Vertrauenskrise: Justizministerin Zadić muss Baustellen bearbeiten
Im ÖVP-U-Ausschuss hat sich in dieser Woche gezeigt, wie verhärtet die Fronten im Justiz-Streit sind. „Die zuständige Ministerin muss entscheiden, wohin die Reise gehen soll“, sagen Politik-Experten.
Sie hält den Ball gerne flach und scheut den Konflikt in der Öffentlichkeit – zur Beruhigung innerhalb der Justiz trägt Justizministerin Alma Zadić (Grüne) damit allerdings nicht bei. Seit dem Frühjahr 2019 sind die Verwerfungen innerhalb der Justiz am Tapet, und sie werden immer größer. Das haben die vergangenen Tage im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss einmal mehr gezeigt.
Letzter Höhepunkt des Streits: Die Abrechnung der Rechtsschutzbeauftragten Gabriele Aicher anlässlich ihres Rücktritts mit Zadić. Aicher hatte die Hausdurchsuchungen der Wirtschaft- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im Zusammenhang mit den Ermittlungen in der Inseratenaffäre heftig kritisiert. Später wurde bekannt, dass sie bezüglich ihres Statements im Spätherbst 2021 von Anwalt Manfred Ainedter beraten wurde.
27 Prozent "eher geringes" Vertrauen
Diese ewigen Querelen lassen das Vertrauen in die Justiz sinken. 27 Prozent der Österreicher haben mittlerweile ein „eher geringes“ Vertrauen in die Justiz. Das ist das Ergebnis einer Umfrage von Unique Research für ATV.
Im Presse-Interview warf Aicher (ihre Aufgabe ist es, die Rechte von Beschuldigten bei Ermittlungen zu wahren) der Justizministerin vor, sie „behindert zu haben, die Grundrechte durchzusetzen“. Und sie meinte weiter: „Man warf mir vor, gegen die WKStA zu sein. Ich kann nur sagen: Es war kein Ausschreibungserfordernis, ein Freund der WKStA zu sein.“
Für oder gegen die WKStA sein – die Spaltung in diese beiden Lager machen die Justiz derzeit zu einer Baustelle. Was aber steckt tatsächlich hinter dem Justizstreit, in den allen voran der suspendierte Sektionschef Christian Pilnacek und Johann Fuchs, Leiter der Oberstaatsanwaltschaft, auf der einen Seite sowie WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda auf der anderen Seite verwickelt sind?
Es geht um mehr als persönliche Ressentiments zwischen einzelnen Personen. Es handelt sich vielmehr um einen juristischen Glaubenskonflikt, welcher Ermittlungsstil künftig praktiziert werden soll – vor allem von der WKStA.
Pilnacek, Fuchs, aber auch Persönlichkeiten wie der ehemalige OGH-Präsident Eckart Ratz sehen im Ermittlungsstil der WKStA ein Problem und argumentieren das damit, dass die Oberstaatsanwälte der WKStA auch ermitteln wollen.
Neue Ära?
Zum Vergleich: Andere Staatsanwaltschaften etwa in Wien oder Graz lassen die Polizei die Ermittlungsarbeit erledigen. Die Staatsanwälte konzentrieren sich normalerweise auf die rechtliche Beurteilung der Ermittlungsergebnisse. Die WKStA aber misstraut den Ermittlern, weil sie unter ihnen türkise Netzwerke ortet. Zuletzt kündigten sie die Zusammenarbeit mit der Soko Ibiza auf.
Die Argumentation von Pilnacek & Co lautet, dass sich die „Verfolgerrolle“ der WKStA-Staatsanwälte nicht mit dem Objektivitätsprinzip vertrage. So könne man nicht mit gleicher Sorgfalt mit belastenden und entlastenden Beweisen umgehen.
Die WKStA würde auch Ermittler präferieren, die ausschließlich ihr zugeordnet sind. Ein weiterer Wunsch: Statt von Aufsichtsbehörden kontrolliert zu werden, will die Behörde eine richterliche Kontrolle. Sprich: Die WKStA soll aus der bestehenden Hierarchie innerhalb Justiz herausgelöst werden. Im Ermittlungsverfahren soll Weisungsfreiheit herrschen, damit sie „ohne Ansehen der Person“ ermitteln kann. Für Pilnacek & Co stellt das ein Problem dar, weil die Staatsanwälte mit staatlichen Zwangsmaßnahmen arbeiten würden, wo es eine Kontrolle benötige.
Der Konflikt ist diffizil – deshalb braucht es eine Ministerin, die entscheidet, wohin die Reise gehen soll. „Das ist ein Konfliktherd, der aus demokratiepolitischer Sicht schnell behoben gehört, damit der Justiz nicht nachhaltig geschadet wird“, sagt Politik-Experte Thomas Hofer.
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