Lebensmittel, Strom, Gas und Sprit – die Inflationsrate von aktuell fast 9 Prozent schlägt überall durch. Wie geht es den Menschen damit? Der KURIER fragt ab heute regelmäßig nach.
Zwei Millionen Menschen in Österreich haben Einbußen bei ihrem Einkommen, wie die Studie „So geht’s uns heute“ zeigt.
Unerwartete Ausgaben in der Höhe von 1.300 Euro sind für rund 1,7 Millionen Menschen nicht machbar, kleine Wünsche wie einen Kinobesuch leisten sich rund 770.000 Menschen nicht mehr. Rund 800.000 haben Schwierigkeiten, die laufenden Ausgaben zu decken. Und auf den jährlichen Urlaub verzichten rund 1,5 Millionen Menschen, so die Hochrechnung der Ergebnisse von 3.500 Befragten zwischen 16 und 69 Jahren.
Die Umfrage wurde Ende 2021 im Auftrag von Sozialministerium und Eurostat durchgeführt und diese Woche präsentiert. Zum damaligen Zeitpunkt lag der Fokus noch auf den sozialen Auswirkungen der Pandemie. Aber bereits da wurde die Inflation als zweithäufigster Grund für die Einkommenseinbußen genannt. Die Verbraucherpreise sind 2021 doppelt so stark gestiegen wie in den vergangenen zwei Jahren – der Inflationswert von 4,3 Prozent war der höchste seit zehn Jahren.
Die Situation hat sich im Zuge des Ukraine-Krieges noch deutlich verschärft: Im März betrug die Inflation 5,8 Prozent, im Mai schon 7,7 Prozent. Im Juni lag sie laut Schnellschätzung der Statistik Austria zuletzt bei 8,7 Prozent. Lebensmittel sind im Schnitt um 8,4 Prozent teurer als vor einem Jahr, Haushaltsenergie sogar um 25 Prozent.
Gespart wird beim Essen
Eine Studie des Momentum-Instituts zeigt, dass die Menschen jetzt offenbar kräftig bei den Lebensmitteln sparen. In den ersten beiden Pandemie-Jahren waren die Umsätze im Lebensmittelhandel aufgrund des Lockdowns überdurchschnittlich hoch. Im April 2022 sind sie unter den langjährigen Trend seit 2010 gesunken.
Soweit zu den Zahlen und Fakten. Aber wie leben die Menschen mit der Teuerung? Der KURIER hat exemplarisch Vertreter von drei Bevölkerungsgruppen ausgewählt: Einen Studenten, eine Familie mit zwei Kindern und eine Pensionistin. Sie erzählen, wo sie die Inflation am stärksten spüren, worauf sie verzichten und was sie sich noch immer gönnen.
In ein paar Monaten wird der KURIER wieder nachfragen, wie es ihnen ergangen ist – und auch, ob ihnen das Anti-Teuerungs-Paket, das die Regierung für 28 Milliarden Euro geschnürt hat, geholfen hat.
Boni ab August
Der Fahrplan zu den Entlastungen und Einmalzahlungen sieht so aus: Familien bekommen im August eine 13. Familienbeihilfe von 180 Euro pro Kind. Vom erhöhten Familienbonus von 2.000 Euro profitieren Arbeitnehmer ab Herbst direkt über die Lohnverrechnung oder im neuen Jahr über die Arbeitnehmerveranlagung.
Vulnerable Gruppen wie Mindestpensionisten erhalten ab September einen Bonus von 300 Euro. Im Oktober bekommen alle Erwachsenen einen Bonus von 500 Euro, für Kinder gibt es 250 Euro.
Die Abschaffung der Kalten Progression und die automatische Valorisierung von Sozialleistungen wie der Studienbeihilfe folgen im kommenden Jahr.
