Warteschleife: Brexit vor der zweiten Verlängerung

Protest gegen das Brexit-Chaos in London
Woche der Entscheidung: EU-Sondergipfel entscheidet am Mittwoch über erneute Verschiebung.

Die "European Union“ – sie ist verschwunden. Britische Behörden schaffen offenbar bereits Fakten, während sich die Politiker des Vereinigten Königreiches noch an der Brexit-Frage zerfleischen. Denn seit der vergangenen Woche werden Briten neue Pässe ausgestellt, auf denen nur noch zu lesen steht: "Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland“.

Was dagegen nicht mehr zu finden ist: ein Hinweis, dass Großbritannien der EU noch angehört. Die erstaunten Besitzer der neuen Pässe bekamen die knappe Erklärung zu hören, die Behörden seien davon ausgegangen, dass Großbritannien am 29. März aus der EU austritt.

Warteschleife: Brexit vor der zweiten Verlängerung

Stattdessen sieht es nun abermals so aus, als würde der Brexit ein zweites Mal verschoben. Wieder steht eine Woche schwerwiegender Entscheidungen an. Am Mittwochabend werden die 27 EU-Staats und Regierungschefs bei einem Brexit-Sondergipfel darüber entscheiden, ob sie dem erneuten Verlängerungsansuchen der britischen Regierung grünes Licht geben.

Warteschleife: Brexit vor der zweiten Verlängerung

Die britische Premierministerin Theresa May

Ärger in Brüssel

Derzeit deutet alles darauf hin – auch wenn die missmutigen und verärgerten Töne aus der EU immer lauter werden. Bei einem Treffen der EU-Botschafter am Freitag wurde die Stimmungslage zu einer erneuten Brexit-Verschiebung ausgelotet. "Niemand hat dazu Nein gesagt, aber es gibt schon ein paar skeptische Stimmen", hieß es nach dem Treffen. Besonders Frankreich macht seinem Ärger gerne Luft, dürfte sich aber letztlich doch nicht gegen eine Verschiebung des britischen EU-Austrittes stellen. Alle 27 EU-Regierungen müssen einer Verlängerung zustimmen.

Offen ist aber noch: Soll dieser Aufschub des Brexit bis zu einem Jahr möglich werden oder nur bis 30. Juni, so wie es die britische Premierministerin will? In beiden Fällen müsste Großbritannien erneut bei den EU-Parlamentswahlen Ende Mai mitwählen.

Ein Abschiedsbrief

Aus der Sicht vieler konservativer Tory-Abgeordneter ist dies eine Horrorvorstellung. Bildungsminister Nadhim Zahawi bezeichnete diese Möglichkeit am Samstag sogar als eine "existenzielle Gefahr" für seine Partei, "weil wir unseren Wählern nicht erklären können, warum wir den Brexit nicht liefern konnten. Das käme einem Abschiedsbrief vor einem Selbstmord der Konservativen Partei gleich“, sagte der Minister.

Premierministerin May scheint ein Kalkül zu verfolgen: Großbritannien soll die Wahlen zwar vorbereiten und Kandidatenlisten erstellen. Gelingt es jedoch, das EU-Austrittsabkommen bis dahin durch das Parlament zu bringen, tritt das Vereinigte Königreich sofort aus der EU aus – im Idealfall noch vor der Europawahl.

Der Weg zu einem Ja für das EU-Austrittsabkommen führt nur über die Zusammenarbeit mit der Labour-Opposition. Das hat Premierministerin Theresa May mittlerweile verstanden. Seit vergangener Woche werden erstmals intensive Gespräche zwischen Regierung und Labour-Chef Jeremy Corbyn geführt. Sehr weit ist man einander allerdings noch nicht entgegengekommen.

Labour verlangt einen weitaus sanfteren Brexit als ihn May anpeilt – die Opposition möchte, dass Großbritannien nach dem Brexit in einer Zollunion mit der EU bleibt. Für May und die Tories war dies bisher vollkommen ausgeschlossen. Über das Wochenende gehen die Gespräche auf der Insel weiter.

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