Wien: SPÖ-Wahlsieg und grüner Absturz

Ein Plus zum Abschied: Bei der letzten Wahl mit Häupl als Parteichef konnte die SPÖ in Wien zulegen
Die Roten legen in Wien deutlich zu, schwere Schlappe für Häupls Koalitionspartner, VP schließt zu FP auf.

"Mei Wien is ned deppert." Gewohnt launig analysierte Bürgermeister Michael Häupl Sonntagabend das rote Wahlergebnis im SPÖ-Festzelt in der Löwelstraße. Bei seiner letzten Wahl als Wiener Parteichef konnte die SPÖ laut vorläufigem Endergebnis 3,3 Prozentpunkte zulegen und Platz eins in der Bundeshauptstadt mit 35 Prozent klar gegen Blau und Schwarz verteidigen.

Damit trug die Wiener SPÖ maßgeblich dazu bei, dass die Roten bundesweit wenigstens noch vor der FPÖ blieben. "Wir haben versprochen, ein ordentliches, respektables Ergebnis abzuliefern. Das ist uns gelungen", betonte Häupl unter dem Jubel der Genossen.

Die Euphorie im Festzelt kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Wahlergebnis Zündstoff für die nächsten Wochen und Monate birgt – innerhalb der rot-grünen Koalition, wie auch innerparteilich.

Denn der rote Wahlsieg ist vor allem dem völligen Zusammenbruch der Grünen geschuldet (siehe unten). Sie wurden in einigen Bezirken von den SPÖ buchstäblich abgeräumt. Beispiel Neubau, wo die Grünen 21 Prozenpunkte verloren und die SPÖ fast 14 Prozentpunkte dazugewannen.

Während Häupl noch keinerlei Auswirkungen auf die Rathaus-Regierung sieht, fürchten manche Genossen, dass nach dieser gewaltigen Wahlschlappe die Grabenkämpfe beim grünen Koalitionspartner losgehen werden. Andere fordern nun, die Grünen härter an die Kandare zu nehmen. "Die SPÖ soll Tacheles mit ihnen reden. Die Grünen sind gut beraten, ihre Politik zu hinterfragen", sagte der Simmeringer SPÖ-Chef Harald Troch.

Und auch der SPÖ-interne Grabenkampf um die Häupl-Nachfolge wird jetzt an Fahrt aufnehmen. Der linke Flügel wittert nach der Wahl am Sonntag wieder Morgenluft: "Wo wir klar gegen die Rechten aufgetreten sind, haben wir gewonnen", sagte Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky und schwörte die Genossen auf den Kampf gegen Schwarz-Blau ein. Eine Spitze gegen Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, der Häupl-Nachfolger werden möchte und dem Realo-Flügen zugeordnet wird. In seinem Heimatbezirk Floridsdorf verlor die SPÖ 3,3 Prozentpunkte. "Wo die Grünen bisher schwach waren, konnten wir auch nichts von ihnen dazugewinnen", kontert Troch, der keine Schwächung Ludwigs sehen will.

Moderater FP-Erfolg

Bei der FPÖ überwog am Sonntagabend die Euphorie ob des Pluses auf Bundesebene. Dem Wiener Abschneiden – Platz zwei mit 23,1 Prozent und in keinem einzigen Bezirk stärkste Kraft – wollte man dagegen keine allzugroße Bedeutung beimessen. Seine Erwartungen seien übertroffen worden, sagte etwa Vizebürgermeister Johann Gudenus, noch bevor das Wiener Ergebnis feststand. Seiner Meinung nach habe der Wähler primär die Sicherheits-, Integrations- und Wirtschaftskompetenz der Freiheitlichen gewürdigt. So man Teil der nächsten Bundesregierung sei, wolle man insbesondere das Thema "politischer Islam" in den Fokus rücken. Nicht zuletzt in Wien, "wo an den ersten drei Stellen bei den Einbürgerungen Menschen aus muslimischen Ländern stehen – Bosnier, Türken und Tschetschenen". Dies wäre ein "perfider Plan der SPÖ, einen Wähleraustausch zu betreiben". Wien müsse Islamismus-frei werden, meinte Gudenus – und plädierte einmal mehr für eine "Aktion scharf" in Moscheen und muslimischen Vereinen, sprich: für strenge Kontrollen, "bis hin zu Zusperrungen".

So mancher interpretiert das starke Abschneiden auf Bundesebene auch als Ablehnung der grünen Regierungsbeteiligung in Wien. "Häupls rot-grünes Projekt ist gescheitert", sagte etwa Akademikerball-Organisator Udo Guggenbichler. Wobei es schwer absehbar sei, welche Dynamik das Wahlergebnis auf Landesebene nun auslöse. Dies werde "spannend", meinte auch Landtagsabgeordneter Maximilian Krauss, der den Stimmen- und Mandatszuwachs auf Bundesebene als "positiven Schatten auf Wien" interpretierte. Könne er bei der SPÖ doch zu einem Umdenken und "zu einem Ende der Ausgrenzungspolitik" führen.

