Martin Poiger hat im Oktober als Präsident des österreichischen Judoverbandes ein schweres Erbe angetreten. Unter seinem Vorgänger Hans Paul Kutschera flossen zwei Millionen Euro Fördergeld für die Judo-WM 2021, die nun doch nicht in Wien stattfindet.
Dann begann der Prozess gegen Peter Seisenbacher, in diesem Fall wird gegen einen Judo-Funktionär wegen Fluchthilfe ermittelt. Das sind harte Brocken, die den neuen Präsidenten bei seinem Start begleiten. Doch Poiger scheut sich nicht, auch zu solch heißen Eisen Stellung zu beziehen.
KURIER: Der Bund hat dem österreichischen Verband im Dezember 2018 zwei Millionen Euro Fördergeld überwiesen, dieser hat die Summe an den Weltverband (IJF) weitergeleitet, um den WM-Vertrag zu fixieren. Die WM wird nun nicht in Wien stattfinden, ist das Geld schon wieder zurück?
Martin Poiger: Nein. Wir haben mündliche Informationen, dass uns die IJF nur 1,5 Millionen Euro refundieren wird. Ich habe Ende Februar einen Termin mit dem Weltpräsidenten, um die weitere Vorgehensweise zu klären.
Das heißt, Sie bekommen nicht die gesamte Summe zurück?
Es gibt noch keine schriftliche Bestätigung. Laut Vertrag haben die zwei Millionen Euro dem internationalen Verband dazu gedient, im Fall von Problemen und Ausfällen den entstandenen Schaden zu zahlen.
Der 42-Jährige stammt aus Oberwart im Burgenland. Der promovierte Betriebswirt holte als Judoka mehrere Medaillen bei österreichischen Meisterschaften. Er leitet seit 2013 in Wien das Büro des europäischen Judoverbandes und veranstaltet zusammen mit seinem Bruder Roland das jährliche internationale Turnier in Oberwart. Im Oktober wurde er zudem zum Präsidenten des österreichischen Verbandes gewählt.
Der internationale Verband hat mit Taschkent schon WM-Ersatz gefunden.
Wir haben erfahren, dass die IJF Usbekistan einen Nachlass von 500.000 Euro gewähren musste, um sie als Veranstalter zu gewinnen. Wenn wir nicht die volle Summe zurückbekommen, hat das natürlich massive Auswirkungen für den Verband. Das Ministerium ist laufend über die Entwicklungen informiert. Es sind die nächsten Gespräche abzuwarten.
Sechs Millionen Euro will der internationale Verband als Gebühr, damit man eine WM veranstalten darf?
Das klingt viel, der Veranstalter hat aber großes Potenzial für Einnahmen. Die WM läuft in 190 Ländern der Welt im Fernsehen, und man kann mit jedem möglichen Sponsor abschließen. Zudem gibt es Hoteleinnahmen durch die Teilnehmer und Ticketverkäufe. Das Gesamtbudget von zwölf Millionen Euro muss man im Vergleich zu anderen Weltsportarten sehen. 2017 hat beispielsweise Budapest die Judo-WM und die Langbahn-WM im Schwimmen ausgetragen. Die Eröffnungsfeier der Schwimmer hat fast so viel gekostet wie die gesamte Judo-WM.
Warum ist die WM letztlich nicht nach Wien gekommen?
Das Ministerium hat die zweite Zwei-Millionen-Rate nicht überwiesen, weil der Verband seiner laufenden Berichtspflicht nicht ausreichend nachgekommen ist. Damit sah die IJF den Vertrag als nicht erfüllt, uns wurde die WM entzogen.
Das Ministerium wird irgendwann die zwei Millionen zurückverlangen.
Es handelt sich um Steuergelder, natürlich hat das Ministerium darüber Verantwortung. Wir stehen in positivem Austausch mit den Fördergebern.
Hatten Sie schon einen Termin mit dem neuen Sportminister Werner Kogler?
Wir haben uns im Rahmen der Handball-EM getroffen und informell ein paar Worte gewechselt.
Dessen Vorgänger Strache hat sich im Dezember 2018 vom Ministerrat den Blankoscheck für die Finanzierung der WM geben lassen.
Man kann Strache manches vorwerfen, im Fall der Judo-WM hat er sich auf unterschiedlichen Ebenen enorm für die Durchführung dieses Weltsportereignisses in Wien eingesetzt.
Aber im Vorfeld wurde ein wichtiger Partner für eine WM nicht einbezogen, die Stadt Wien.
Bei den ersten Gesprächen war ich selbst nicht anwesend, diese dürften jedoch tatsächlich nicht besonders glücklich verlaufen sein. Die Stadt Wien wäre ein wichtiger Partner gewesen, dass sie jegliche Beteiligung letztlich abgelehnt hat, war ein schwerer Rückschlag für uns.
Wie färbt das auf den Sportbetrieb ab?
Natürlich herrscht in der österreichischen Judofamilie Enttäuschung. Aber alle haben inzwischen Verständnis für unsere Situation. Wir haben den Blick nach vorne gerichtet, zu den Olympischen Spielen.
In dem Vortrag an den Ministerrat, der von Strache und von Ex-Finanzminister Löger unterzeichnet ist, wird die Judo-WM 2021 als Leuchtturmprojekt bezeichnet.
Judo ist ein Weltsport. Bei den beiden vergangenen Sommerspielen in Rio und London war Judo der Sport mit den Athleten aus den drittmeisten Ländern, aus 145 Ländern. Es gab in den vergangenen Jahren in Österreich kaum vergleichbare Veranstaltungen.
Beim Sport sind wir wohl bei einem Thema, das Ihnen mehr behagt?
Ich will mich nicht verstecken, was die verkorkste Situation wegen der WM betrifft. Aber natürlich ist es angenehmer über sportliche Dinge zu sprechen. Immerhin bin ich zuversichtlich, dass sechs oder sieben heimische Judoka bei den Olympischen Spielen antreten werden.
Womit wir wieder bei einer unangenehmen Frage wären. Österreich hat fünf olympische Medaillen im Judo, zwei davon in Gold. Beide hat Peter Seisenbacher geholt. Der wurde zuletzt, nicht rechtskräftig, zu fünf Jahren Haft wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt.
Wir vertrauen der Justiz und wollen als Verband keinen Kommentar dazu geben, bevor nicht ein rechtskräftiges Urteil vorliegt.
Für den Judosport ist die Causa Seisenbacher aber nicht einfach?
Wir wollen uns nicht davor verschließen, dass die körperliche und emotionale Nähe, die auf der Judomatte entstehen kann, auch eine gewisse Gefahr für sexualisierte Übergriffe birgt. Aber es ist unsere Pflicht, ein Klima zu schaffen, in dem Kinder, Jugendliche und Erwachsene davor geschützt sind. Mit zahlreichen Maßnahmen, wie Workshops, Informationsmaterialien, dem Einsetzen von Vertrauenspersonen, übernehmen wir Verantwortung.
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