Unser Leben mit der Teuerung: Wie wird der Winter?
Die Theater und Kinos werden immer leerer, in vielen Restaurants, in denen bisher kurzfristig kaum ein Platz zu bekommen war, sind selbst am Wochenende plötzlich Tische frei. Es hat eine Weile gedauert, doch nun, kurz vor dem Winter, sind die Auswirkungen der Teuerung in Österreich kaum mehr zu übersehen: Die Menschen sparen, sie können oder wollen sich vieles nicht mehr leisten.
Auch Umfragezahlen zeichnen ein zunehmend düsteres Bild: Eine aktuelle Befragung der Statistik Austria zeigt: 1,2 Millionen Menschen in Österreich sorgen sich, ihre Wohnkosten bald nicht mehr zahlen zu können. Hier treffen gleich zwei Problembereiche – Mietpreise und Energiekosten – aufeinander.
Laut einer KURIER-OGM-Umfrage von Anfang Oktober geben 16 Prozent der Menschen an, ernsthafte Schwierigkeiten zu haben, über die Runden zu kommen, also ihre Rechnungen akkurat zu bezahlen.
Zwar klingt das zunächst gar nicht so wild, hinzu kommt aber, dass weitere 44 Prozent Angst davor haben, dass ihr Haushalt bzw. ihre Familie bald in Schwierigkeiten kommt, wenn die Teuerung anhält.
Die Konsequenzen dieser Befürchtungen bekommt vor allem die Wirtschaft zu spüren: Eine Studie der Johannes Kepler Universität (JKU) in Linz beurteilt das heimische Konsumklima im September als „katastrophal“. Die steigende Inflation habe die Konsumentinnen und Konsumenten in eine Art „Schockstarre“ versetzt, die im Zeitablauf nicht nachlasse.
Die Bundesregierung versucht, die Teuerung abzufedern. Drei Anti-Teuerungspakete hat sie auf den Weg gebracht, dazu gehören Einmalzahlungen wie der Klimabonus, der ab September ausbezahlt wurde. Alleine das dritte Paket (dazu gehört die Abschaffung der kalten Progression) ist knapp 35,2 Milliarden Euro schwer. Mit der Strompreisbremse will man gerade beim Problemthema Wohnen helfen.
„Krisenbudget“
Das alles führt dazu, dass auch das diese Woche im Nationalrat vorgestellte Budget für 2023 ein „Krisenbudget“ ist, wie Ökonomen sagen. Die Gesamtverschuldung Österreichs wird bis 2026 auf einen Rekordwert ansteigen, damit der Staat durch Unterstützungszahlungen Not verhindern kann.
Gleichzeitig kritisieren Experten wie Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrats, und Wifo-Ökonomin Margit Schratzenstaller die soziale Treffsicherheit der Maßnahmen gegen die Teuerung. Diese müssten „fokussierter und billiger“ werden, sagen sie.
Auch die Bevölkerung ist von den Anti-Teuerungsmaßnahmen der Regierung nicht überzeugt, wie die OGM-Umfrage zeigt. Die überwiegende Mehrheit – 59 Prozent – ist ganz sicher, dass die staatlichen Hilfen jedenfalls zu wenig sind.
Blick in den Winter
So viel zu Zahlen, Daten und Fakten. Wie aber lässt sich das auf die Lebensrealität der Menschen in Österreich umlegen? Wie geht es den Menschen mit der Teuerung?
Der KURIER hat im Juli exemplarisch Vertreter von drei Bevölkerungsgruppen ausgewählt: einen Studenten, eine Familie mit zwei Kindern und eine Pensionistin. Vor drei Monaten erzählten sie das erste Mal, wo sie die Inflation am stärksten spüren, worauf sie verzichten und was sie sich im Sommer noch immer gönnen (hier geht's zur Nachlese).
Jetzt, im Herbst, haben wir nachgefragt, wie es ihnen in der Zwischenzeit ergangen ist, ob und welche Anti-Teuerungsmaßnahmen der Regierung geholfen haben und mit welchen Sorgen sie nun in den Winter gehen.
Student, ca. 850 Euro:
Bekommt Studienbeihilfe, macht Nebenjobs, wird von Eltern und Großeltern unterstützt. Er lebt in einer Ein-Zimmer-Wohnung in Innsbruck, die seiner Familie gehört.
„Nicht jammern, sondern nach Lösungen suchen“
Wie jedes Jahr hat Matthias Grafenauer über den Sommer sein Konto durch einen Ferialjob aufgefüllt – und startet jetzt ins Wintersemester an der Uni in Innsbruck.
Über den Sommer habe er sich auch die Preise im Supermarkt gewöhnt, sagt der 23-Jährige, der zuvor ein Jahr im Ausland studiert hat. Mit der Teuerung will der Wirtschaftsstudent umgehen, wie es ein Unternehmer tun würde: „Nicht jammern, sondern Lösungen suchen.“
So kauft er nicht mehr ein, worauf er „Lust“ hat (wie beim vorigen KURIER-Gespräch geschildert), sondern was im Sonderangebot ist; sucht gezielt nach reduzierter Ware knapp am Ablaufdatum.
