Seit Frühjahr 2019 ist Gerald Martens Präsident des Basketballverbandes und hat mit dem neuen Präsidium einen Sanierungsplan entwickelt. Mit 23.000 Mitgliedern zählt die Sportart auch zu den größten Österreichs.
KURIER: In einer parlamentarischen Anfrage an Sportminister Werner Kogler wurde explizit gefragt, warum die Förderungen für Basketball so niedrig ist. Stimmt das?
Gerald Martens: Wir mussten bald feststellen, dass sich jegliches Programm auf Basis der Förderungsmittel gar nicht ausgehen konnte. Weder der Erhalt der bestehenden Strukturen, noch das Entwickeln von neuen Programmen wie zum Beispiel 3x3, der weltweit mit großem Abstand bedeutendsten Trendsportart überhaupt, könnten mit den bestehenden Mitteln ansatzweise seriös umgesetzt werden. Wenn es nach dem Sportministerium ginge, müssten wir unter anderem unsere weiblichen Nations-League-Medaillenträger im aktuellen Sportjahr auf Urlaub schicken.
Ist der Abstand zu anderen Sportarten für Sie nachvollziehbar?
Wenn man dann sieht, was andere Sportfachverbände seit Jahrzehnten kassieren, bleibt einem nur noch das Kopfschütteln. Die hinter Fußball weltweit größte Sportart Basketball wurde über viele Jahre vollkommen vergessen, das Fördergesetz wird offensichtlich ganz einfach nicht umgesetzt.
Das ist eine harte Ansage.
Der Rechnungshof hat geprüft und energisch kritisiert. Mehr oder weniger wurde bis heute fast kein einziger Kritikpunkt des Prüfberichts aus 2017 bis 2019 umgesetzt.
Da wird weder nach wirtschaftlichen Kriterien gemessen, noch werden Leistung und Struktur in irgendeiner Form abgebildet und in die Fördersummen eingearbeitet. Es fehlt in den Ämtern ganz offensichtlich an erfahrenen Managern mit Format, die sich der Bedeutung ihrer Entscheidungen und deren Konsequenzen bewusst sind.
Was meinen Sie damit?
Das Verteilen der Fördergelder birgt ein hohes Maß an Verantwortung und beeinflusst die Zukunft der nächsten Generationen ganz entscheidend. Ich muss als Fördergeber mir jeden Tag die Fragen stellen: „Wo entwickelt sich der Sportmarkt hin? Wo hole ich die jungen BürgerInnen ab? Was wollen Mädchen und Jungs in einem Jahr oder zehn Jahren? Wie passt mein Österreich-Blickwinkel in das Europa-Bild, aber auch in weiterer Folge in das Weltbild des Sports?“. Weder unterliegen wir der Methodik von geschützten Werkstätten, noch hört die Welt hinter den Staatsgrenzen auf.
Ist es so schwierig, ein System transparent zu machen?
Es ist das sicherlich nicht „Rocket Science“, nur ein paar Tage Arbeit - und ein transparentes, nachvollziehbares und kontrollfähiges System ist geboren. Mit der Betonung auf „kontrollfähig“! Im Übrigen sagt das Gesetz nicht explizit, dass man Medaillen gewinnen muss, um konsequenterweise Euroscheine zu bekommen, vielmehr ist der Wille des Staates ganz eindeutig, dass alle ÖsterreicherInnen Sport machen sollen, und genau das ist auch unser ultimativer Auftrag!
Wenn Basketball als Weltprodukt nach dem aufwendig gerechneten „GII Score“ 4,3 Mal so groß wie Volleyball, 10 Mal so groß wie Feldhockey, 13,3 Mal so groß wie Handball und 800 Mal so groß wie Faustball ist, das übrigens ziemlich ähnlich wie Basketball gefördert wird, dann ist natürlich auch das Siegen zigmal so aufwendig. Deswegen hat der Gesetzgeber unter §7(2) klar geregelt, dass die Förderung eigentlich den Grundsätzen der „Wirkungsorientierung“ unterliegen müsste.
