U-Ausschuss: WKStA-Chefin sprach von "politischem Druck" und Schikane

U-Ausschuss: WKStA-Chefin sprach von "politischem Druck" und Schikane
WKStA-Chefin Ilse Vrabl-Sanda war heute im U-Ausschuss geladen. Es gebe "Unwägbarkeiten" bei den Ermittlungen, schilderte sie. Eine Staatsanwältin warf zuletzt das Handtuch.

"Kann bitte jemand den Vorsitzenden aufwecken?" Dieser skurrile Zwischenruf unterbrach gestern Abend die etwas schleppend verlaufende Befragung von Stefan K., Public-Affairs-Manager des Glücksspielkonzerns Novomatic, im U-Ausschuss zur Ibiza-Causa.

Gerufen hat SPÖ-Fraktionsvorsitzender Jan Krainer, gemeint war U-Ausschuss-Vorsitzender Wolfgang Sobotka. Er dürfte kurz eingenickt sein. 

Geheime Befragung

Heute, Donnerstag, wurde es etwas spannender: Geladen war am Vormittag Ilse Vrabl-Sanda, Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Heute ist die letzte Sitzung in diesem Jahr, die nächste Sitzung ist für den 12. Jänner 2021 geplant.

Vrabl-Sanda sollte Auskunft über die Zusammenarbeit der Behörden bei den Ermittlungen zum Ibiza-Video geben. Der alte Streit mit der SOKO Tape wurde aber rasch zum Nebenschauplatz: Vrabl-Sanda, die selbst als streitbare Akteurin innerhalb der Justiz gilt, sprach von "politischer Einflussnahme" und "Schikane" ihrer Oberbehörde. 

Ein Teil der Befragung musste daraufhin unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt werden. Offenbar geht es um ein neues Verfahren, das durch eine Berichterstattung gefährdet werden könnte. 

Stolz auf die Behörde

Zu Beginn ihrer Befragung erklärte Vrabl-Sanda: "Es geht heute nicht um mich", sondern um die Arbeit der WKStA. Aktuell laufen 210 Verfahren bei ihrer Behörde, davon gelten 80 als Großverfahren. Beschäftigt sind dort 39 Oberstaatsanwälte - inklusive Vrabl-Sanda als Leiterin.

Auf ihre Mitarbeiter ist sie offenbar stolz, so betonte sie: "Dass sie im Ibiza-Verfahren schon so weit gekommen sind, ist nur ihrem weit über das Erwartbare hinaus eingesetzten Engagement und ihrer Expertise zu verdanken. Angesichts des Umfangs des Verfahrens sind die Fortschritte bemerkenswert." 

Der Akt zu den Vereinen - Stichwort illegale Parteienfinanzierung - sei großteils abgeschlossen, sagte die Behördenchefin - und zwar durch Einstellungen. 

"Unwägbarkeiten" von außen

Nun gebe es aber "Unwägbarkeiten", die von außen kommen, sagte Vrabl-Sanda. Ihre Behörde arbeite nicht annähernd unter "günstigen Umständen". "Und das sage ich, obwohl unsere Schmerzgrenze schon sehr hoch ist." Die Korruptionsstaatsanwälte seien Druck gewöhnt. 

Mit "von außen" meint sie offenbar auch den Justizapparat an sich - so sprach sie von einer "spürbar mangelnden Akzeptanz und Anerkennung unserer Arbeit durch die Aufsichtsbehörden". Zuletzt hätten die Umstände dazu geführt, dass sich eine Kollegin wegbeworben habe. 

Warum die Staatsanwältin das Handtuch warf

Zu den Hintergründen des Rückzugs erfuhr man später mehr: Die Staatsanwältin habe eine "Ausstellung" bekommen - das ist eine Maßnahme zur Disziplinierung. Das ist quasi die letzte Warnung vor einem Disziplinarverfahren.

Zur Genese erklärt Vrabl-Sanda: Die Betroffene hatte den Akt zur Schredder-Affäre bearbeitet. Von der Oberstaatsanwaltschaft, ihrer übergeordneten Behörde, kam dann die Information, dass ihre Unterlagen zu dieser Causa nicht an den U-Ausschuss zu liefern seien. Sie nahm daraufhin das interne eMail mit dieser Information zu ihrem "Tagebuch" (das sind Mitschriften, die parallel zum Strafakt geführt werden) - und dieses sollte an den U-Ausschuss geliefert werden. 

Die Staatsanwältin erhielt daraufhin die "Ausstellung" - und mit ihr Chefin Vrabl-Sanda, weil sie ihre Mitarbeiterin verteidigte. Per Weisung des Justizministeriums wurde die Maßnahme aber revidiert.

Ministerium hielt Maßnahme für falsch

Aus dem Ministerium heißt es auf KURIER-Anfrage dazu: Es habe unterschiedliche Auffassungen zu der Frage gegeben, welche Dokumente in den Akt genommen werden sollen.

