Der unterschätzte ÖVP-Chef Gruber und die falschen Prognosen

Kärntens ÖVP-Spitzenkandidat Martin Gruber und Bundeskanzler Karl Nehammer
Der Kärntner ÖVP-Spitzenkandidat Martin Gruber schärfte erst spät sein Profil - und das mit zwei ganz unterschiedlichen Themen. Ein Porträt.

Am Ende kam der Kanzler also doch noch nach Klagenfurt: Nach dem überraschenden Plus der ÖVP in Kärnten gab es am Abend persönliche Gratulationen von Karl Nehammer für seinen Spitzenkandidaten Martin Gruber. Und das, obwohl man sich im Wahlkampf nicht immer ganz grün war: Gruber vermied gemeinsame Auftritte mit Bundespolitikern, im Vorfeld des schwarzen politischen Aschermittwochs in Klagenfurt setzte er sogar zu Sticheleien gegen den Kanzler an.

Schlussendlich hat man sich wohl auf einen gemeinsamen Gegner geeinigt: die Meinungsforscher. In Prognosen und Berichten großer Medien wie der Kleinen Zeitung wurde der ÖVP sogar die Einstelligkeit prognostiziert. Am Ende stand en 17 Prozent der Stimmen, ein Plus von 1,6 Prozentpunkten. "Wir wurden wieder runtergeschrieben", argwöhnte mancher Funktionär noch am Wahlabend.

Premiere als Kandidat

Martin Gruber haben viele unterschätzt: Der 39-jährige Familienvater – sein Sohn feiert heute, Montag, Geburtstag – war noch nie in der Rolle des Spitzenkandidaten, er übernahm die Partei nach der Wahl 2018 und musste sofort den Juniorpartner von Peter Kaiser mimen. Er blieb lange unauffällig, konsensorientiert. Sein Profil hat er erst spät mit zwei Themen geschärft.

Das erste Thema: der koalitions-interne Streit um die Zukunft des maroden Klagenfurter Flughafens. Die ÖVP gab sich als Gegenpol zur SPÖ bei der Privatisierung – in vertauschten Rollen: Gruber will, dass der Flughafen zurück in Landeseigentum kommt, die SPÖ verteidigt die Privatisierung.

Das zweite Thema: der Wolf. Gruber setzt sich für einen leichteren Abschuss des geschützten Raubtiers ein, bei den Bauern kam das gut an.

In seinem Auftreten wurde Gruber oft belächelt. Etwa, als er sich im Wahlkampf in Top-Gun-Manier auf einem Poster ablichten ließ. Oder, als er sein Maskottchen, einen überdimensionalen Bären mit Brille – den "Gru-Bär" – präsentierte, der ihn im Walkampf begleitete.

Mit 25 Jahren wurde der Nebenerwerbsbauer im Jahr 2009 in Kappel am Krappfeld einer der jüngsten Bürgermeister Österreichs; 2018 übernahm er über Nacht die Landespartei von Christian Benger. Als Landesparteichef wurde er zuletzt mit 99,64 Prozent bestätigt. Als Landesrat verantwortet er bisher das breite Thema Landwirtschaft.

Wenn die SPÖ-ÖVP-Koalition in die Verlängerung geht, wird er wohl bald noch mächtiger sein.

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