Die Preise in den Studentenlokalen sind leicht gestiegen – und auch hier hat Grafenauer sein Verhalten geändert: Vor dem Fortgehen wird daheim bei Freunden „vorgeglüht“.
Als Student tue man sich noch verhältnismäßig leicht, sagt der 23-Jährige, da es viele Vergünstigungen gibt. Was ihn in dem Zusammenhang allerdings ärgert: „Die Preise in der Mensa haben deutlich angezogen.“ Beispielsweise kostet ein Teller Spaghetti mit Tomatensauce 6,20 Euro, sagt er. Manche seiner Studienkollegen boykottieren deshalb die Mensa, kochen lieber selber.
Was die Energiepreise betrifft, ist Grafenauer, der in einer kleinen Eigentumswohnung wohnt, noch verhältnismäßig entspannt: Geheizt hat er bisher noch nicht, lieber zieht er sich zu Hause warm an.
Ehepaar mit zwei Töchtern, 3.000 Euro:
Sie arbeitet in Teilzeit als zahnärztliche Assistentin, er ist Servicetechniker in Vollzeit. Die Familie lebt in einem Einfamilienhaus in Niederösterreich, das gerade umgebaut wird.
„Klimabonus war für die Stromnachzahlung super“
Die Baustelle ist fast fertig. „Gott sei Dank“, sagt Katharina Penz, denn der Kredit für die Hausrenovierung ist aufgebraucht. Alles, was jetzt noch gemacht wird, müssen sie und ihr Mann Jakob von dem bezahlen, was im Monat übrig bleibt.
Und das ist nicht viel. Die vierköpfige Familie – mit zwei Mädchen im Kindergartenalter – lebt von 3.000 Euro im Monat.
Vor dem Sommer hat die Mutter Vorräte an Butter, Mehl und anderen haltbaren Lebensmitteln angelegt. Die gehen langsam zur Neige. „Die hohen Preise im Supermarkt werde ich bald so richtig spüren“, sagt sie.
Um Strom zu sparen, versucht die 32-Jährige beispielsweise, den Wäscheberg zu reduzieren. Gewand wird mindestens zwei Mal angezogen. Kürzlich war eine Stromnachzahlung von rund 1.000 Euro fällig. „Der Klimabonus war super, den haben wir direkt dafür verwendet“, sagt sie.
In Hinblick auf die kühle Jahreszeit steht Katharina vor einem Problem: Die Kinder brauchen warmes Gewand, und da wird wohl Gebrauchtes gekauft werden müssen; gebraucht kauft die Familie auch einige Möbel.
Keine Sorgen macht sich Katharina ums Heizen: Die Familie besitzt ein Waldstück und hat einen Holzofen. „Frieren müssen wir nicht“, sagt die Mutter.
Und noch eine gute Nachricht gibt es: Zu Weihnachten soll das Haus fertig sein.
Pensionistin, 1.200 Euro:
Die Wienerin arbeitet freiwillig für die Volkshilfe, war früher bei der Post und lebt zur Miete im Gemeindebau. Sie ist verwitwet und hat zwei erwachsene Kinder.
„Das ist unser Steuergeld, schenken tun die uns nix“
Sparen. Als sich die Teuerung im Sommer das erste Mal so richtig in Österreich bemerkbar machte, war Elfriede L. bereits wenig optimistisch, dass die Politik der Bevölkerung wirklich helfen werde, mit den steigenden Preisen klarzukommen. „Die Politiker schauen eh nur mehr auf sich selbst, die sind alle zum Vergessen“, hatte die Pensionistin im Juli im Gespräch mit dem KURIER gesagt.
Jetzt, drei Monate später, hat sie das Gefühl, recht behalten zu haben. „Es ist noch schlimmer geworden, alles wird immer teurer, einkaufen, Strom, Fernwärme ...“, sagt Frau L. Das „Batzerl“, um das ihre Pension im Gegenzug erhöht wurde, helfe ihr kaum. „Dabei sind eigentlich eh nur die mit den kleinen Pensionen richtig betroffen, die mit den größeren spüren die Teuerung nicht so.“
Den Klimabonus hat Frau L. schon erhalten, aber auch der sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Außerdem: „Das ist ja unser Steuergeld, das wir da bekommen, schenken tun die uns ja nix“, sagt sie und mit „die“ meint sie freilich die Politik.
Gefragt, wie sehr sie jetzt sparen müsse, schnaubt Elfriede L. nur verächtlich. „Ob ich sparen muss? Wenn’s nur das wär. Als Kind hab’ ich frieren müssen und jetzt als Alte muss ich wieder frieren.“
Langsam macht sich Resignation breit. „Was soll man machen? Wir Kleinen können eh nix tun“, sagt Frau L. „Es ist alles ein Schmarren.“
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