Saniertes Parlament: Wenn die Kunst den Blick auf Details lenkt
Ein Grund war vielleicht, dass man immer nur von Sanierung sprach – ungeachtet dessen, dass der ehrwürdige Bau von Theophil Hansen um Tausende Quadratmeter neue Architektur, darunter vier Treppenhäuser und etliche unterirdische Konferenzsäle, erweitert wurde. Ein weiterer Grund dürfte sein, dass es in Österreich – trotz vehementer Forderungen in den 1990er-Jahren – keine gesetzliche Verpflichtung zu Kunst am Bau gibt. Das freut natürlich die Investoren und Bauherren.
Tatsache ist jedenfalls: Für die Funktionssanierung des Parlamentsgebäudes am Ring – die Entscheidung fiel 2014 unter Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) – war keine Kunst am Bau vorgesehen. Es kam aber dennoch dazu. Wenngleich spät und zum Missfallen des Architekten András Pálffy, der seine Treppenhäuser als skulpturale Elemente ansieht: Im Herbst 2020 gebar Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) die Idee, „Kunst zu implementieren“ – und er kontaktierte sogleich Hans-Peter Wipplinger, den Direktor des Leopold Museums.
Dass es aufgrund der neuen Glaskuppel zu Akustikproblemen kommen werde (um den Fehler zu beheben, wurden transparente Folien eingehängt), war noch nicht absehbar: Man ging von einer Eröffnung im September 2022 aus. Es blieb also nicht viel Zeit für einen geladenen Wettbewerb und die Umsetzung. Für Wipplinger sprach, dass er bereits zuvor, 2014 und 2015, im Auftrag von Prammer bzw. deren Nachfolgerin Doris Bures (SPÖ) Ausstellungen im Hohen Haus realisierte. Sein Vertrag wurde von Parlamentsvizedirektor Alexis Wintoniak, dem Generalbevollmächtigten für die Sanierung, unterfertigt. Für die Abwicklung samt Spesen erhielt Wipplinger 85.260 Euro; im Vertrag ist festgehalten, dass er seine Lebensgefährtin Susanne Längle, eine Kunsthistorikerin, als Subunternehmerin beschäftigen wird. Dies hat, keine Frage, einen Beigeschmack. Wipplinger gelang es aber, viele renommierte Künstler zu Vorschlägen zu animieren. Über die Projekte, die in der Folge ausgewählt wurden, informierte er u. a. die Kultursprecher aller Parteien im Parlament; es hätte keine Einwände gegeben, auch nicht am Budget von 1,8 Mio. Euro.
Umso erstaunter ist Wipplinger jetzt über Attacken aus Architektenkreisen. Sollte sich das Parlament entschließen, einen Kunstbeirat einzusetzen, also nicht länger eine Person direkt zu beauftragen: Er sei dafür, sagt er. Und natürlich brauche es repräsentative Namen, um im Parlament (das ja auch nicht von einem Nachwuchsarchitekten geplant wurde) einen Dialog mit der Kunst anzustoßen.
Im Empfangssalon – dort steht der eifrig diskutierte Bösendorfer-Flügel – zum Beispiel hängen vier abstrakte Gemälde von Heimo Zobernig. Sie korrespondieren in den Farben mit der illusionistischen Wandbemalung, irritieren aber zugleich, weil sie sich nicht in den Raster einfügen. Der emeritierte Akademie-Professor ist – was nicht unbedingt hätte sein müssen – noch mit einer zweiten Arbeit vertreten: mit der Verschränkung der Worte DEMOKRATIE und PARLAMENT an der Stirnseite eines neuen Sitzungssaales im Keller. Doch es kamen nicht nur Arrivierte wie Eva Schlegel (die mit Spiegelscheiben Blicke auf Details lenkt) oder Peter Kogler zum Zug, der in bekannter Manier ein Pálffy-Treppenhaus auskleidet: Im coolen Café neben der Bibliothek, die in einer Ausstellung die Geschichte des Parlaments darlegt, hängen acht Fotografien von Lea Sonderegger: Als Studierende der Angewandten hatte sie 2017 mit subtilem Witz das bereits verwaiste Parlament porträtiert. Da quillt dann zum Beispiel das Dämmmaterial aus den Türen zwischen den Nationalratspräsidentenbüros.
Einen geradezu genialen Platz fand Wipplinger für die Tafel von Heimrad Bäcker mit decouvrierenden NS-Textfragmenten: auf der Terrasse – mit direktem Blick hin zum Heldenplatz und dem „Hitler-Balkon“ der Neuen Burg.
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