Vorarlbergs LH sieht Chance für Türkis-Grün im Bund bei 50:50
Gerade einmal zwei Wochen haben ÖVP und Grüne in Vorarlberg verhandelt. Am Dienstag präsentierten VP-Landeshauptmann Markus Wallner und Grünen-Chef Johannes Rauch das Programm für die Fortsetzung ihrer Regierung. Bei umstrittenen Infrastrukturprojekten wurden Konflikte wie 2014 nach der Kompromissformel „An laufenden Projekten wird nicht gerüttelt“ bereinigt.
Am Mittwoch wird die Landesregierung angelobt. Im KURIER-Gespräch sehen die schwarz-grünen Koalitionspartner Parallelen zur Ausgangslage im Bund, wo Türkis und Grün noch am Sondieren sind.
KURIER: Herr Landeshauptmann, Sie haben gerade Schwarz-Grün II unter Dach und Fach gebracht. Würden Sie sich wünschen, dass beide Parteien nun auch im Bund zueinanderfinden?
Markus Wallner: Auf Bundesebene werden die Sondierungsgespräche zu Ende geführt und dann wird auf beiden Seiten entschieden werden müssen, ob Verhandlungen eingeleitet werden. Das wird am Wochenende einer Entscheidung zugeführt. Ich wünsche mir, dass eine wirklich ernsthafte Anstrengung unternommen wird, in echte Verhandlungen einzusteigen. Man soll nicht leichtfertig Nein sagen, sondern sich bemühen, einen Weg zu finden.
Also ein Modell, dass Sie sich im Bund vorstellen könnten?
Wallner: Mit einem 1:1-Übertragen von einem Modell vom Land auf den Bund bin ich vorsichtig. In Vorarlberg kommt Schwarz-Grün II. Wir haben ein ausverhandeltes Paket mit Schwerpunktsetzungen. Dem Bund ist sicher anzuraten, einen Blick in unser Programm zu werfen. Manche Fragen werden sich auf einer Ebene höher auch stellen. Das ein oder andere kann man daraus schon lernen.
Herr Rauch, in Wien beschnuppern sich die Verhandlungspartner noch. Ist es für Sie nachvollziehbar, dass das so lange dauert?
Johannes Rauch: Man kann es nicht eins zu eins vergleichen. Wir haben fünf Jahre miteinander regiert und kennen uns, wissen wie der andere tickt. Im Bund begegnen sich zwei vollkommen fremde Welten. Trotzdem meine ich, man sollte den Schritt wagen, von Sondierungen in ernsthafte Verhandlungen einzusteigen und sich bemühen auszuloten: Kommen wir zusammen, Ja oder Nein? Diese Mühe werde ich meiner Partei empfehlen, auf sich zu nehmen.
Öffentlicher Druck
Wallner: Ich glaube, auf Bundesebene gibt es einen beachtlichen auch öffentlichen Druck, in dieser Frage weiter zu kommen. In Vorarlberg war es noch klarer. Dass Schwarz-Grün zusammenarbeiten soll, war ein Wählerauftrag. Man kann das auf Bundesebene nicht eins zu eins übertragen. Aus meiner Sicht haben aber beide Seiten die Kernfragen adressiert.
Die da wären?
Wallner: Von unserer Seite wurde klar gesagt, dass die Standortfrage wichtig ist. Von den Grünen ist klar definiert worden, dass die Pariser Klimaschutzziele umzusetzen sind. Diese beiden Dinge müssen unter einen Hut gebracht werden. Es ist die soziale Frage adressiert und die Frage Asyl und Sicherheit. Im Detail ist zu klären, wie das funktioniert. Das mussten wir aber auch.
Rauch: Es gab in Vorarlberg den Wunsch einer Fortsetzung dieser Regierungskonstellation. Und damit verbunden an uns beide den Auftrag: Bringt die beiden Pole Wirtschaft und Klimaschutz bestmöglich zusammen. Vor der Herausforderung stehen in Wien Sebastian Kurz und Werner Kogler in gleicher Weise. Die Erwartungshaltung, dass sich diesen Fragen eine stabile Regierung widmen soll, diesen Wunsch gibt es in Vorarlberg und auf Bundesebene.
Türkis-Grüne Sondierungen gehen weiter
Brücke bauen
Wallner: Es muss klar sein, Klimaschutz und Wirtschaft braucht eine Brücke. Sonst kommt das auf Bundesebene nicht zustande. Das wäre sonst auch im Land nicht gegangen. Klimaschutz gegen die Wirtschaft wird scheitern. Umgekehrt funktioniert es genauso nicht. Das ist auf beiden Ebenen deckungsgleich. Im Bund kommen noch die Steuerfragen dazu. Das macht es noch einmal einen Dreh komplexer.
