Wahlverschiebung: Die Klebstoff-Krise im ORF

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Strache sieht FPÖ als Opfer von Vier-Parteien-Verschwörung. Kritik an Informationspolitik des Innenministeriums.

Wer trägt die Verantwortung für die Wahlverschiebung?

Der Entscheidung vom Montagvormittag, die Wiederholung der Bundespräsidentenwahl erst am 4. Dezember abzuhalten, folgte am Abend die Abrechnung in den Politsendungen. Ein "Report Spezial", die "ZiB 2" und ein "Runder Tisch" standen am Programm; Innenminister Sobotka, Norbert Hofer, Alexander Van der Bellen und die Klubobleute waren geladen.

Konsequenzen?

Dass das Debakel mit schadhaften Wahlkarten Konsequenzen nach sich ziehen müsste, darüber waren sich alle einig. Welche und vor allem für wen, darauf wurden höchst unterschiedliche Antworten präsentiert.

Innenminister Sobotka, der vergangenen Dienstag noch Entwarnung bei den schadhaften Wahlkarten gab, sah vor allem die zuständige Druckerei in der Verantwortung. "Wie kann es sein, dass das sieben Mal klappt und beim achten Mal nicht?", fragte der Innenminister im "Report". An Rücktritt habe er demnach nicht gedacht. "Nur daran, wie man das Problem lösen kann."

"Technisches Gebrechen"

Das ist offenbar schwierig genug. Die Wahlkarten seien technisch so komplex, dass man eine einwandfreie Produktion nicht garantieren könne. Zudem sei die Qualitätskontrolle nicht in ausreichendem Maße für dieses "technische Gebrechen" durchgeführt worden.

Derzeit handle es sich um mehrere hundert schadhafte Wahlkarten. "Es könnten aber auch Tausende sein", sagte Sobotka. Ein Austausch der Wahlkarten sei schon deshalb wenig dienlich. Ohne neuen Termin wäre die Wahl so Gefahr gelaufen, wieder angefochten werden zu können (wie der KURIER berichtete, sind schadhafte Wahlkarten zumindest bei der ÖH-Wahl bereits einmal aufgetaucht).

Darüber hinaus verteidigte Sobotka die Entscheidung, die alten Wahlkarten zu verwenden. Diese waren auf Anraten des Datenschutzrates 2009 ausgetauscht worden, aber "bei einer Wahl erst 2017 wäre der Schaden noch größer". So lange würde es dauern, neue Wahlkarten zu kontrollieren.

Personelle Konsequenzen aus dem Wahldebakel wollte Sobotka jedenfalls keine ziehen. Lediglich der Mitarbeiter der Infohotline, der geraten hatte die Wahlkarte doch einfach mit einem Uhu-Stick zuzukleben, solle belangt werden. "Das ist nicht nur ein Rechtsbruch, das ist wahrscheinlich sogar strafrechtlich relevant", sagte Sobotka im ORF (mehr dazu hier).

Hofer fordert personelle Konsequenzen

Ganz anders freilich die Sicht von Bundespräsidentschafts-Kandidat Norbert Hofer, der direkt im Anschluss an den Innenminister bei "Report"-Moderatorin Susanne Schnabl Platz nahm. "Wenn Sie in der Privatwirtschaft sind und einen Termin haben, dann müssen Sie doch auch Redundanzen einplanen." Dort, in der Privatwirtschaft, wären die handelnden Personen ihren Job jedenfalls schon längst los.

"Leute haben genug von Wahlkampf"

Eine abgekartetes Spiel von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS, das Hofers Parteichef Heinz-Christian Strache hinter der Verschiebung der Wahl vermutete, wollte Hofer jedoch nicht sehen. Jedenfalls stelle er sich diese Frage gar nicht erst. "Sich zu ärgern hilft nichts." Er werde weiter wahlkämpfen, jedoch seine Auftritte in Zukunft etwas zurückschrauben. "Ich glaube, die Leute haben genug vom Wahlkampf."

Anlassgesetzgebung Gewählt hätte er jedenfalls lieber am 2. Oktober - auch ohne Briefwahl. Weshalb er damit rund 700.000 Menschen, die zuletzt von dieser Option Gebrauch machten, ausschließen wolle, fragte Schnabl. Hofer sieht das anders. "Die Briefwahl muss funktionieren", nur dann sei er auch dafür.

Wenn er aber dafür sei, dass alles rechtskonform ablaufe, wieso stelle er sich jetzt so gegen die Wahlverschiebung? "Weil es eben nicht rechtskonform ist", meint Hofer. Immerhin müsse das Parlament nun einen eigenen Beschluss fassen, kritisiert Hofer. Strache spricht später am "Runden Tisch" von "Anlassgesetzgebung."