Student, ca. 850 Euro:
Bekommt Studienbeihilfe, macht Nebenjobs, wird von Eltern und Großeltern unterstützt. Er lebt in einer Ein-Zimmer-Wohnung in Innsbruck, die seiner Familie gehört.
"Ich führe ein schönes Studentenleben"
Die vergangenen zwei Semester war Matthias Grafenauer auf Erasmus in Bologna. Als er kürzlich nach Innsbruck zurückkehrte, sah er sich im Supermarkt mit drei Stück Paprika konfrontiert, die vier Euro kosteten. Und dann, des nächtens, mit einem Döner für sechs Euro.
„In meiner Abwesenheit hat sich einiges getan bei den Preisen“, sagt der 23-jährige Student. Er spürt die Teuerung, kommt aber gut über die Runden. Freilich hat er weder großen Ansprüche noch Verpflichtungen – er führe „ein schönes Studentenleben“.
Beim Einkaufen beispielsweise schaut er nach Sonderangeboten und kauft dann, worauf er gerade Lust hat. Mietkosten fallen für den gebürtigen Oberösterreicher flach: Er lebt in einer Ein-Zimmer-Wohnung, die einst sein Urgroßvater gekauft hat. Dass die Gas- und Stromrechnung gestiegen ist, sei da noch verkraftbar.
Ein Vorteil ist auch, dass es in der Uni-Stadt Innsbruck viele Vergünstigungen für Studenten gibt – etwa beim Essen oder im Nachtleben. Aufgefallen ist ihm, dass die Preise in den Studenten-Bars kaum oder gar nicht gestiegen seien. Wohl eine bewusste Aktion in Zeiten hoher Inflation, um die Zielgruppe nicht zu verprellen.
Wie viel Geld der 23-Jährige monatlich zur Verfügung hat, ist variabel: Rund 850 Euro bekommt er an Studienbeihilfe bzw. von seiner Familie, dazu kommt immer wieder Geld aus Nebenjobs. Was er jetzt im Sommer-Ferialjob verdient, spart er für das Wintersemester.
Die Maßnahmen der Regierung hält Grafenauer, der Internationale Wirtschaftswissenschaften studiert und sich in der Studentenvertretung AG engagiert, für eine „tolle Hilfe“, sagt aber: „Es sind halt Einmalzahlungen. Bei den strukturellen Maßnahmen bin ich skeptisch, ob sie die Probleme der breiten Mehrheit lösen können.“
Die Paprika hat er übrigens nicht gekauft. Den Döner schon.
Ehepaar mit zwei Töchtern, 2.600 Euro:
Sie arbeitet geringfügig als zahnärztliche Assistentin, er ist Servicetechniker in Vollzeit. Die Familie lebt in einem Einfamilienhaus in Niederösterreich, das gerade umgebaut wird.
"Wir müssen schon wieder den Urlaub auslassen"
Eigentlich, sagt Katharina Penz, gehe es ihr und ihrer Familie ja nicht schlecht. „Wir haben ein Dach über dem Kopf, müssen nicht hungern, und wenn mein Kind krank ist, fahre ich zum Doktor.“ Allerdings ist ihr Leben zuletzt deutlich komplizierter geworden.
Die 32-Jährige lebt mit ihrem Ehemann und den zwei Töchtern (drei und vier Jahre alt) in einem in Haus in Niederösterreich, das sie vor eineinhalb Jahren begonnen haben umzubauen. Sie wohnen also auf einer Baustelle – und die hohe Inflation schlägt sich deutlich in den Materialkosten nieder. „Wenn wir nicht in dem Haus wohnen müssten, würden wir eine Umbau-Pause einlegen, bis sich die Preise normalisieren. So müssen wir eben Abstriche machen, wo es geht. Die Einrichtung kaufen wir eher gebraucht als neu“, schildert Penz.
