Im großen TV-Duell mischten die Kleinen mit

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, die grüne Spitzenkandidatin Maria Vassilakou, Wiener NEOS-Obfrau Beate Meinl-Reisinger, Bürgermeister Michael Häupl und der Wiener ÖVP-Chef Manfred Juraczka (v.l.n.r.)
Elefantenrunde: Beim Match Häupl gegen Strache startete Neos-Frau Meinl-Reisinger Überraschungsangriff.

Es war die erste – und auch die einzige direkte Konfrontation der großen Kontrahenten im Wiener Wahlkampf: Montagabend trafen SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im TV-Studio aufeinander. Mit dabei waren auch die Spitzenkandidaten von ÖVP, Grünen und Neos. ORF und Puls 4 strahlten erstmals gemeinsam eine Elefantenrunde vor einer Wahl aus.
Wie groß die Abneigung zwischen dem roten und dem blauen Frontmann ist, zeigte sich schon, als sie in den Sofiensälen eintrafen: Die beiden gaben einander bei der Begrüßung nicht die Hand. Wer aber ein reines Duell erwartet hatte, wurde enttäuscht. Das Match lautete „Alle gegen Strache“. Und der FPÖ-Obmann gefiel sich – wieder einmal – in der Opferrolle (siehe auch unten): „Alle treten an, um Strache zu verhindern.“

Charakter-Frage

Der Freiheitliche attackierte freilich hauptsächlich seinen Hauptkonkurrenten Häupl. Er warf ihm etwa vor, vermeintliche Strache-Zitate in Sachen Asyl zu verbreiten, die unwahr seien. „Wenn es um Charakter geht, bin ich schon Sieger“, meinte der FPÖ-Obmann. Häupl konterte mit einem Taferl, auf dem ein Bild von KURIER-Fotograf Jürg Christandl zu sehen war – und sagte: „Herr Strache, sagen Sie nicht, ich sei charakterlos!“ Das Foto zeigt, dass die FPÖ vor einer Asylwerber-Unterkunft in Wien-Erdberg demonstriert hat, als eine Familie dort eintraf.

Die grüne Vize-Bürgermeisterin Maria Vassilakou, die gerne mit Häupl weiterregieren würde, sprang ihrem Koalitionspartner bei – und griff den Ober-Blauen frontal an: „Herr Strache, Sie sind beim Hetzen der Erste – und beim Helfen der Letzte.“

Der Gescholtene holte zum Gegenschlag aus. Er behauptete, beim Mai-Aufmarsch der SPÖ seien Türken aufmarschiert. Und eine Kindergärtnerin in Wien sei gekündigt worden, weil sie den Kindern das Christentum näher bringen habe wollen. Da wurde Häupl emotional. „Das ist ein unfassbarer Unsinn. So viel Blödsinn habe ich noch nie gehört. Ein Unsinn nach dem anderen“, echauffierte sich das Stadtoberhaupt. Strache entgegnete: „Immer wenn sie mit der Wahrheit konfrontiert werden, ist das ein Unsinn.“

Halbzeit-Bilanz

Nach der ersten Diskussionsrunde wurde Zwischenbilanz gezogen. Das Meinungsforschungsinstitut OGM hatte 500 Zuschauer nach ihrer Meinung befragt. Da hatte Strache noch knapp die Nase vorne. 35 Prozent hätten zu diesem Zeitpunkt für den Blauen votiert, 33 Prozent für Häupl. Die übrigen Diskutanten lagen weit abgeschlagen.

Später wurde noch intensiv über die Themen Verkehr, Schulden, Demos und Arbeitsplätze debattiert. Juraczka ätzte: „Wer den Arbeitsmarkt so sträflich vernachlässigt, hat kein Recht auf Wiederwahl.“ Die Bürger dürften das anders sehen. Zumindest gestern Abend gaben die meisten Zuschauer (31 Prozent) Michael Häupl ihre „Stimme“. 29 Prozent konnte Strache für sich gewinnen. Vassilakou bekam 17 Prozent – und damit wesentlich mehr als die Grünen in aktuellen Umfragen. ÖVP-Mann Manfred Juraczka kam hingegen nur auf magere sieben Prozent. Knapp davor, mit acht Prozent, rangierte sogar Neos-Frontfrau Beate Meinl-Reisinger. Sie hatte in der TV-Debatte für Aufsehen gesorgt, weil sie die Stadtregierung, primär die SPÖ, äußerst scharf wegen der im Vergleich zu anderen Bundesländern überbordenden Werbeausgaben attackierte. Sie warf den Roten sogar mehrfach Korruption vor.

