Wenn die Pleite droht: Stadt darf Bürger zur Kasse bitten
Österreichs zweitgrößte Stadt befindet sich in akuter Pleitegefahr. Man fragt sich: Wie kann es überhaupt so weit kommen? Warum wurde nicht früher die Stopptaste gedrückt?
„Eine drohende Pleite ist ein Zeichen dafür, dass die Aufsicht des Landes versagt hat“, sagt Heinz Mayer, Spezialist für Verwaltungs- und Verfassungsrecht.
Gemeinden und Städte unterliegen der nämlich Aufsicht durch die Landesregierungen. Das gilt auch für die Stadt Graz. In ihrem Stadt-Statut sind Genehmigungspflichten durch das Land explizit angeführt (§ 99h und 105). Dazu gehört auch, geplante Haftungsübernahmen, Neukredite, Leasingverträge etc. ab einer bestimmten Summe der Landesregierung zu melden und sich diese Vorhaben genehmigen zu lassen.
„Das ist die in Österreich übliche Regelung“, sagt Mayer. Die Länder müssen also über die Gemeinde- und Städtefinanzen Bescheid wissen, „außer es wird in krimineller Weise vor ihnen versteckt“ (Mayer).
Föderalismus-Spezialist Peter Bußjäger bestätigt: „Die Aufsichtspflicht über die Finanzen oder die Genehmigungspflicht für Kredite hat ja auch den Zweck, Gemeindeinsolvenzen zu vermeiden.“
Wenn eine Pleite droht
Wenn eine Pleite droht, müsse das Land einschreiten und die Gemeinde unter Kuratel stellen. Da wird dann ein Kommissär bestellt, der die laufenden Amtsgeschäfte fortführt, bis ein neuer Gemeinderat gewählt ist. Laut Grazer Stadtstatut muss der Kommissär vom Gemeinderat mit Mehrheit bestätigt werden. Eine Neuwahl des Gemeinderats kann das Land verfügen.
Von Pleiten bedroht waren Gemeinden schon öfter – und in der Hypo-Krise mit Kärnten sogar ein Bundesland. Aber Insolvenzverfahren gab es in der 2. Republik noch keines, sagt Bußjäger. Meistens wurden die Kommunen vom Land aufgefangen.
Was vom Kuckuck ausgenommen ist
Sollte es doch einmal zu einem Konkursverfahren kommen, wird „zwischen öffentlichem Gut und öffentlichem Vermögen unterschieden“, sagt Mayer. Das heißt: Alles, was die Gemeinde für ihre öffentlichen Aufgaben benötigt, ist kuckuckfreie Zone und kommt nicht in die Konkursmasse. Bußjäger nennt Beispiele: „Den Kindergarten an Immobilieninvestoren verkaufen und die Kinder in Container stecken, geht nicht.“ Auch das Rathaus dürfe nicht in schicke Anleger-Appartements verwandelt werden. Sehr wohl können Liegenschaften der Gemeinde und anderes Vermögen unter den Hammer kommen.
Bürger zur Kasse
Können das Land oder Gläubigerbanken eine Stadt zwingen, ihre Einnahmen zu erhöhen, um die Schulden zu bedienen? Also die Bürger zur Kasse bitten?
„Sicher können die Banken sagen, dass sie Sicherheiten haben wollen und dass eine Stadt ja auch Einnahmen hat“, meint Mayer. Bei den Gebühren auf Müll und Wasser ist den Kommunen gestattet, bis zum Doppelten des tatsächlichen Aufwands einzuheben. „Die meisten werden hier nicht viel Spielraum haben, weil sie ihn vielleicht bereits ausschöpfen“, meint Bußjäger. Und kommunale Geldquellen wie die Grund- und die Kommunalsteuer sind gesetzlich geregelt.
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