Meinungsumfragen: Warum lagen sie jüngst so oft daneben?
Blick in die Wahl-Glaskugel: Wie kommen die Balken und Kuchen, die vor einer Wahl publiziert werden, überhaupt zustande?
11.03.23, 19:00
von Raffaela Lindorfer und Oliver Wild
Die ÖVP hat bei der Kärnten-Wahl alle überrascht. Das liegt aber – soweit ist man sich im Befund mittlerweile einig –, nicht primär an der Leistung der Landespartei, sondern an den Umfragen, die vor der Wahl kursierten.
Spitzenkandidat Martin Gruber war eine krachende Niederlage prophezeit worden – die ÖVP könne sogar einstellig werden, hieß es. Am Wahlabend waren es dann 17,04 Prozent mit einem Plus von 1,59 Prozentpunkten.
Wie konnten die Meinungsforscher des Landes so danebenliegen?
Einer, der glaubt, zu wissen, woran es lag, ist Wolfgang Bachmayer, Chef von OGM. Er hat bewusst darauf verzichtet, eine Umfrage für Kärnten zu machen.
Das Land und der Pool an Kärntnern, die man befragen könnte, sei zu klein, sagt er. In Zahlen: OGM hat einen Pool von rund 30.000 Personen, darunter knapp 3.000 Kärntner. Für eine gute Umfrage brauche man mindestens 1.000 Befragte. Jeden dritten Kärntner im Pool zu befragen – das könne nicht repräsentativ sein, sagt Bachmayer. Dasselbe gilt für Salzburg, weshalb OGM auch für diese Landtagswahl keine Prognose liefern wird.
Andere Meinungsforscher meinten in der Fehleranalyse, dass Wahlumfragen in Ländern wie Kärnten keine Tradition hätten. Sie könnten daher auf weniger Datenmaterial zurückgreifen, das ihnen hilft, die Zahlen besser einzuordnen und Ausreißer zu korrigieren.
Das „Ideal“ wäre, erklärt Bachmayer, wenn man als Meinungsforscher Zugang zum zentralen Melderegister oder zur Wählerevidenz hätte und daraus eine Zufallsstichprobe – also beliebige Namen – ziehen könnte. Allerdings müsste man die Gezogenen erst per Brief anschreiben, diese müssten dann schriftlich einwilligen, dass man sie telefonisch oder online kontaktieren könne. „Das bedeutet sehr viel Aufwand und ist sehr teuer.“
Online statt Telefon
Früher habe man das Telefonbuch zur Hand genommen und Namen ausgesucht. Seit der Verbreitung der Mobiltelefonie gehe das nicht mehr.
OGM ist von der Telefon-Methode überhaupt abgekommen und führt nur noch Online-Umfragen durch – was brancheninterne Kritik einbrachte. Wie will man da die ältere Generation, eine wichtige Wählergruppe, erreichen? Bachmayer verteidigte sich damit, dass seit der Pandemie die Internetnutzung massiv gestiegen sei, laut Statistik sind fast 94 Prozent aller Österreicher online. Erreichbar seien prinzipiell alle Gruppen, sagt der OGM-Chef.
Mehr Gewicht
Es gibt aber durchaus Gruppen, die im Umfrage-Pool eher schwach vertreten sind – etwa Menschen mit niedrigerem Bildungsgrad und Einwohner einzelner Länder wie Tirol. Was an Daten fehlt, muss Bachmayer beim Gewichten wettmachen. Ein Beispiel: Für ein Panel wählt er genauso viele Tiroler aus, wie sie in der Gesamtbevölkerung vertreten sind. Machen bei der Umfrage dann weniger Tiroler mit, muss er die vorhandenen bei der Auswertung stärker gewichten.
Eine Fehlerquelle, die immer wieder zu Abweichungen führt, sind Stimmungslagen. Manche Wähler wollen bei der Befragung nicht zugeben, wen sie wirklich wählen – und nennen eine andere Partei. Früher, sagt Bachmayer, hätten sich viele FPÖ-Wähler nicht offen deklarieren wollen.
Mittlerweile betreffe das eher die ÖVP-Wähler. „Die ÖVP wird seit zwei Jahren mit Skandalen in Verbindung gebracht. Das führt dazu, dass es weniger überzeugte Wähler gibt, die offen zu ihrer Partei stehen. Am Wahltag bekommen sie dann aber Angst, dass ihre Partei abstürzen könnte, und wählen sie dann doch.“
Ob das das Problem in Kärnten war? Man könnte ja einmal nachfragen.
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