Unter Druck gesetzt

Im großen TV-Duell mischten die Kleinen mit
ABD0138_20151005 - WIEN - ÖSTERREICH: Die Wiener NEOS-Obfrau Beate Meinl-Reisinger am Montag, 05. Oktober 2015, vor Beginn einer TV-Konfrontation mit den Spitzenkandidaten der im Landtag bzw. Nationalrat vertretenen Parteien (SPÖ, FPÖ, ÖVP, Die Grünen und Neos) in Wien. - FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH
Die pinke Frontfrau berichtete, dass sie von Journalisten unter Druck gesetzt worden sei. Tenor: Wenn die Neos weiterhin die Inserate der Stadt kritisierten, würden sie „niedergeschrieben“. ORF-Moderator Paul Tesarek versuchte Meinl-Reisinger abzuwürgen – und erntete dafür Häme auf Twitter. Häupl reagierte auf die Vorwürfe knapp: „Wenn das alles so korrupt ist, gehen Sie zum Staatsanwalt!“

Die einzige TV-Konfrontation mit allen Spitzenkandidaten vor der Wien-Wahl brachte weniger Überraschungen als erwartet. Einen großen Raum in der Debatte nahm wie erwartet das Flüchtlingsthema ein.

Die wichtigsten Aussagen und größten Aufreger der Spitzenkandidaten:

Zu Beginn die Frage an die kleinen Parteien, wie man sich gegen SPÖ und FPÖ behaupten will:
Maria Vassilakou (Die Grünen) ist überzeugt: "Spätestens seit der Oberösterreich-Wahl weiß man: Häupl braucht um seine Wiederwahl nicht zu fürchten. Deshalb müssen wir uns darauf konzentrieren, wer die Stadt weiterregieren will."

Manfred Juraczka (ÖVP): "Ich sehe in keiner der Umfragen eine Mehrheit für einen Bürgermeister Strache. Es geht nicht ums gschafteln, sondern um die Inhalte."

Beate Meinl-Reisinger (NEOS) merkt an: "In dieser Wahl geht es um Veränderungen. Aber die Politik ist faul und korrupt geworden."

Auch Heinz-Christian Strache meldet sich in dieser Frage zu Wort: "Wir haben gehört, dass alle gegen Strache sind, insofern wird sich nichts verändern".

Großes Thema in allen Phasen der Elefantenrunde war die Flüchtlingsproblematik. Emotional wurde zwischen Strache und Häupl diskutiert, wer nun der Charakterschwächere sei. Der FP-Chef zitiert eine Aussage des Bürgermeisters, in der Häupl ihm vorwirft, er hätte gesagt, man solle Menschen nach Syrien zurückschicken.

Das sei eine Lüge: "Wenn es um den Charakter geht, dann bin ich schon Bürgermeister", sagt Strache.

"Ich lass mir nicht vorwerfen, die Unwahrheit gesagt zu haben. Sagens nicht zu mir, ich bin charakterlos", entgegnet Häupl.

"Herr Strache, Sie sind beim Hetzen erster, beim Helfen letzter": Vassilakou greift direkt Strache an: "Und sie stellen sich her, und wollen uns sagen, wer diese Menschen sind?"

Vassilakou erinnert an den kalten Krieg: "Was wir nicht brauchen, ist ein 'Zaun der Schande'". Unsere Eltern haben gekämpft, dass diese Zäune entfernt werden. Wir brauchen keine politischen Zwerge wie Herrn Strache und Orban, die diese Zäune wieder aufbauen" (Gorbatschov und Kohl hätten sie abgebaut).

ÖVP-Frontmann Manfred Juraczka plädierte für Vernunft und Anstand. Man müsse zwischen Flüchtlingen, die an Leib und Leben bedroht seien, und solchen, die aus wirtschaftlichen Gründen kämen, unterscheiden. Diese Linie sehe er bei der FPÖ, deren Funktionäre Flüchtende als "Erd- und Höhlenmenschen" bezeichneten, nicht. Wobei der schwarze Spitzenkandidat auch die grüne Position, möglichst alle Menschen aufzunehmen, ablehnte.

"Die politischen Ränder, bringen uns nicht weiter", sagt Juraczka dazu.

