Sebastian Kurz: Der neue Wende-Kanzler, oder kommt doch Rot-Blau?

Sebastian Kurz nach der Nationalratswahl 2017
Zwischen Wahlsieger ÖVP, der SPÖ und den Freiheitlichen sind jetzt alle Koalitionsvarianten denkbar. Kurz bekommt den Regierungsauftrag, alle wollen mit allen reden. Bitter für die Grünen: Nach 31 Jahren fliegen sie wohl aus dem Hohen Haus.

Die Nationalratswahl 2017 ist geschlagen, und es gibt einen klaren Sieger sowie einen klaren Verlierer.

Zu Recht jubeln darf Sebastian Kurz, ein Debakel erleben die Grünen. Sie dürften aus dem Parlament fliegen.

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ÖVP-Chef Sebastian Kurz, der in allen Umfragen vorne lag und nun erstmals seit 2002 wieder den Sieg für die Volkspartei holen konnte, dürfte auch nächster Bundeskanzler werden. Kurz schafft ein Ergebnis von 31 Prozent und einen respektablen Abstand zum Zweitplatzierten.

Das ist nach bisherigem Stand Kanzler Christian Kern, der sich aber nicht wirklich freuen kann. Schließlich verliert er für die SPÖ Platz 1. Ob das Opposition heißt, ist offen. Wiens Bürgermeister Michael Häupl hat Rot-Blau ausgeschlossen. Schwarz-Rot ist politisch relativ unwahrscheinlich.

Leitartikel: Wahlsieger Kurz vor einer großen Aufgabe

Fix ist: Auch Strache kann stark zulegen (plus 5,5 Prozentpunkte) und kommt in die Gegend des Rekords von Jörg Haider. Mit 26 Prozent bleibt er aber doch klar hinter Kern und landet wieder auf Platz 3.Verwirrung ergab folgender Umstand: In den Daten des Innenministeriums war am Sonntagabend keine Prognose für die Wahlkarten enthalten, dort wäre die FPÖ auf Platz 2 und trommelte das entsprechend. Relevant sind aber die Hochrechnungen inklusive der Wahlkarten, hier war die FPÖ wie gesagt auf Platz 3.

Das heißt folgendes:

ÖVP Sebastian Kurz (31) gewinnt die Wahl und schafft es, zum dritten Mal in der Parteigeschichte die SPÖ zu überholen. 2013 brach die ÖVP stark ein und landete auf ihrem historischen Tief von rund 24 Prozent. Kurz übernahm die Partei im Mai von Reinhold Mitterlehner und schaffte nach einem turbulenten Wahlkampf den Wahlsieg. Kurz wäre als Kanzler weltweit der jüngste Regierungschef, zuerst muss er aber einen Koalitionspartner finden.

Aufgrund des Rechtsrucks in Österreich – womit die Zugewinne von ÖVP und FPÖ gemeint sind, die zusammen auf fast 60 Prozent kommen, wird nun klarerweise mit Schwarz-Blau spekuliert. Die FPÖ legt sich jedoch noch nicht auf eine Regierungsbeteiligung fest. Generalsekretär Kickl sagte, Faktum sei, dass nahezu "60 Prozent der Österreicher ein freiheitliches Programm gewählt haben".

Sebastian Kurz: Der neue Wende-Kanzler, oder kommt doch Rot-Blau?
ABD0200_20171015 - WIEN - ÖSTERREICH: NATIONALRATSWAHL 2017 - BK Christian Kern (SPÖ) und Eveline Steinberger-Kern im Festzelt der SPÖ anlässlich der Nationalratswahl am Sonntag, 15. Oktober 2017, in Wien. - FOTO: APA/ROLAND SCHLAGER - Special Instructions

SPÖ Kanzler Christian Kern (51) hat das Ergebnis von Werner Faymann 2013 gehalten. Sein Platz 1 ist weg, angekündigt hat Kern dafür den Gang in die Opposition. Davon will er jetzt eigentlich nichts mehr wissen, sondern "weiter Verantwortung übernehmen" und mittelfristig den ersten Platz zurückerobern. Gespräche mit der ÖVP werde man "mit Verantwortungsbewusstsein führen", sagte Kern. Ob er für Rot-Blau offen wäre, sagte er nicht. Ganz ausgeschlossen ist diese Variante nicht. Er gehe aber von Schwarz-Blau aus.

Sebastian Kurz: Der neue Wende-Kanzler, oder kommt doch Rot-Blau?
Nationalratswahl 2017

FPÖ Heinz-Christian Strache (48) freut sich verhalten und will noch nicht wahrhaben, dass er auf Platz 3 liegt. Er legte ausgehend vom starken Ergebnis 2013 nochmals gut fünf Prozent zu. Sein früheres Ziel, Kanzler zu werden, hat Strache längst aufgegeben. Zuletzt hat er sich als Innenminister angedient. Platz zwei hat er offenbar verpasst, eine Regierungsbeteiligung ist aber in Reichweite. Nicht nur die Blauen, ÖVP-Chef Kurz will mit allen reden. Kurz denkt sogar an einer Dreier-Konstellation: "Für viele Projekte braucht es auch eine Zweidrittelmehrheit, braucht es mehr als nur einen Koalitionspartner."

"Debakel" für Grüne

Eine echte Zitterpartie wurde es für die Kleinparteien. Hier gilt es ja, bundesweit die Hürde von vier Prozent der Stimmen zu überspringen.

Das schafften die Grünen offenbar nicht, es wurden nach letztem Stand nur 3,9 Prozent. "Das ist für uns ein schweres Debakel, eine schwere Niederlage und eine große Enttäuschung", sagte Ulrike Lunacek (60). 1986 zogen die Grünen erstmals ins Parlament ein, 2013 schafften sie mit mehr als zwölf Prozent noch ihr historisch bestes Ergebnis.

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Nationalratswahl 2017, Grüne

Matthias Strolz (44), der laut Umfragen um den Wiedereinzug bangen musste, schaffte es und holte 5,1 Prozent. Die Neos sind damit wieder im Nationalrat vertreten.

Peter Pilz (63) dürfte den Einzug ins Parlament schaffen. Bei 4,3 Prozent liegt die letzte Hochrechnung für den Ex-Grünen. Aber ganz fix ist das angesichts der Schwankungsbreite von 0,8 Prozent nicht.

Sehr spannend machen es dieses Mal – wie bei der Hofburgwahl 2016 – die Briefwahl-Stimmen. Rund 700.000 Stimmen kommen noch dazu, das wären mehr als zehn Prozent – sie sind aber in den Hochrechnungen schon enthalten. Diese Stimmen könnten das Match zwischen SPÖ und FPÖ um Platz 2 theoretisch nochmals drehen.

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