Wo das Schulsystem einfach nicht genügend ist
Vergangenen Sonntag feierte die Sozialdemokratie den 112. Geburtstag von Bruno Kreisky. Als Bundeskanzler leitete der SPÖ-Bundeskanzler vor bald 50 Jahren eine Fülle von großen Reformen ein, auch im Bildungsbereich, und nicht wenige Experten sind der Ansicht, dass die damaligen Reformen noch heute nachwirken – etwa Gratis-Schulbuchaktion, Schülerfreifahrt, freier Uni-Zugang, Abschaffung der AHS-Aufnahmeprüfung, Demokratisierung der Universitäten.
Seither gab es zwar weitere Reformen, ob diese auch sinnvoll waren und zu einer Verbesserung geführt haben, muss aber bezweifelt werden.
Kindergarten statt „Bildungsgarten"
Die Bildungsforschung weiß, dass eine flächendeckende, personell und fachlich gut ausgestattete Elementarpädagogik den größten Effekt für ein besseres Bildungssystem hätte. Da es das nicht gibt, kommen Kinder in die Volksschulen mit teils enormen Leistungsunterschieden. Diese Bildungslücken können viele Kinder in ihrer Bildungskarriere kaum mehr ausgleichen und fühlen sich ein Leben lang als Versager. Eine Milliarde Euro mehr pro Jahr, lautet die Forderung der Elementarpädagogen, damit könnte schon viel erreicht werden. Und die Politik muss klare, verbindliche Regeln aufstellen – über Gruppengrößen, Betreuungsverhältnis, Öffnungszeiten und maximale Schließtage, eine bessere Ausbildung der Pädagogen als auch eine faire Entlohnung. Das fordern schon lange 19 Organisationen, die tagtäglich im Elementarbereich arbeiten und nicht gehört werden.
Volksschul-Krampf
Nicht wenige Kinder in den Volksschulen haben eine Nachhilfe, sofern sich die Eltern das leisten können. Die Nachhilfe soll aber kein Schutz gegen das Durchfallen sein, sondern den Kindern durchgängig Einser ermöglichen. Das ist – vor allem in den Städten – wichtig, sonst hätte das Kind keine Chance, einen Platz in einem Gymnasium zu bekommen. Denn die alternativen Mittelschulen sind – vor allem in den Städten – zu „Restschulen“ geworden; die Gymnasien dürfen sich ihre Schüler aussuchen. Der Druck auf neunjährige Kinder ist also enorm, da die Sorge der Eltern groß (und nicht unberechtigt) ist, dass in der Stadt ein Aufsteigen nach vier Jahren Mittelschule in eine AHS-Oberstufe viel schwieriger ist, es also eher nur theoretisch möglich ist.
Reform zur Mittelschule – gut gemeint statt gut
Die vor zehn Jahren begonnene rot-schwarze Umwandlung der Hauptschulen in Mittelschulen ist ein Paradebeispiel, dass gut gemeint oft das Gegenteil von gut ist. Idee war, dass die SPÖ irgendwann die ÖVP überzeugen wird, einer gemeinsamen Schule bis 14 (achte Schulstufe) zuzustimmen, dann sollten die Mittelschulen diese Aufgabe übernehmen. Spätestens als der damalige ÖVP-Chef Kurz 2017 plakatierte „das Gymnasium muss bleiben“, war klar, dass das nicht passieren wird. Die Reform scheiterte also politisch, ohne dass das je zugegeben wurde. Übrig bleiben Mittelschulen, die durch das verpflichtende Teamteaching ungeheuer teuer sind, es wurde aber nie evaluiert, ob diese Reform auch sinnvoll war. Es wird Lehrer-Paare geben, die das Teamteaching ausgezeichnet machen, auch das wurde nie untersucht. Es liegt aber auch die Vermutung nahe, dass in vielen Mittelschulklassen ein Lehrer unterrichtet, während der andere Hausübungen kontrolliert, was gar nie die Idee war.
Fehlreform für Ganztägige Schulen
Man stelle sich vor, in einem Betrieb wird darüber abgestimmt, ob der Arbeitstag um 13:40 zu Ende sein soll, oder ob alle bis 16 Uhr bleiben. Genau das passiert bei der Ganztägige Schule: Wenn die Lehrer an einer Schule das nicht wollen, darf es auch nicht umgesetzt werden. Obwohl auch die Bildungswissenschaft in unzähligen Studien darlegt: Bei ganztägigen Schulformen sind alle glücklicher. Die Lehrer, weil mehr Zeit ist, die Schüler, weil der Druck ein anderer ist, und die Eltern, weil sie nicht angehalten sind, bis tief in die Nacht mit den Kindern Hausübungen und Schularbeitsstoff nachzuholen. Übrig bleiben vor allem jene Kinder, deren Eltern diese Hilfe nicht leisten können. So bleibt die Rolle der Eltern essenziell für die Zukunft der Kinder.
Lehrerausbildung
Wenn der aktuelle Lehrermangel, der seit Jahrzehnten prognostiziert war, dazu führt, dass fachfremdes Unterrichten inzwischen die Regel geworden ist (siehe Artikel unten), stellt sich die Frage, warum wir überhaupt eine Pädagogen-Ausbildung haben, wenn es scheinbar egal ist, was die Pädagogen unterrichten. Image und Selbstbild der Lehrer leiden seit Jahrzehnten enorm. Vom bildungspädagogischen Traum, nur die besten Kandidaten zur Ausbildung zuzulassen, ist kaum etwas übrig.
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