Was die Bücherlisten der Klubchefs über sie aussagen

Was die Bücherlisten der Klubchefs über sie aussagen
In der Bibliothek des Parlaments liegen fünf Büchertürme. Sie sollen einen Einblick in das politische Weltbild von Parlamentariern bieten. Die Auswahl der fünf Klubobleute.

August Wöginger:

Khol, Schüssel und Pühringer: Drei von fünf Büchern, die der türkise Klubchef August Wöginger ausgewählt hat, haben ÖVP-Granden als Autoren. Dazu kommt ein Buch über den schwarzen Vizekanzler Alois Mock. Man konzentriert sich also ganz auf die eigene Gesinnung. Aus der ÖVP-Reihe fällt da nur einer: Journalismuslegende Hugo Portisch mit „Österreich. Die unterschätzte Republik“, dem Buch zur gleichnamigen Fernsehdokumentation aus dem Jahr 1989. „Mit Ausnahme von Portisch ist das leicht monocolor“, sagt Politikberater Thomas Hofer. „Kanzler, Vizekanzler, Landeshauptmann – es gibt zwar leichte Schattierungen – aber nur innerhalb der ÖVP.“ Mit Schüssels „Das Jahrhundert wird heller“, Khols Betonung der Stärke des Landes und sogar Portischs unterschätzter Republik wage Wöginger aber auch den Versuch, einen Stimmungsaufheller zu liefern. Vielleicht auch für die eigene Koalition.  

Was die Bücherlisten der Klubchefs über sie aussagen

Sigrid Maurer:

Sie ist zwar nicht rot, sondern grün, dennoch hat Sigrid Maurer „Die rote Zora“  in ihre Bücherliste aufgenommen. Das ist auf den ersten Blick ungewöhnlich, handelt es sich doch eigentlich um ein Kinder- bzw. Jugendbuch. Schaut man sich aber den Inhalt an, findet sich da jede Menge grünes Selbstverständnis wieder: Eine Kinderbande stellt sich dem Kampf gegen die Mächtigen, um einem armen, alten Fischer zu helfen. „Maurer ist in ihrer Auswahl fokussierter auf Literatur als andere“, sagt Hofer. Maurers Auswahl enthält neben einer Biografie nur Romane, aber keine Sachbücher oder philosophische Abhandlungen. Die Stichworte seien trotzdem auch bei ihr klar und würden freilich eine Botschaft beinhalten, wofür man steht: Frauenpolitik, Kampf gegen die Diskriminierung von Homosexuellen, Einsatz für Geflüchtete. Hofer: „Das alles hat natürlich einen starken Bezug zur Gegenwart“. 

NATIONALRAT: MAURER

Pamela Rendi-Wagner:

Mit Kreisky kann man in der SPÖ ja nie etwas falsch machen. Dass die rote Frontfrau Pamela Rendi-Wagner seine Reden auf ihre Bücherliste gesetzt hat, überrascht da genauso wenig wie Rutger Bregmans Plädoyer für die 15-Stunden-Woche, das bedingungslose Grundeinkommen und offen Grenzen. (Wobei man sich bei Letzteren unter Sozialdemokraten ja noch nicht so ganz einig ist.)  „Rendi-Wagners Liste ist auch eine starke Botschaft nach innen“, sagt Thomas Hofer. „Sie möchte zeigen, dass sie durchaus eine gute Sozialdemokratin ist.“ Auch bei ihr findet sich mit Beauvoirs „Das andere Geschlecht“ ein Klassiker der feministischen Literatur. Menasses  „Die Hauptstadt“ ist ein Zeichen für den Wunsch nach einem geeinten Europa. „Das Glasperlenspiel“, Hesses Alterswerk, schließlich illustriert den Zusammenhang zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

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Herbert Kickl:

Ja, der blaue Klubchef, Herbert Kickl, hat Philosophie studiert (wenn auch nicht abgeschlossen). Daran lässt er mit seiner Bücherauswahl keinen Zweifel. Teilweise sind es wohl auch die Titel („ein republikanisches Trauerspiel, die Elenden“) mit denen er auf die seiner Meinung nach missliche Lage Österreichs unter Türkis-Grün anspielt. Allerdings: „Ich gehe durchaus davon aus, dass Kickl das alles wirklich gelesen hat“, sagt Politikberater Hofer. „Er wählt philosophische und revolutionäre Werke, um die Positionen der FPÖ auch philosophisch zu untermauern und zu sagen ,schaut, so falsch kann ich nicht liegen’.“ Zu ähnlichen Zwecken hat Kickl ja schon in der Vergangenheit gerade auf Hegel zurückgegriffen. Dass sich in Kickls Auswahl hauptsächlich „Hochgeistiges“ finde, erklärt sich Hofer damit, dass man einen Kontrapunkt zur wissenschaftsfernen Corona-Position der FPÖ setzen möchte.

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Beate Meinl-Reisinger:

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger legt mit ihrem Bücherstapel eine recht bunte Auswahl an Autoren und Werken vor. Trotzdem habe alles einen Zusammenhang, sagt Thomas Hofer: Mit der starken Ungarn-Tangente (János Székely) und dem Bezug auf die 30er-Jahre  sei vor  allem eine Warnung vor Totalitarismus klar erkennbar. „Das ist gewissermaßen mahnende Pflichtlektüre“, sagt Hofer. Dem gegenüber stehe mit Arendts  Essay  der klare Ruf nach Offenheit und Freiheit (und damit das Kernthema der Neos).  Hinzu komme  der mehrfache Wink mit dem Zaunpfahl, dass das alles auch in der Jetztzeit Gültigkeit hat, sagt Hofer. Kaum überraschend ist, dass Poppers „offene Gesellschaft“ auf der Liste der pinken Klubobfrau gelandet ist – das darin beschriebene Gesellschaftsmodell ist gewissermaßen ideologische Grundlage des modernen Liberalismus. 

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