Das Ministerium teilt zwar die Auffassung der OStA – nämlich, dass jene zum Schredder-Fall nicht dazugehören. Die Ausstellung sei aber „ein falscher Schluss“ gewesen und man habe sich „bei der Betroffenen entschuldigt“. 

Dennoch: Der Mitarbeiterin dürfte es gereicht haben. Sie orientiert sich beruflich nun neu. 

"Belastende Situation"

Zwischen WKStA und ihrer übergeordneten Behörde, der Oberstaatsanwaltschaft Wien (OStA), gibt es immer wieder Probleme. Erst kürzlich hat die WKStA einen Bericht an die Dienstaufsicht geschickt, in dem sie die "belastende Situation" schildert. Gerade im Ibiza-Verfahren habe es "etliche" Weisungen gegeben, erklärte Vrabl-Sanda im U-Ausschuss, zudem "drängende Fragen", die als Rügen empfunden wurden. Sie habe darüber auch bereits mit Ministerin Zadic gesprochen. 

Als Reaktion hat OStA-Chef Johann Fuchs ihr eine Nachrichte per WhatsApp geschickt (der Standard berichtete kürzlich):  "Liebe Ilse Maria, nach Lektüre eures heute bei uns eingegangenen, kritischen Ibiza-Berichtes ist mir Dir gegenüber die Betonung wichtig, dass ich mich auch dadurch nicht von meinem bisherigen Stil und meiner Vorstellung einer korrekten Amtsführung abbringen lassen werde." 

Politische Einflussnahme?

Von der Neos-Abgeordneten Stephanie Krisper gefragt, ob sie eine politische Einflussnahme auf das Verfahren festgestellt habe, zögerte Vrabl-Sanda - sie könne dazu nichts sagen, meinte sie. 

Nach einer kurzen Stehung der Mandatare stellte Verfahrensrichter Ronald Rohrer fest, es handle sich dabei um ein noch "sehr junges Verfahren", man habe daher noch keine Vorkehrungen treffen können. Daher werde es Konsultationsgespräche mit dem Justizministerium geben.

Gerätselt wird, ob es um den Beginn des Ibiza-Verfahrens und die Rolle des damaligen Justiz-Sektionschefs Pilnacek und des OStA-Chefs Fuchs gehen könnte. Dem Justizministerium ist aber kein neues Verfahren wegen einer möglichen Einflussnahme bekannt.

Möglich ist, dass es sich um eine anonyme Anzeige handelt, der die WKStA erst nachgehen muss. Die Überprüfung unterliegt noch nicht der Berichtspflicht - weder Ministerium noch OStA müssten zu diesem Zeitpunkt darüber informiert werden. 

Die Mandatare im U-Ausschuss wollten dem Thema auf den Grund gehen. Die Befragung wurde daher unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortgesetzt. 

"Schikane" durch Dienstaufsicht 

Näher nachgefragt hat Krisper zuvor noch wegen angeblicher "schikanöser Prüfungen" durch die Dienstaufsicht. Ende Mai hatte Vrabl-Sanda deswegen um ein Gespräch mit Justizministerin Alma Zadic gebeten. Die Ministerin sei sich der Problematik bewusst, erklärte Vrabl-Sanda, und plane nun einen "runden Tisch" mit den Beteiligten. 

Auch die mediale Berichtserstattung war beim Gespräch mit der Ministerin Thema. Vrabl-Sanda legte offenbar eine Sammlung an Medienberichten seit Juni 2019 vor. Viele Berichte hätten die Behörde schlecht aussehen lassen, immer wieder sei auch in den Raum gestellt worden, dass die Behörde geheime Akten leaken würde - das sei "falsch" und "nicht wahr", betonte die Leiterin.

Ärger mit der SOKO

Erstes Thema bei der Befragung im U-Ausschuss - und letztendlich nur ein Randthema - war das Verhältnis zur SOKO Tape im Bundeskriminalamt, die im Auftrag der WKStA ermittelt. Die WKStA kann sich allerdings nicht aussuchen, welche und wie viele Beamte das tun - und genau deswegen gab es im Vorjahr einen heftigen Krach. 

Wie berichtet, vermuteten die Staatsanwälte eine parteipolitische Einfärbung bei der Polizei. Aufgekommen ist dieser Verdacht durch eine anonyme Anzeige. Darin wurde beschrieben, dass mehrere SOKO-Beamte einen Bezug zur ÖVP haben sollen. 

"Politisch durchdrungenes" Verfahren

"Das ist natürlich ein großes Thema gewesen", erklärte Vrabl-Sanda. Das Verfahren sei ja "politisch durchdrungen" - alleine deshalb, weil einige Beschuldigte Politiker seien. Ihr Team habe sich aufgrund der möglichen Bezugs von Ermittlern dann "sehr große, nachvollziehbare Sorgen gemacht, dass die Ermittlungsergebnisse kontaminiert sein könnten", schilderte die Behördenchefin. 

Der damalige Justizminister Clemens Jabloner sah aber keinen Grund für eine Befangenheit - und legte das auch mittels Weisung fest. