Zwei muslimische Elternpaare haben – unterstützt von der IGGÖ – gegen die Regelung geklagt. Sie argumentieren, dass diese einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Religionsfreiheit und die religiöse Kindererziehung darstellt. Zudem verletze es den Gleichheitsgrundsatz, wenn die Kippa getragen werden darf und das Kopftuch nicht.
Wann ist mit einem Urteil zu rechnen?
Der VfGH hat die Entscheidung bereits einmal vertagt und hält sich bedeckt.
Wie wirkt das Gesetz in der Praxis?
Aktuelle Daten zur Zahl der Verstöße gibt es nicht, eine Erhebung dauert dem Vernehmen nach mehrere Tage, aber: Der Wiener Bildungsdirektion wurden beispielsweise bis Jänner nur fünf Verstöße gemeldet. Wie der KURIER erfahren hat, setzen einige Wiener Schulen gegenüber religiösen Eltern in der Praxis auf Kompromisse. Beispiel: Ein Kind darf das Schulgebäude mit Kopftuch betreten, muss es in der Klasse aber abnehmen.
Gehen nun mehr Mädchen zum Turn- oder Schwimmunterricht?
"Nein", antwortet der Wiener Schulqualitätsmanager Patrick Wolf. "Nachdem die Anzahl von Kindern mit Kopftuch an Volksschulen immer marginal war, haben wir keine Veränderung bemerkt." Kinder, die zuvor im Deutschunterricht ein Kopftuch getragen hätten, würden es jetzt eben nicht mehr tragen. Das gelte auch für den Sportunterricht, sagt Wolf.
Was, wenn die Klage abgewiesen wird?
Dann könnte das Gesetz verschärft werden. Bereits Anfang des Jahres hatte die ÖVP angekündigt, die Regelung auf Kinder bis 14 Jahre und Lehrerinnen ausweiten zu wollen. Die Grünen lehnten vorerst ab. Jetzt warten alle auf das richtungsweisende VfGH-Urteil.
Güngör: "Kopftuch ist nicht einfach ein Stück Stoff"
Der KURIER hat den Soziologen Kenan Güngör für eine Einschätzung erreicht. "Im Gegensatz zu Symbolen, die dezent gehalten werden, haben stark sichtbare, religiöse Symbole eine identitäts-, beziehungs- und raumbezogene Wirkungsmächtigkeit, die bei Kindern in staatlich geschützten Bereichen nichts verloren hat", sagt Güngör.
Das Kopftuch habe im Vergleich zur jüdischen Kippa, die nicht ein Großteil des Kopfes bedecke, eine deutlich stärkere Sichtbarkeit und Symbolkraft: "Die religiös-sozialen Normen und Erwartungen, die an das Kopftuch geknüpft sind, sinn viel rigider als bei vielen anderen religiösen Symbolen. Ein Kopftuch ist nicht einfach ein Stück Stoff."
Auch wenn es verschiedene Beweggründe gebe, ein Kopftuch zu tragen, sei es ein restriktives Zeichen der Sittsamkeit und Ungleichheit der Frau, so Güngör. "Es kommt nicht von ungefähr, dass alle islamistischen Bewegungen als erstes bei der Verschleierung und sozialen Kontrolle der Frauen anfangen."
Güngör spricht sich dafür aus, das Kopftuchverbot in Schulen auf Kinder bis 14 Jahre auszuweiten und die Entscheidung erst in den weiterführenden Schulen den Schülerinnen selbst zu überlassen. "Eine Verschleierung im frühen Kindheitsalter ist wie eine Tätowierung. Mit fortlaufendem Alter wird es dann immer schwieriger, sie loszuwerden." Für so einen Schritt, sollten die Mädchen eine gewisse Reife erlangen und dann selber entscheiden.
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