Misstrauen gegen Ergebnis

Obwohl der Verfassungsgerichtshof keinerlei Hinweise auf eine tatsächliche Wahlmanipulation gefunden hat, sieht Hofer schon im Ergebnis der Briefwahl Grund für berechtigte Zweifel. In der Schweiz weiche das Wahlergebnis bei der Briefwahl kaum von dem Ergebnis an der Wahlurne ab, sagt Hofer. "Das ist für mich ein starkes Zeichen dafür, dass dort alles bestens funktioniert."

"Lassen wir die Kirche im Dorf"

Sein Konkurrent um die Bundespräsidentschaftswahl zeigte sich im "ZiB2"-Studio im Anschluss versöhnlicher. Dass die Wahl verschoben wird, hält Alexander Van der Bellen für richtig. "Die Vorstellung, dass ein Bürger alle Bestimmungen einhält und seine Stimme danach im Papierkorb landet, halte ich für unerträglich", meinte der von den Grünen unterstützte Präsidentschaftskandidat.

Von einem "Staatsnotstand", von dem Grünen-Kollege Johannes Voggenhuber im KURIER-Interview sprach, möchte Van der Bellen aber nichts wissen. "Lassen wir die Kirche im Dorf. Brechen wir es auf das herunter, was es ist: Es ist ein Fehler in einer Druckerei."

War zuversichtlich für 2. Oktober

Gewählt hätte Van der Bellen am 2. Oktober allerdings schon gerne. "Ich habe wieder gespürt, dass eine Bewegung im Gang ist, so wie vor der Stichwahl."

Braucht es einen Untersuchungs-Ausschuss im Parlament? "Solange das nicht nach einer neuen Verschwörungstheorie klingt, von denen die Leute inzwischen die Nase voll haben." Jetzt solle jedoch einmal das Bundeskriminalamt ermitteln.

"Pannen in Informationsarbeit"

Innenminister Sobotka sei in dieser Sache nichts vorzuwerfen. Aber: "In der Informationsarbeit in der letzten Woche gab es schon einige Pannen." Ein Vorwurf, der auch im anschließenden "Runden Tisch" der Klubobleute wiederholt zu hören war.

Dass es mit dem nunmehrigen Wahltermin sechs Monate gewesen sein werden, in denen kein Bundespräsident im Amt war, sollte laut Van der Bellen nicht dazu führen, dass das Amt als solches in Frage gestellt werde. "Auf die Dauer wird das nicht gehen." Das System von Checks and Balances, von Macht und Gegenmacht in einer Demokratie sei sehr sensibel. "Ich glaube ein Fehlen von Heinz Fischer wäre aufgefallen, negativ aufgefallen."

"Sie sind total retro"

Fehlte nur noch der "Runde Tisch" mit den Kubobleuten - schon allein aufgrund der Besetzung das traditionell undisziplinierteste Diskussionsformat des ORF. Am späten Montagabend nutzte ein kaum zu zügelnden Heinz-Christian Strache die Gelegenheit, die Reform des "manipulationsanfälligen Systems" Briefwahl zu fordern. Als Beweis für den Manipulationsverdacht sah Strache wie zuvor Hofer, dass die Ergebnisse der Brief- und der Urnenwahl nirgendwo sonst in Europa so eklatant auseinanderklaffen würden.

Entgegnung Eva Glawischnigs: 700.000 Menschen hätten diese Möglichkeit in Anspruch genommen. Das Recht zu wählen solle man diesen Menschen nicht erschweren, sondern erleichtern. "Sie sind total retro." Das Wichtigste sei, dass jeder seine gültige Stimme abgeben könne. "Sie haben gegen die Briefwahl Vorbehalte, weil sie hier schlechter abschneiden", konterte die Grünen-Chefin Strache.

Untersuchungsausschuss im Raum

Für den roten Klubobmann Andreas Schieder geht es jetzt vor allem darum, "die Verschiebung der Wiederholung der Bundespräsidentenwahl" im Parlament auf den Weg zu bringen. Darüber hinaus könne man sich vielleicht auch noch die Frage stellen, was man abklären müsse, damit das in Zukunft nicht mehr passiere, reagierte Schieder auf die Frage nach einem möglichen Untersuchungsausschuss. "Also: Ist etwas bei der Ausschreibung schief gelaufen, war es vielleicht ein Fehler es an diese Firmen zu vergeben." Und: "Soll man in Zukunft nur noch österreichischen Kleber verwenden?"

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