Energiebonus, Impflotterie und Co.: Warum die Politik ihre Ankündigungen oft nicht umsetzt
Energiebonus, Impflotterie, Kaufhaus Österreich: Das sind nur ein paar mehr oder minder aktuelle Beispiele, bei denen die Bundesregierung ihren Ankündigungen nicht gerecht geworden ist.
Woran liegt das? Ein häufiges Argument: Die Führungsstäbe in den Ministerien, die Kabinette, besprechen sich nicht fachlich mit den Personen, die ihre Überschriften umsetzen müssen: den Beamten in der Verwaltung. Was ist dran? Der KURIER hat mit Insidern aus betroffenen Ministerien gesprochen.
"Vorsicht, der Feind hört mit"
Die Darstellung wird in weiten Teilen bestätigt. Diese Beamten seien in den Entstehungsprozess von Lösungen meist nicht involviert, es gebe keine regelmäßigen Gesprächsrunden zu geplanten Vorhaben, heißt es etwa.
Mehr noch: Für die Kabinette seien Beamte "Feinde", wenn sie politisch nicht klar als "parteiloyal" einzuordnen sind. "Auch zwischen und in den Sektionen ist Kommunikation nicht mehr erwünscht. Es läuft alles nach dem Motto: Vorsicht, der Feind hört mit", sagt ein Kenner.
Das führe zum Dilemma, dass die politische Führungsebene ihre eigentlichen Experten im Maschinenraum nicht mehr anhört. Die meisten Kabinette und Spitzenpositionen seien und werden wiederum mit – oft jungen – Parteisoldaten besetzt und personell aufgebläht.
Dementsprechend mangelt es Ministern an fachlich geeignetem Personal mit Berufserfahrung und Expertise. Das Ergebnis: Man verständigt sich ohne Einbindung von Beamten auf Entscheidungen, die politisch gut klingen müssen, daher von Presseleuten dominiert werden. Um dann auf rechtliche Hürden zu stoßen, die niemand auf dem Schirm hatte.
Nur noch "Dienst nach Vorschrift"
Das beginnt bei strukturellen Reformen wie der im Herbst verkündeten Senkung der Krankenversicherungsbeiträge: Erst nach der Verkündigung erkannte das Finanzministerium, dass diese verfassungswidrig sein könnte. Aktuelleres Beispiel: die Impflotterie. Die Regierung verkündet, dass der ORF sie umsetzen werde. Danach zieht sich der ORF aufgrund rechtlicher Bedenken von dem Vorhaben zurück. Dauerakutes Beispiel: die Corona-Verordnungen des Gesundheitsministeriums, die nach den Ankündigungen der jeweiligen Minister spät oder gar nicht zum angekündigten Zeitpunkt fertig wurden.
In der Beamtenschaft seien viele Mitarbeiter frustriert und desillusioniert, würden "bestenfalls Dienst nach Vorschrift" machen, heißt es.
Hass bremst Fortschritt
Seit wann besteht dieses Missverhältnis? Der entscheidende Kulturwandel im Verhältnis zwischen Parteien und Beamtenschaft soll spätestens 2006 stattgefunden haben, als sich SPÖ und ÖVP erneut zu einer Großen Koalition zusammenrauften.
Thomas Wieser, ehemals Sektionschef im Finanzministerium, sagte der Kleinen Zeitung: "Die zwei Parteien haben sich gegenseitig so gehasst, dass sie sich im engsten Umfeld nur noch auf Parteigänger verlassen wollten." Eine Erzählung, die man von vielen Kennern hört. Und in diesem System dürfte für politisch nicht verortbare oder gar parteifremde Experten kein Platz mehr sein – was auch den Zulauf qualitativ hochstehenden Personals in die Verwaltung nachhaltig gebremst hat und weiterhin bremst.
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