Keine Kandidatur im Herbst: Wolfgang Sobotka kehrt der Politik den Rücken
Es galt als gesetzt, dass Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka im September für die ÖVP wieder antritt. Zwar nur auf der Bundesliste und nicht auch in Niederösterreich, doch das war mit der Bundespartei bereits abgesprochen. Jetzt kommt alles jedoch anders. Der 68-jährige Politiker aus Waidhofen an der Ybbs wird überhaupt nicht mehr antreten. Das hat er nach einem Gespräch mit seiner Familie entschieden.
Er strebe kein politisches Amt mehr an, erklärte Sobotka gegenüber dem KURIER. Was überrascht, denn der Niederösterreicher ist als Vollblutpolitiker bekannt. Das will er auch noch bis zum endgültigen Ende der Legislaturperiode durchziehen. „Bis zur konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments nach der Wahl werde ich mit vollem Einsatz weiterarbeiten“, sagt Sobotka. Dann aber sei Schluss.
Was letztlich ausschlaggebend war, dass er sich aus der Tagespolitik zurückzieht, – „Ich bin und bleibe dennoch ein zutiefst politischer Mensch“ – , wollte er nicht sagen. Nur so viel: „Ich wollte immer selbstbestimmt aus der Politik ausscheiden und nicht darauf warten, dass andere mir sagen, ich soll gehen.“ Auf keinen Fall seien dafür die ständige Kritik der Opposition an seiner Person, die vielen Rücktrittsaufforderungen oder gar die Schlusslichtplatzierung im Vertrauensindex ausschlaggebend gewesen.
Politischer Gegenwind
Wenn es um den politischen Gegenwind geht, dann hätte er schon früher das Handtuch werfen müssen. Er habe jedenfalls seine Linie immer durchgezogen. „Wenn es berechtigte Kritik an meinen Positionen gegeben hat, dann habe ich das auch aufgegriffen. Wenn nicht, dann bin ich bei meiner Haltung geblieben“, sagt Sobotka. Mit dem Nachsatz: „Ich war nie das Fähnchen im Wind, ich war immer ein Mast.“
Reaktionen österreichischer Politiker
Das dürfte auch Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) so sehen, die zu Sobotkas Abschied anerkennende Worte findet: „Kaum ein anderer lebt Politik mit einer derartigen Leidenschaft und Hingabe wie Wolfgang Sobotka. Er brennt für die Sache, weil ihm unser Land und die Anliegen der Menschen wichtig sind. Und da ist es ganz gleich, wie groß oder klein die Sorgen und Herausforderungen sind, ob in der Gemeindepolitik in Waidhofen an der Ybbs, im Land oder im Nationalrat, Wolfgang Sobotka hat und wird immer 150 Prozent Einsatz geben."
Er sei ein Politiker, der sich nicht verbiegen lässt, der zu seinen Überzeugungen, Entscheidungen und Prinzipien stehe, so Mikl-Leitner. "Ich habe großen Respekt vor diesen Qualitäten, die heute immer seltener werden. Lieber Wolfgang, Danke für deinen Einsatz für unser Land.“
Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) meldet sich auf der Plattform X (früher Twitter) zu Wort: "Ich schätze Wolfgang Sobotka als leidenschaftlichen Parlamentarier, überzeugenden, werteorientierten Politiker und unermüdlichen Kämpfer gegen Antisemitismus. Er steht stets zu seinem Wort und zu seinen Werten und diskutiert leidenschaftlich für seine Überzeugungen."
Aber was macht ein Politiker wie Wolfgang Sobotka nach dem Rückzug?
„Ich habe genug Interessen, denen ich dann nachgehen kann.“ Was er genau macht, will er erst entscheiden, „wenn dann diese Brücke überquert werden muss.“ Aber: „Ich werde sicher kein klassischer Pensionist sein.“ Eines möchte Sobotka auch klarstellen: Der Hinweis von einigen seiner Parteikollegen, er solle sich zurückziehen, da der ÖVP nach der Nationalratswahl im Herbst die Funktion des Nationalratspräsidenten nicht mehr zustünde, weil die FPÖ den ersten Platz erobern werde, war für ihn überhaupt nicht ausschlaggebend. Er ist nämlich überzeugt, dass die ÖVP trotz der aktuellen Umfragen der FPÖ diesen Rang noch streitig machen wird. Sobotka: „Wir werden gewinnen, weil Karl Nehammer in Zeiten multipler Krisen bewiesen hat, dass er die beste Wahl für Österreich ist.“
Er sehe jedenfalls derzeit mit der ÖVP eine Partei, die geschlossen hinter Kanzler Karl Nehammer steht. Sobotka: „Das tue ich auch und ich werde alles unternehmen, dass er erfolgreich ist.“ Er sei noch immer total loyal zu all seinen Parteivorsitzenden gestanden. Mit einer Ausnahme: Reinhold Mitterlehner.
Noch ein Paukenschlag
Es wäre aber nicht Wolfgang Sobotka, wenn er nicht wenige Tage vor seinem endgültigen Ausstieg noch einen Paukenschlag setzen würde. Er macht das mit einer großen, europäischen Parlamentskonferenz in Wien. Das Thema: Der steigende Antisemitismus in Europa. Wolfgang Sobotka veranstaltet das gemeinsam mit Ariel Muzicant, dem Präsidenten des Europäischen Jüdischen Kongresses. Von allen Parlamenten können jeweils fünf Abgeordnete dazu entsandt werden. Diese sollen in Wien mit den jüdischen Gemeinden in der EU zusammengebracht werden.
Sobotka: „Europa muss sich dieser Diskussion stellen.“ Vor allem seit dem Überfall der Terrororganisation Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 sei der Antisemitismus stark gestiegen. Antisemitismus sei demokratiefeindlich, so der Nationalratspräsident. Und es gehe bei dieser Diskussion nicht um den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, dessen Politik man natürlich scharf kritisieren müsse.
Gleichzeitig fordert Wolfgang Sobotka, dass sich Europa einer Wertediskussion stellen muss. „Ob man das dann Leitkultur oder anders nennt, ist sekundär.“ Nur so könne man einem falschen Islamismus, der sich immer mehr breitmache, auch wirklich entgegentreten. Sobotka: „Da darf man auch nicht auf falsche Toleranz setzen und nachgeben.“
Eines wird dem Waidhofner nach seinem Abschied im Herbst aber sicher abgehen: das Parlament. Unter ihm wurde es fertiggestellt und eröffnet. „Und es ist ein offenes Haus geworden.“
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