Wie man sich Feinde macht – ein türkises Lehrbuch
Sebastian Kurz droht eine Anklage wegen Falschaussage vor dem Untersuchungausschuss. Er reagiert darauf mit einer Mobilsierung der eigenen Anhänger gegen angebliche Netzwerke, die ihn "aus dem Amt verjagen wollen". Er stilisiert sich zum Opfer linker Netzwerke.
Tatsache ist aber, dass Kurz und die ÖVP selbst keineswegs zimperlich sind und auch bereit sind, machtvoll gegen Institutionen vorzugehen. Dass sie sich damit keine Freunde machen, versteht sich von selbst. Das sind die Schauplätze des großen Kräftemessens:
Die Kirche Die Bischöfe, auch Kardinal Christoph Schönborn, haben immer wieder Kritik an der Politik des Kanzlers geübt, weil er keine Flüchtlinge aufnehmen will. Die Caritas meldete sich des Öfteren kritisch in Sachen Armutsbekämpfung zu Wort.
Die Retourkutsche der ÖVP: Auf Geheiß des Kanzlers („Vollgas“) drohte der damalige Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, dem Generalsekretär der Bischofskonferenz, Peter Schipka, dass die Regierung bei der Kirche die Steuerschraube fest anziehen würde.
Die Kirche ließ sich allerdings nicht einschüchtern und von ihrer Kritik nicht abbringen.
Der Verfassungsgerichtshof
Schon bei der Einsetzung des U-Ausschusses gab das Höchstgericht der Opposition recht, indem es den Untersuchungsgegenstand ausweitete. Danach ordnete der VfGH immer wieder Aktenlieferungen an – bis hin zum Exekutionsantrag an den Bundespräsidenten.
Die Retourkutsche der ÖVP: Den Verfassungsrichtern wird gegen deren Willen eine „Reform“ angedroht: Abweichende Richtermeinungen sollen künftig publik werden. Damit könnte auf (VP-nahe) Richter Druck ausgeübt werden, Erkenntnisse nicht mitzutragen, was deren Gewicht untergraben würde. So wäre auch im Verfassungsgerichtshof der parteipolitischen Intervention die Tür geöffnet.
Die Staatsanwälte Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt gegen mehrere (Ex)-ÖVP-Politiker, hat im Zuge dessen auch Handys und Laptops beschlagnahmt und die gespeicherte Kommunikation ausgewertet.
Die Retourkutsche der ÖVP: Kurz beschrieb die WKStA gegenüber Journalisten als Teil eines parteipolitischen Netzwerks, das ihn aus dem Amt vertreiben wolle. Die ÖVP lancierte einen Plan, die WKStA mittels einer „Reform“ in dezentrale Teile zu zerlegen und inhaltlich abzuspecken, indem ihr zum Beispiel die Wirtschaftsagenden entzogen werden.
Der U-Ausschuss Der U-Ausschuss war von Anfang an thematisch breiter angelegt, als die ÖVP das wollte, und bekommt jede Menge Material aus der ermittelnden Justiz und den Ministerien geliefert. Immer wieder landet Material in den Medien, und anstelle der FPÖ rückte bald die ÖVP ins Zentrum der Recherchen der Abgeordneten.
Die Retourkutsche der ÖVP: Sie diskreditiert den U-Ausschuss als „politische Löwinger Bühne“ und redet die Wahrheitspflicht für Zeugen schlecht. Am vergangenen Freitag tauchten auch noch ÖVP-Dossiers gegen zwei lästige U-Ausschuss-Abgeordnete von SPÖ und Neos auf.
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