Frage: Wie kann man das Zusammenleben der Kulturen in Wien verbessern?
Häupl: "Deutsch lernen ist eine Unerlässlichkeit. Es geht auch darum, dass man bestimmte Dinge nicht zulässt. Etwa Zwangsehe, das geht gar nicht. Es gibt aber auch Machos unter den Autochthonen". Und man müsse sich um die Zugezogenen kümmern, "das sind unsere Sorgenkinder"

"Wir müssen die Integration forcieren", sagt Strache.

Vassilakou: "Wir brauchen zusätzlich 1000 LehrerInnen zur Unterstützung. Jedes Kind ab dem zweiten jahr soll den Kindergarten besuchen dürfen".

"Ich will den Stadtschulrat abschaffen" (Meinl-Reisinger)

Meinl-Reisinger: "Ein Fünftel sind Schulabbrecher und Analphabeten, das sind meist Menschen mit Migrationshintergrund. Rot-grün hat da nicht gut gearbeitet. Und weiter: "Ich will den Stadtschulrat abschaffen. Ich brauche keine Chefin, die sagt 'Ich bin Politikerin".

Thema Arbeiten und Wohnen:
"Am Wirtschaftsstandort ist etwas nicht in Ordnung. Seit Ende 1994 wurden in Wien nur 7800 neue Jobs geschaffen. Das wird sich nicht ausgehen." Und weiter: "Wer den Arbeitsmarkt so sträflich vernachlässigt, wie das bisher geschehen ist, hat kein Recht auf Wiederwahl" (Michael Juraczka).

"Wir haben sehr, sehr gut versucht, gegen die Krise anzuinvestieren. Schauen Sie sich andere Städte an" (Michael Häupl)

Gegen Ende nimmt Strache mit Blick auf Maria Vassilakou noch selbst Stellung zu der an ihn herangetragenen Abneigung: "Manchmal ist gelebte Form der Agrressivität auch eine Form der Zuneigung, Frau Vassilakou".

Strache zu Manfred Juraczka: "Sie sind schon bald eine zu schützende Minderheit in Wien".

Österreichs Erstwähler nutzen laut einer Studie des Parlaments ihr Wahlrecht deutlich weniger als ältere Wähler. Bieten die Parteien den Jungen zu wenig? Warum soll man überhaupt noch wählen? Wie soll Wien in Zukunft aussehen? In einer Live-Debatte werden diese und andere brennende Fragen vor der Wien-Wahl gestellt. Jungpolitiker treffen auf Jungwähler – live auf KURIER.at.

Zwei Erstwähler diskutieren mit Marcus Schober (SPÖ), Peter Kraus (Grüne), Christoph Wiederkehr (Neos), Dominik Stracke (ÖVP), Maximilian Krauss (FPÖ), Juliana Okropiridse (Andas) unter der Moderation von KURIER-Wien-Chef Elias Natmessnig.

Die Diskussionsrunde in Kooperation mit neuwal.com wird am 6. Oktober ab 14 Uhr als Livestream auf KURIER.at übertragen. User können über Twitter und Facebook unter #JungfragtJung live mitdiskutieren und ihre Fragen stellen. Auch hier im Forum können Fragen vorab gepostet oder an socialmedia@kurier.at gesendet werden.

Wir leben ja in einer modernen Medienwelt. Das hat z. B. den Vorteil, dass man sich die „Elefantenrunde“ der Wiener Spitzenkandidaten gar nicht im Fernsehen anschauen muss. Es reicht, nachher auf Twitter nachzulesen, wie es war. Und das Ergebnis ist eindeutig: Laut Twitter waren alle fünf gut, aber schlecht, und außerdem durchschnittlich.

Früher mussten die diversen Sprecher, Spin-Doktoren und Parteifunktionäre erst mühsam Aussendungen machen, um der vor Spannung bebenden Öffentlichkeit mitzuteilen, dass ihr jeweiliger Kandidat die Diskussion, ganz unparteiisch und neutral betrachtet, haushoch gewonnen habe. Heute haben sie dafür Twitter. Und dort wird dermaßen viel gedoktert und gespint (oder sagt man gesponnen?), dass einem schwindlig wird.

Etwas Lustiges twitterte der User Leopold T.: „Habe eine Stunde auf die Elefanten gewartet, bin enttäuscht.“ In der Tat ist der Begriff „Elefantenrunde“ unfair. Gegenüber den Elefanten. Die benehmen sich nämlich nicht so.

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