Nicht nur SPÖ, Arbeiterkammer und Mietervereinigung kritisieren, dass die türkis-grüne Bundesregierung statt der Mietpreisbremse eine Wohnkostenhilfe präsentiert hat. Auch mehrere wirtschaftsliberale Experten stellen sich gegen den Kompromiss zwischen ÖVP und Grüne. Wifo-Chef Gabriel Felbermayr meint etwa im Ö1-Morgenjournal, die Maßnahme werde die Teuerung weiter anheizen. Eine Preisbremse bei den Richtwertmieten, die mit 1. April um 8,6 Prozent steigen, wäre ein Anfang gewesen, um aus der "Inflationsanpassungsautomatik" auszusteigen.
Stattdessen gibt die Regierung nun weitere 225 Millionen Euro für den Wohnkostenzuschuss und 25 Millionen für den Wohnschirm aus. Im Gegensatz zur Mietpreisbremse bezahlen das nicht die Vermieter, sondern die Steuerzahler. "Die 250 Millionen Euro, die jetzt zusätzlich ausgegeben werden, die hat der Staat nicht", sagt Felbermayr. Das Geld müsse wieder an den Kapitalmärkten aufgenommen werden. "Das wirkt sicher nicht inflationsdämpfend. Sondern führt eben weiter Elemente in die Nachfrage hinein, was am Ende die Preise eher nach oben treibt."
Badelt: "Wäre allerbeste Lösung gewesen"
Fiskalrats-Präsident Christoph Badelt bezeichnete die Idee einer Wohnkostenhilfe am Dienstag in der ZiB1 noch als "grundsätzlich sympathisch". Nach der offiziellen Präsentation zählt aber auch er zu den Kritikern. "Als ich zuerst Sympathie für den Vorschlag der ÖVP bekundet habe, wäre ich nicht auf die Idee gekommen, dass man den Wohnkostenzuschuss als Einmalzahlung organisieren könnte. Ich hätte gedacht, dass es sich wie bei der Wohnbeihilfe um eine längerfristige Leistung handelt, die regelmäßig ausbezahlt wird", sagt Badelt zum KURIER.
Die Erhöhung der Richtwertmieten um 8,6 Prozent halte er für "eine relevante Zahl, die Menschen in ökonomische Schwierigkeiten bringt", so Badelt. "Wir haben zwar derzeit keinen eindeutigen empirischen Beleg, aber entweder gibt es ein soziales Problem durch höhere Mieten oder es gibt keines. Wenn die Regierung meint, es gibt eines, muss sie dementsprechend handeln. Sollte der Zuschuss also erst in mehreren Monaten und nur einmalig überwiesen werden, ist das eindeutig zu spät und zu wenig."
Badelt hält Markteingriffe über Preisbremsen zwar grundsätzlich nicht für die beste Lösung, wie er bereits mehrmals bekundete. Die Erhöhung der Richtwertmieten auf drei Jahre aufzuteilen und parallel dazu einen Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer auf das erste Eigenheim einzuführen, bezeichnete er aber als guten Kompromiss. Die Grünen lehnten den GrESt-Freibetrag zuerst ab - was Badelt ursprünglich im KURIER kritisierte
Am Wochenende unterbreiteten sie der ÖVP aber einen Vorschlag: Im Gegenzug zur Mietpreisbremse, würden sie einem Freibetrag von 500.000 Euro bei der GrESt zustimmen. Und zwar dann, wenn die Steuer für teurere Immobilien höher ausfällt. Ab einer Million Euro soll sie 5 statt 3,5 Prozent betragen. Damit wären Immobilien unter einer Million Euro deutlich billiger, während man über teurere Immobilien und die dann höhere GrESt einen Teil der Steuereinnahmen gegenfinanzieren könnte. Badelt kann nicht verstehen, warum die ÖVP dieses Gegenangebot abgelehnt hat: "Das war ein pragmatischer Kompromiss, den ich für die allerbeste Lösung gehalten hätten."
Sozial treffsicherer?
Der Wohnkostenzuschuss unterstützt Haushalte mit niedrigen bis mittleren Einkommen. Im Gegensatz zu einer Mietpreisbremse, gilt er für alle Wohnformen. Die genaue Ausgestaltung wie etwa die Einkommensgrenze obliegt den Bundesländern, die Richtlinien für die Wohn- und Heizkostenzuschüsse sind dort recht unterschiedlich ausgestaltet. Je nach Bundesland wird es denn auch Unterschiede dabei geben, wann das Geld bei den Menschen ankommt. Grundsätzlich dürfte eine Million Haushalte rund 200 Euro erhalten.
Zu den Befürwortern des Zuschusses zählt der wirtschaftsliberale Thinktank Agenda Austria. "Der Wohnkostenzuschuss ist im Gegensatz zur Mietpreisbremse sozial treffsicherer und kein Markteingriff. Deshalb hat er auch keine negativen Auswirkungen auf das Wohnungsangebot", sagte Ökonom Hanno Lorenz zum KURIER. Der Sozialstaat sei gefordert, bedürftigen Menschen in dieser Situation zu helfen, so Lorenz.
Das gewerkschaftsnahe Momentum Institut beurteilt das anders. "Eine Mietpreisbremse wäre unmittelbar wirksam, treffsicher, nachhaltig, und inflationsdämpfend gewesen. Die Mietpreisspirale dreht sich damit ungebremst weiter. Österreich läuft damit Gefahr, dass die Inflation weiterhin über jener in der Eurozone liegen wird", meinte Ökonom Alexander Huber.
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