In Ihrem neuen Programm gibt es ein paar klare Punkte zum Klimaschutz – etwa den massiven Ausbau der Photovoltaik. Herr Rauch, welches Minimalziel müssen die Grünen in diesem Bereich im Bund erreichen, um sagen zu können, das lohnt sich?
Rauch: Regel Nummer eins: Richte Menschen in Verhandlungen von außen niemals aus, was sie tun sollen und wo die Mindestanforderungen sind. Es ist klar, wofür die Grünen stehen. Es ist klar, wofür die ÖVP steht. Und jetzt geht es darum, entlang der definierten Schwerpunktfelder in konkrete Verhandlungen einzusteigen.
Vorarlberg hat als erstes Bundesland den Klimanotstand ausgerufen. Ist für Sie, Herr Landeshauptmann Wallner, eine Öko-Reform der Pendlerpauschale oder eine Abschaffung des Dieselprivilegs eine denkbare Variante?
Wallner: Einzelmaßnahmen will ich nicht kommentieren. Die sind Gegenstand von Verhandlungen. Aber natürlich braucht es Klimaschutzpakete. Aber in der Gesamtheit. Es sind Steuerfragen und Fragen der Förderung dahinter zu behandeln. Es ist keine leichte Aufgabe, das zu lösen.
Das Dieselprivileg
Ich frage, weil in Ihrem Koalitionsprogramm steht, dass sich Ihre Regierung „für ein Ende der Subventionierung von Dieseltreibstoffen“ stark machen will.
Wallner: Wenn man diesen Punkt genau liest, sieht man, dass es hier um Anforderungen an den Bund und zum Teil auch um europäische Konzepte geht, wenn es etwa die Straßeninfrastruktur betrifft. Aber ich will jetzt dem Bund aus unserem Programm keine Vorschriften machen.
Rauch: Man sollte auch nicht den Fehler machen, das auf Einzelmaßnahmen einzudampfen. Wir haben Klimaschutz, Naturschutz, Umwelt, Energie als Querschnittsmaterie definiert. Richtig ist, dass der Bund die Steuerhoheit hat und sich überlegen muss: Wie machen wir das?
Wenn ich mir was wünschen dürfte, dann dass sich der Bund auf die Präambel verständigt, die auch wir formuliert haben. Nämlich dass wir uns zu den Klimazielen von Paris bekennen und alles daran setzen, diese zu erreichen.
Wallner: Es sind in unserem Programm eine Reihe von Bundesthemen angeschnitten. Aber es ist jetzt der falsche Moment, an Verhandlungsteams mit Forderungskatalogen aus den Ländern heranzutreten.
Ein Thema zwischen Bund und Ländern ist die Mindestsicherung. Hier ist aus Vorarlberg heraus immer wieder für das eigene – in Tirol und Salzburg fast deckungsgleiche – Modell geworben worden. Ist das für Sie nach wie vor eine Alternative zur Sozialhilfe von Türkis-Blau?
Wallner: Die Ausgangslage ist so, dass wir in Vorarlberg eine Mindestsicherung haben, die funktioniert. Die haben wir vor zwei Jahren ziemlich deutlich verschärft. Und diese Regelung ist verfassungskonform. Jetzt wissen wir schon, dass wir zur Umsetzung verpflichtet sind, wenn ein Grundsatzgesetz des Bundes kommt. Aber erstens bildet sich eine neue Bundesregierung. Die wird auch an diesem Thema arbeiten. Und zweitens hat der Bundesrat einen Einspruch beim Verfassungsgerichtshof gemacht. Und ich ändere nicht alle fünf Wochen ein Gesetz, das funktioniert.
Rauch: Wir haben sehr viel Zeit, Energie und auch Auseinandersetzung in dieses Modell investiert. Wir sind beide an die Grenzen gegangen, was dem anderen zumutbar ist. Der Lohn ist, dass es hält und funktioniert.
Grüne Grenzen
Stichwort „an die Grenzen gehen“: Wie viel Türkis vertragen denn die Grünen?
Rauch: Ich komme vom Sportklettern. Und dort ist es so: Wenn du nicht an oder über deine Grenzen gehst, erreichst du keinen neuen Schwierigkeitsgrad. Also probieren. Ja, es kann scheitern. Aber schlimmer als jetzt mit den Blauen kann es ganz sicher nicht scheitern.
Für wie wahrscheinlich halten Sie beide, dass wir eine türkis-grüne Bundesregierung bekommen?
Wallner: Weit über 50:50 würde ich im Moment nicht hinausgehen.
Rauch: Ich sehe das ähnlich. Am Sonntag würde ich mich trauen, mehr zu sagen.
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