Das klingt kompliziert. Ist die Vergabe der Fördermittel transparenter geworden?
Das BSFG 2017 Förderungsgesetz sieht vor, dass die 33,8 Millionen Euro Leistungs- und Spitzensportförderung zu 100 Prozent nach Leistungsfähigkeit der Sportfachverbände und nach Struktur und Wirkung ausgeschüttet werden. Man hat 2017/2018 aufwendigst ein neues Bewertungssystem eingeführt, das monetär leider nicht beim Fördernehmer ankommt: Schlecht bewertete Verbände bekommen wesentlich mehr als gut benotete!
Am Ende wird weniger als 1 Prozent der gesamten Summe de facto auf Basis der Leistung „neu“ verteilt, 99 Prozent so wie immer – Erklärungen dazu gibt es nicht. Es gibt noch immer keine Transparenzdatenbank, ein paar Verbände bekommen aus allen möglichen Ecken massive Zuschüsse und kämpfen ohne Zweifel damit, das Geld überhaupt förderungswürdig darzustellen.
Wie schwer hat es das Männer-Nationalteam?
Wir müssen uns zum Erreichen der EURO 2021 sogar durch zwei Qualifikationsgruppen durchbeißen – die Dichte ist so enorm hoch, man erreicht die Finals nur dann, wenn man große Brocken bereits in den Vorrunden eliminiert.
Gibt es Erfolgserlebnisse?
Wir sind im letzten Jahr bei der 3x3-EURO bis in die Endrunde gekommen und hätten dort mit etwas weniger Pech sogar einen Stockerlplatz belegt – so ist es Rang 6 geworden. Unsere Damen sind bei der europäischen U-23-Nations-League aufs Stockerl geklettert – ein historischer Rang 3 war damit Türöffner für die WM-Teilnahme 2020 in China, und bei den Herren wurde mit Rang 4 nur knapp die Qualifikation versäumt. Nebenbei sind wir 3x3-Vizeweltmweister bei den Universitätsspielen geworden, ein Erfolg, der nicht hoch genug einzuschätzen ist.
Die Aussichten, dass Österreichs Basketballteams an Olympischen Spielen teilnimmt, gehen doch gegen Null?
Genauso gut wie bei Volleyball und Handball. Ich habe in Erinnerung, dass seit den 80er-Jahren kein Mannschaftssportteam mehr an olympischen Sommerspielen teilgenommen hat. Anders sieht es bei 3x3 aus - wir haben einen sehr konkreten Fahrplan für Paris 2024 entwickelt und werden dort auch landen, sofern man zukünftig die Fördermittel fair und nachvollziehbar verteilt. Unterstützt wird dies bereits jetzt durch Großveranstaltungen, die ab September 2020 jährlich nach Österreich geholt werden.
Neben einer Nachwuchs-Europameisterschaft werden der 3x3-World-Cup, die EURO 2022 und eine Mastersserie ab 2023 nach Österreich touren und den Sport ankurbeln. Untermauert wird das Ganze durch den eben anlaufenden 3x3 School Jam, der ab April überall in Österreich startet. Dazu kommen noch internationale Challenger-Turniere, die nicht nur Profis, sondern auch Street-Ball-Amateuren eine Plattform für deren sportliches Engagement bieten werden.
Sie wollen auch die Nachwuchsteams und das Damenteam finanzieren.
Was können Sie mit einer Gesamtförderung von 534.558 Euro finanzieren? Unsere Vorgänger, unter ihnen auch der heutige Sektionsleiter im Sportministerium, Philipp Trattner, mussten in den letzten Jahren bereits Amputationen durchführen, um nicht einen Bankrott des gesamten Verbands zu riskieren. Das Frauen-Nationalteam wurde vor Jahren eingestellt, Nachwuchsnationalmannschaften wie das Mädchen-U-18-Team wurden erst gar nicht nominiert, das streckenweise höchst erfolgreiche Männer-U-20-Nationalteam aus Kostengründen gar liquidiert.
Wie teuer ist der Nachwuchs?
Eine schnelle Milchmädchenrechnung: Eine Nationalteam kostet mindestens 30.000 Euro pro anno, denn wir müsse sie ja auch zu internationalen Turnieren schicken. 16 davon müssen wir bestellen, ergibt knapp 500.000 Euro Gesamtobligo. Dazu das Herren-Nationalteam, das mit mindestens 250.000 Euro zu Buche schlägt.
Das sind 750.000 Euro, etwas mehr als die 534.558 Euro Förderung.
Sie brauchen für alles rundherum aber noch vier bis fünf Mitarbeiter um zirka 220.000 Euro, Nachwuchssport, Schülerliga, Breitensport, Trainerausbildung, Schiedsrichterpool und vieles mehr. Unter 1,2 Millionen Euro ist das betriebswirtschaftlich nicht darzustellen. Eigentlich bräuchte man um den Dreh herum rund 1,5 Millionen Euro plus Sonderprojekte, so wie es vergleichbare, aber eigentlich kleinere Sportarten wie Volleyball und Handball seit vielen Jahren üblicherweise erhalten.
Das Nationalteam ist neben der Ligareform eines Ihrer Herzensprojekte. Am Donnerstag beginnt die EM-Qualifikation. Welche Chancen rechnen Sie sich aus?
Das Team brennt bereits darauf, sich den Ukrainern und der amtierenden Europameistermannschaft aus Slowenien zu stellen. Wir haben mit Sicherheit das beste Team in der Geschichte und werden auch das Fehlen von zwei unserer Stars verschmerzen.
Nächstes Jahr veranstalten Sie in Österreich die WM. Müssen Sie dafür eine WM-Abgabe an den internationalen Verband zahlen, so wie es der internationale Judo-Verband für eine WM in Wien verlangte?
Rund 20 Prozent des Budgets eines 3x3-World-Cups sind Start- und Lizenzgebühren, die an den Weltverband FIBA zu entrichten sind. Es ist uns gelungen, von der FIBA einen Startbonus zu erhalten. und somit konnten wir die Kosten um rund 80.000 Euro auf rund 170.000 Euro drücken, das steht natürlich in keiner Relation zu Mega-Startgebühren, wie sie scheinbar bei der Judo-WM üblich sind. Ich glaube, dass man da von mehreren Millionen Eintrittsfee spricht.
Welchen Aufwand bedeutet diese WM für den Verband?
Das ganze Projekt kratzt an der Millionengrenze und wurde vom Bund mit einem Zuschuss von 350.000 Euro bereits beschlossen. Events bringen Wirtschaftsleistung, sind für den österreichischen ZuschauerInnen attraktiv und wichtig und damit zum Glück offensichtlich förderungswürdig. Jetzt müssen wir nur noch durchsetzen, dass auch Sportler und vor allem -Innen gefördert werden, damit man dann am Ende nicht mir beim Basketballspielen zuschauen muss.
Auch organisatorisch wird das Großprojekt eine Herausforderung.
Unser Team ist wahnsinnig motiviert, jedoch wären ein, zwei, drei Hände mehr für die Organisation eines solchen Weltevents schon sehr hilfreich. Da appellieren wir an Vizekanzler und Sportminister Kogler, bis dahin endlich anständig gefördert zu werden.
Zeigt der Zuschlag, dass der österreichische Verband beim internationalen Basketballverband ein besseres Standing hat als bei der heimischen Sportförderung?
Wir sind im höchsten Maße geschätzt. Unsere Bestrebungen, den Sport endlich aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken, werden schon seit geraumer Zeit mit Wohlwollen beobachtet. Jetzt fehlt nur noch, dass auch die verantwortlichen Beamten der Sportförderung hier adäquat mitziehen und uns mit anderen, vergleichbaren Sportarten auf Augenhöhe mitspielen lassen.
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