Sie ist geringfügig als zahnärztliche Assistentin beschäftigt, ihr Mann Jakob arbeitet Vollzeit als Servicetechniker. Im Monat hat das Paar rund 2.600 Euro zur Verfügung. Und die zweifache Mutter spart, wo sie kann. So verzichtet sie beim Einkaufen komplett auf Markenprodukte und greift hauptsächlich nach Sonderangeboten und Großpackungen. Im Garten baut sie selbst Gemüse an. Wenn die Mädchen etwas zum Naschen wollen, bäckt sie einen Kuchen.
Die Liste der Entbehrungen ist lang, aber all das sei „noch verkraftbar“, sagt Penz. Was sie aktuell aber schmerzt: „Wir müssen schon wieder den Urlaub auslassen.“ 2018 und 2019 wurden die Mädchen geboren, 2020 und 2021 war das Reisen dann wegen Corona kaum möglich. Heuer ist es die Teuerung. Ein Italien-Urlaub um 3.000 Euro für vier Personen – „das geht sich nicht aus“, sagt Penz.
Die Einmalzahlungen, die ab August zunächst an Familien und sozial Schwache fließen, werden nicht viel bewirken, sagt sie: „Das Geld steckt man ja sofort irgendwo hinein und hat nicht viel davon.“
Was es denn brauche, damit es leichter für sie und ihre Familie wird? „Es wäre schon eine Hilfe, wenn nicht alles gleichzeitig teurer werden würde.“
Pensionistin, 1.200 Euro:
Die Wienerin arbeitet freiwillig für die Volkshilfe, war früher bei der Post und lebt zur Miete im Gemeindebau. Sie ist verwitwet und hat zwei erwachsene Kinder.
"Dachte, die Kassierin hat sich verrechnet"
Einmal in der Woche geht Elfriede L. einkaufen. Und vor Kurzem, da stand sie im Supermarkt und dachte, die Kassiererin hätte sich verrechnet. „Ich habe genauso viel gezahlt wie sonst, wenn ich Fleisch und Öl und Kaffee kaufe, das hatte ich aber diesmal gar nicht“, sagt die Pensionistin. Die Teuerung hat sie seither öfter zu spüren bekommen. 1.200 Euro Pension bekommt sie im Monat. Nachdem sie die Miete, Strom, Gas und das Nötigste zum Leben bezahlt hat, bleibt ihr kaum etwas.
„Ich habe mein ganzes Leben lang gearbeitet, Kinder großgezogen und meinen kranken Mann gepflegt. Ich hab’ gedacht, im Alter wird’s mir einmal besser gehen, und jetzt mit 80 muss ich kämpfen.“
Manchmal, da möchte Frau L. auf einen Kaffee gehen. „Aber dann denk ich mir, das leiste ich mir nicht, den trink ich daheim.“
Auch in ihrem Umfeld ist ihr aufgefallen, dass die Menschen sparen müssen. Zu den Veranstaltungen, die sie mit dem Seniorenverein organisiert, kämen kaum noch Leute. „Und die, die kommen, nehmen einen Becher und holen sich ein Wasser vom Klo, weil sie sich die 50 Cent, die wir fürs Mineralwasser verlangen, nicht leisten können“, erzählt Frau L.
Sie selbst werde schon irgendwie durchkommen. Die Generation der Kriegskinder wisse ja, was sparen heißt, sagt sie. Sorgen mache sie sich nur um die Enkerl und Urenkerl.
Denn dass die Politik Lösungen für die Teuerungskrise findet, das glaubt Frau L. nicht. „Die Politiker schauen eh nur mehr auf sich selbst, die sind alle zum Vergessen.“ Früher, als sie noch jung war, da sei das ganz anders gewesen. „Der Kreisky, der war noch für die Leut’ da“, sagt Frau L.
Und trotzdem, obwohl sie sich nicht sicher ist, wie es weitergehen soll, macht Frau L. das Leben noch Spaß. „Ich möchte ewig leben“, sagt sie. „Ich bin ein neugieriger Mensch, ich will immer wissen, wie es weitergeht.“
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