VfGH berät im Juni Coronagesetze, Sterbehilfe und Kopftuchverbot

THEMENBILD: VERFASSUNGSGERICHTSHOF (VFGH)
Auch Plastiksackerl-Verbot und NÖ-Wahlanfechtungen in der Session vom 8. bis 27. Juni.

Einige Corona-Maßnahmen stehen ab Montag auf verfassungsrechtlichem Prüfstand. Erstmals mit seiner neuen Vizepräsidentin Verena Madner tritt der Verfassungsgerichtshof vom 8. bis 27. Juni zur Session zusammen. Auf der Tagesordnung finden sich neben COVID-19-Regelungen auch das Kopftuchverbot an Schulen, das Sterbehilfe-Verbot, das Verbot von Plastiksackerln und Anfechtungen der NÖ-Kommunalwahlen.

70 Anträge

Gegen Gesetze und/oder Verordnungen zur Eindämmung des Corona-Virus liegen dem VfGH bisher rund 70 Anträge vor. Eine Reihe von ihnen ist schon beratungsreif. Thematisch geht es im Juni vor allem um die Schließung von Betrieben mittels COVID-19-Maßnahmengesetz. Tiroler Hoteliers haben sich an den VfGH gewandt, weil sie damit (anders als nach dem Epidemiegesetz) keinen Anspruch auf Entschädigung haben. Das nach Ostern aufrechterhaltene Betretungsverbot von Geschäften mit mehr als 400 Quadratmeter Verkaufsfläche hat ein Möbelhändler vor den VfGH gebracht. Kleinere Unternehmen durften damals schon aufsperren, mittlerweile sind alle Betretungsverbote wieder aufgehoben.

Einen dauerhaften Verdienstentgang versuchen Verpackungs-Erzeuger bzw. -Händler zu bekämpfen, die auch Kunststofftragetaschen anbieten. Das seit 1. Jänner 2020 geltende Plastiksackerl-Verbot stelle (mit nur fünfmonatiger Vorlaufzeit) einen unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf Erwerbsfreiheit dar, argumentieren sie. Und sehen auch Gleichheitswidrigkeit gegeben, weil nicht alle Kunststofferzeugnisse betroffen seien.

Das strikte Verbot der Sterbehilfe bzw. der Mitwirkung am Suizid versucht die "Österreichische Gesellschaft für ein humanes Lebensende" (ÖGHL) im Wege von unterstützten Individualanträgen zu kippen. Vier Antragsteller - darunter zwei Schwerkranke - argumentieren, dass leidende Menschen gezwungen seien, entweder entwürdigende Verhältnisse zu erdulden oder (unter Strafandrohung für Helfer) Sterbehilfe im Ausland in Anspruch zu nehmen.

Und noch ein weiteres Verbot beschäftigt die Verfassungsrichter - nämlich das unter Türkis-Blau im Mai 2019 beschlossene Verbot von Kopftüchern in Volksschulen. Unterstützt von der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) haben sich zwei im Sinne der sunnitischen bzw. schiitischen Rechtsschule des Islam erzogene Kinder bzw. deren Eltern an VfGH gewandt. Beklagt wird ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf Religionsfreiheit bzw. religiöse Kindererziehung. Zudem wird unter Hinweis auf die weiterhin erlaubte jüdische Kippa oder Patka der Sikhs eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes angeprangert. Von dieser Entscheidung wird es wohl abhängen, ob die türkis-grüne Regierung ihr Vorhaben, das Kopftuchverbot auf 10- bis 14-jährige Schüler auszuweiten, umsetzt.

Einmal mehr befassen sich die Verfassungsrichter mit dem Asylrecht. Diesmal gilt es unter anderem, den Begriff des Familienangehörigen im Asylgesetz zu klären. Denn Familienangehörigen eines Fremden, der Asylstatus bekommt, steht dieser auch zu. Das gilt neben Eltern, Ehepartner und Kindern auch für gesetzliche Vertreter Minderjähriger - aber nur in eine Richtung: Der gesetzliche Vertreter bekommt den Asylstatus, nicht aber das rechtlich vertretene Kind. Ein minderjähriger Bub konnte den Asylstatus von einer Frau, die sein Vormund ist, nicht "übernehmen". Deshalb hat er Beschwerde beim VfGH erhoben.

Auch über einige Wahlanfechtungen hat der VfGH zu entscheiden - nämlich zu den Gemeinderatswahlen in Niederösterreich am 26. Jänner dieses Jahres. Angefochten wurden die Urnengänge in Kottingbrunn, Langenrohr, Litschau und Marchegg.

Insgesamt stehen rund 500 Fälle auf der Tagesordnung der Juni-Session. Rund 40 davon werden wegen der Schwierigkeit der lösenden Verfassungsfragen im Plenum beraten - und zwar, wie in einer Vorschau versichert wird, unter Einhaltung der Hygieneregeln samt Ein-Meter-Abstand.

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