Die gute Stimmung beim Tag des Sports im Wiener Prater könnte beinahe darüber hinwegtäuschen, was dem österreichischen Sport in den nächsten Monaten bevorstehen könnte. Den kalten Wind am Samstag im Wiener Prater haben einige als Vorbote wahrgenommen. Denn die Zukunftsängste bei Vereinen, Betreiber und Verbänden sind aufgrund der Energiekrise so groß wie selten zuvor.
Sobald die nächste Strom- oder Gas-Abrechnung kommt, müssen einige Vereine bzw. Sportstättenbetreiber ihre Anlagen schließen. Denn die zu erwartende Vervielfachung der Energiekosten kann keine Breitensport-Organisation alleine stemmen.
Das befürchtet auch Dagmar Schmidt, Präsidentin der Wiener Sportunion und des Wiener Turnverbandes. Das Sportzentrum Altgasse, in dem von Montag bis Freitag 150 Bewegungseinheiten mit Kindern abgehalten werden, steht vor dem Aus. „Wir müssen alles streichen. Es ist nicht mehr leistbar“, sagt Schmidt, die selbst eine Mädchengruppe trainiert, und dabei das Licht gar nicht mehr einschaltet. Die Kosten für den Strom werden sich in der Altgasse verfünffachen. Das Verlangen nach Hilfe ist „kein Wunsch mehr, es ist eine Forderung“.
Völlig im Dunklen tappen auch die Betreiber der Tennishallen. Martin Ohneberg, Präsident des österreichischen Tennisverbandes sagt: „Es gibt normalerweise 250 Hallen für die Wintermonate. Wenn es jetzt keine Planungssicherheit gibt, dann werden viele den Winter auslassen. Eine Hilfe am 1. Jänner wird zu spät sein.“
Die Schwimmer sind in der Diskussion Passagiere. „Wir sind selbst keine Betreiber und abhängig von den Gemeinden“, sagt Schwimm-Präsident Arno Pajek. Der Funktionär beklagt: „Wir haben durch die Lockdowns zwei Generationen an Kindern verloren.“ Wenn jetzt energieintensive Bäder geschlossen werden, hätte das enorme Auswirkung.
Umfrage
Nur jeder zweite Österreicher bewegt sich häufig mit seinen Kindern
Statistik
In Normalzeiten sorgt der Sport in Österreich u. a. für 357.000 Arbeitsplätze. Laut dem SportsEconAustria Institut für Sportökonomie wird durch Sport das Gesundheitssystem um 530 Mio. Euro entlastet
2,68 Millionen
Vereinsmitglieder gibt es in Österreich, die in 15.000 Sportvereine aufgeteilt sind. Die meisten – 270.600 Mitglieder – sind im Fußball zu Hause
Bei den Fußballern herrscht ebenfalls große Ungewissheit. „Ich habe große Angst“, sagt Ali Saadeddin, Präsident von Fortuna 05, ein kleiner Verein in Wien Döbling. „Jedes Mal, wenn eine Rechnung kommt, fürchten wir uns.“ Die Jahresrechnung der Wien Energie sei noch nicht im Briefkasten gewesen. Strom und Gas beliefen sich zuletzt auf 15.000 Euro.
Belastung für die Eltern
Das Einsparungspotenzial sei nicht besonders groß. „Ab Oktober brauchen wir von 16.30 bis 22 Uhr Flutlicht. Soll ich den Mannschaften ab 20 Uhr sagen, dass sie nicht mehr kommen sollen?“ Einen Teil werden die Eltern übernehmen müssen. Fortuna hat für seine 240 Nachwuchsspieler den Beitrag von 370 auf 450 Euro pro Saison erhöht. Saadeddin würde sich Kommunikation vom Verband wünschen: „Vielleicht können sie uns informieren, wie wir damit umgehen sollen.“
Sein Kollege Nermin Jusic, Obmann beim SV Donau, hat ebenfalls keine Information. Aber Gewissheit: „Wenn wir künftig das Drei- bis Vierfache für die Energie zahlen müssen, dann müssen wir das Training ab Oktober einstellen.“ Zuletzt lagen die Energiekosten bei 25.000 Euro.
Ohne Licht geht's nicht
Donau habe noch den Vorteil, dass das Flutlicht auf dem Rasenplatz auf LED-Technik umgerüstet ist. Das spare 50 bis 60 Prozent. Eine Einsparungsvariante sei: „Vielleicht müssen wir ein paar Mannschaften auf den Rasen übersiedeln.“ Ein früheres Training bei Tageslicht sei in Wien im Winter aus organisatorischen Gründen kaum möglich.
Selbst wenn es Hilfe aus der Politik geben wird, warnt Jusic vor langen Verzögerungen: „Wir bekommen die Rechnungen jetzt. Und als gemeinnütziger Verein bekommen wir bei der Bank keine Zwischenfinanzierung.“ Der Obmann zeichnet ein düsteres Bild: „Wenn es von der Politik nicht mehr Unterstützung geben wird, dann wird es bald keinen Vereinssport mehr geben.“
Sonne für das Eis
Für die besonders energieintensiven Eishallen gibt es eine Initiative des Eishockey-Verbandes. ÖEHV-Geschäftsführer Bernhard Friedrich organisierte ein Angebot der Firma Peak Sun, die auf die Hallen Miet-Photovoltaik-Anlagen errichten kann. Ersparnis in den ersten 15 Jahren: 30 Prozent, ab dem 16. Jahr 70 Prozent. Bei 150.000 bis 200.000 Euro jährlichen Stromkosten, wäre das eine große Erleichterung.
Politische Hilfe
Das Sportministerium versucht, dass der Sport vom „Energiekostenzuschussgesetz“ profitieren kann. Dabei ist geplant, dass energieintensive Unternehmen (mehr als drei Prozent des Umsatzes sind Energiekosten) einen Prozentsatz der Mehrkosten ersetzt bekommen. Der Plan ist, dass dieses Gesetz auch für gemeinnützige Vereine angewendet werden kann. Die Umsetzung einer Strompreisbremse würde zu lange dauern
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