Zurückzuführen sei dies, so Spaun, insbesondere auf den frühen Einstieg der Branche in die Kreislaufwirtschaft. „Wir verwerten 2,5 Millionen Tonnen Reststoffe bei einer Produktion von vier Millionen Tonnen Zement. Wir haben aus der Kreislaufwirtschaft ein Geschäftsmodell gemacht.“
Von internationalen Lieferketten sei die Branche weitgehend unabhängig, die verbliebenen 8 klinkerbrennenden Standorte hierzulande beziehen die zur Zementherstellung notwendigen Rohstoffe (u.a. Kalkstein, Ton, Sand, Eisenerz) aus Österreich, wobei Kalkstein und Ton zunehmend von Baurestmassen ersetzt werde, wie Spaun erklärt.
„Wir können Österreich zu 100 Prozent selbst versorgen, zehn Prozent kommen im Wettbewerb aber aus den Nachbarländern. Das macht die Branche auch so besonders: Zement ist ein Klebstoff, der mit Wasser fest und zu Beton wird. Und Beton ist der meistverwendete Werkstoff der Welt. Alles, was wir brauchen, um Beton zu machen, haben wir in Österreich.“
600 Millionen Umsatz versus 600 Millionen Investment
In der Regel „fahre“ Beton unter 20 km, Zement unter 80 km ehe er zum Kunden kommt. Doch die Branche habe ein Problem.
Der Umsatz aller Werke von rund 600 Millionen Euro entspreche dem eines mittelständischen Unternehmens. Die Investitionen, um die Klimaziele zu erreichen, zu denen sich die heimischen Unternehmen bereits vor Jahren bekannt haben, sei indes ungleich höher.
„Früher sprachen wir von zweistelligen Millionenbeträgen bei den Investitionen. Heute muss man zwischen 400 bis 600 Millionen Euro investieren, um Werke so um- oder neu zu bauen, damit sie den klimaneutralen Standards entsprechen.“
Der 2019 erstellte Plan der VÖZ, die CO₂-Emissionen bis 2050 auf Null zu reduzieren, sei ambitioniert, aber möglich, so Spaun. „Jede Tonne, die wir vermeiden und zu Beginn der Produktionskette quasi vorne wegbringen, müssen wir später nicht in teure Umbau-Projekte stecken.“ Die Hersteller seien auf einem guten Weg, doch nun sei die Politik und künftige Regierung gefordert.
Zementwerke haben, anders als die meisten anderen Industrien, so genannte „geogene CO2-Emissionen“: Das Prinzip bezieht sich auf Emissionen, die aus natürlichen Prozessen entstehen. Konkret bedeutet das: Bei der Herstellung von Zement wird Kalkstein erhitzt, um Calciumoxid (Kalk) zu gewinnen. Dabei wird sehr viel Kohlendioxid (CO₂) freigesetzt, das natürlich im Kalkstein gebunden ist. Dieser Prozess ist unvermeidlich und von der Zusammensetzung des Rohmaterials abhängig. Geogene Emissionen sind also jene CO₂-Emissionen, die nicht aus der Energie, sondern direkt aus dem chemischen Prozess stammen – unabhängig davon, wie „sauber“ die Energiequellen sind, bleibt dieses CO₂-Problem bestehen. Daher bleibt Zementwerken nichts anders übrig, am Weg zum ziel Null-Emissionen, das entweichende Kohlendioxid herauszufiltern und entweder zu verarbeiten (Carbon Capture and Utilisation, CCU) oder tief im Boden zu verpressen (Carbon Capture and Storage, CCS).
„Wir brauchen Planungssicherheit – egal, ob es um notwendige Infrastrukturprojekte wie den Ausbau des Stromnetzes, Wasserstoff-Pipelines oder CCS geht. Wir können keine Förderungen beim milliardenschweren Transformationsfonds der EU abrufen – auch nicht für Pilotprojekte, weil CCS bei uns gesetzlich nicht erlaubt ist.“ Länder wie Dänemark, in denen CO₂ bereits abgeschieden und in der Erde abgespeichert wird (CCS) seien dadurch klar im Wettbewerbsvorteil. „Die nächsten 2 bis 3 Jahre sind entscheidend: Wenn die Politik keine Richtungsentscheidung vorgibt, dann müssen wir zuschauen, wie aus anderen Teilen Europas oder über Rotterdam der erste CO₂-freie Zement nach Österreich geschippert wird.“ Österreich müsse zudem, so Spaun, mehr in Grundlagenforschung investieren und auf Umweltökonomen wie Stefan Schleicher hören, der jüngst appellierte: „Wir müssen weg von den weglosen Zielen hin zu den zielgerichteten Wegen.“
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