In den Bezirken hängte die SPÖ die Blauen überall ab – auch in Simmering, wo mit Paul Stadler der einzige blaue Bezirkschef am Ruder ist. Dort gewann die FPÖ im Vergleich zu 2013 zwar 3,3 Prozent dazu, bleibt mit 34,4 Prozent aber trotzdem hinter der SPÖ (37,7%, bei einem Minus von 2,1 Prozentpunkten).

ÖVP stark

Hoffnung auf einen "Erdrutsch" in Wien machte sich am Sonntagabend ÖVP-Landesparteiobmann Gernot Blümel. Die ÖVP kletterte laut vorzeitigem Ergebnis um sechs Prozentpunkte nach oben und legte damit am stärksten zu. Ein Stimmanteil von 20,6 Prozent ergibt aber nur den dritten Platz. "Das ist ein wirklich schöner Erfolg, aber vielleicht geht sich mit den Wahlkarten noch Platz zwei aus", sagte Blümel. Platz eins holte die Volkspartei in drei Bezirken. Sie konnte Döbling wieder von Rot auf Schwarz umfärben, auch im traditionell schwarzen Hietzing gelang ihr der Sieg. Das beste Ergebnis fuhr sie in ihrer Hochburg Innere Stadt ein: Fast 38 Prozent der Stimmen entfielen dort auf die ÖVP. "Vor allem bei der Stadregierung läuft vieles an den Menschen vorbei – zum Beispiel die Diskussion um die Abschaffung des Anrainerparkens", sagt Bezirksvorsteher Markus Figl. Mit weiteren Interpretationen war der Bezirkschef vorsichtig: "Die Menschen differenzieren sehr genau zwischen den Ebenen. Es war ein Bundeswahlkampf." Auch Blümel gab zu bedenken: "Bis zur nächsten Gemeinderatswahl sind noch drei Jahre Zeit. Aber natürlich gibt uns das Ergebnis weiter Auftrieb."

Die Neos erreichten in Wien rund sechs Prozent und konnten damit weniger Wiener von sich überzeugen als noch 2013 (7,7 %). Die Wiener Parteichefin Beate Meinl-Reisinger, die auch auf der Bundesliste kandidiert hatte, sah das nicht tragisch, da das Resultat noch immer über dem Bundeschnitt liegt. Ob sie in den Nationalrat wechselt, ließ sie offen.

"Das ist weit von dem entfernt, was ich mir gewünscht habe." Der Wiener Grünen-Klubobmann David Ellensohn schüttelte den Kopf. "Ganz ganz weit."

Zuerst kam für die Wiener Grünen Sonntagabend der Schock über das dramatische Ergebnis auf Bundesebene. "Und da gibt es nicht schönzureden", stellte Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou klar. "Das ist der bitterste Tag in der Geschichte der Grünen." Aber darauf folgte gleich die nächste "Watschn", wie es Wiener Wirtschaftssprecher Peter Kraus ausdrückte: Die Grünen schafften in der Bundeshauptstadt nur 5,3 Prozent der Stimmen (vorläufiges Endergebnis, ohne Wahlkarten). Ein Minus von rund 11 Prozentpunkten. Starke Einbußen gab es auch in den zwei Bezirken, in denen die Grünen aktuell den Bezirksvorsteher stellen: Nach einem Minus von 21 Prozentpunkten stehen die Grünen in Neubau nur mehr bei 11,4 Prozent, in Währing nach einem Rückgang von 14,6 bei knapp 9 Prozent. "Die Botschaft der Wähler ist angekommen", sagte Vassilakou dazu. "Sie wollen kein gegenseitiges Absägen, sie wollten auch nicht, dass aus den Grünen zwei Parteien werden." Und offenbar schaffte es der Ex-Grüne Peter Pilz besser, die Wähler zu überzeugen. Er holte in Wien auf Anhieb 7,3 Prozent. Ob das vordergründig Grün-Wähler waren, werden die Wählerstromanalysen zeigen.

Harte Regierungsarbeit

"Jetzt müssen wir erst einmal weiter gute Regierungsarbeit leisten", meinte indes der grüne Verkehrssprecher Rüdiger Maresch . "Wir sind jetzt genau in der Hälfte der Zeit. "

Doch die Arbeit könnte in nächster Zeit schwieriger werden, fürchtet Vassilakou : "Es hat schon genug verbale Attacken in diesem Wahlkampf gegen Wien gegeben. Unter einer schwarz-blauen Bundesregierung könnten darauf nun Taten folgen." Ihre wichtigste Aufgabe sei es daher: Wien zu schützen, Wien zu verteidigen.

Wien: SPÖ-Wahlsieg und grüner Absturz
Maria Vassilakou am Wahlabend im Wiener Metropol: „Die Botschaft der Wähler ist angekommen.“

Kommentare