:
- Ding Liren, das Schach-Superhirn
In der Nacht auf Montag wurde in China angestoßen. Die Volkszeitung bezeichnete den Weltmeistertitel für Ding Liren als "historischen Sieg". Der 30-Jährige gewann in Astana das Duell gegen den Russen Jan Nepomnjaschtschi und ist der erste Weltmeister aus China in der 137 Jahre langen Geschichte der Schach-Titelkämpfe. Einst war das Schachspiel im kommunistischen China als dekadent verpönt und während der Kulturrevolution (1966–76) sogar verboten.
Doch spätestens seit den 1990er-Jahren stieg das Land langsam aber stetig zur Schach-Nation auf. Vor allem der Frauen-WM-Titel für Xie Jun löste 1991 einen Boom aus. Schach wurde mittels der Strategie "Großer Drache" staatlich gefördert. Mit dem WM-Titel für Ding Liren sei nun "der lang gehegte Wunsch mehrerer Generationen chinesischer Schachspieler erfüllt worden", schrieb die Zeitung Hangzhou Ribao. "Er schrieb Geschichte für Chinas nationales Ansehen."
- Zhang Zhizhen, das Tennis-Kämpferherz
Für einen Senkrechtstarter ist Zhang Zhizhen schon ziemlich in die Jahre gekommen. Mit 26 schreibt der baumlange Rechtshänder dieser Tage gerade chinesische Tennisgeschichte. Als erstem männlichen Spieler seines Landes gelang es Zhang Zhizhen, in ein Viertelfinale eines Masters-1.000-Turniers einzuziehen.
Beim Sandplatzklassiker in Madrid behielt der Chinese gegen den US-Star Taylor Fritz, immerhin die Nummer 10 der Welt, mit 3:6, 7:6 und 7:6 die Oberhand. Dabei bestätigte Zhang Zhizhen, der im vergangenen Jahr als erster Tennisspieler aus dem Reich der Mitte die Top 100 erreichte, einmal mehr sein Kämpferherz. Allein beim Turnier in Madrid feierte er drei Siege im dritten Satz, jedes Mal war der 26-Jährige im Tiebreak der nervenstärkere Spieler. Bereits im Februar hatte Landsmann Wu Yibing in Dallas mit dem ersten ATP-Turniersieg eines Chinesen für Aufsehen gesorgt.
- Si Jiahui, die Snooker-Meisterhand
China ist verrückt nach Snooker. Doch das Image der Nation leidet derzeit unter der "Match Fixing"-Affäre. Wegen Ergebnisabsprachen und daraus folgenden hohen Wettgewinnen hatte der Weltverband im Jänner zehn chinesische Top-Spieler angeklagt und gesperrt. Bei der Snooker-WM in Sheffield angetreten ist deshalb nicht einer der Stars, sondern der erst 20-jährige Si Jiahui.
"Jeder Spieler hier ist besser als ich", sagte der Qualifikant vor seiner ersten Partie. Am Ende war er die Sensation, er zeigte in den entscheidenden Phasen überragende Nervenstärke und schaffte es bis ins Halbfinale. Erst dort scheiterte er am späteren Weltmeister Luca Brecel. Vor zwei Jahren hatte Ex-Weltmeister Shaun Murphy noch über Si Jiahui geschimpft: "Solche Amateure sollten bei wichtigen Spielen nicht einmal im Gebäude sein." Nun entschuldigte sich der Engländer und revidierte seine Meinung: "Er wird der erste Weltmeister aus China werden."
"Ich habe drei Wünsche: China soll sich für eine Fußball-WM qualifizieren. China soll eine WM austragen und China soll eine WM gewinnen."
Wenn sich Xi Jinping da nicht ordentlich verdribbelt hat. Die Realität kann mit den hochtrabenden Plänen, die der chinesische Staatspräsident ausgegeben hat, nicht Schritt halten. Das Reich der Mitte bleibt trotz aller eingesetzten Mittel in Sachen Fußball ein Niemandsland: Bei der bisher einzigen WM-Teilnahme (2002) war China sang- und klanglos mit drei Niederlagen ausgeschieden. Auch die heimische Super-League ist spätestens seit Corona bei den internationalen Superstars zusehends ins Abseits gerückt. Aktuell liegt China im FIFA-Ranking hinter Größen wie den Kapverden und Usbekistan auf Rang 81.
Auch im Wintersport wollte China durchstarten und zur Weltmacht werden. Nach dem Zuschlag für die Winterspiele 2022 in Peking sprach Xi Jinping von 300 Millionen Wintersportfans in seinem Riesenreich. Die großspurigen Ankündigungen sind längst Schnee von vorgestern. Im Jahr 1 nach Olympia waren die sündteuer errichteten Sportstätten verwaist, der Weltcup machte einen großen Bogen um Peking – und daran wird sich auch nichts ändern.
Im Basketball war China indes lange eine Hochburg. Bei Spielen von Yao Ming, dem ersten Chinesen in der NBA, schauten 200 Millionen Landsleute zu. Zuletzt gab es eher negative Schlagzeilen: In den vergangenen Wochen wurden zwei Basketball-Vereine im Zuge eines Manipulationsskandals aus der Liga geworfen.
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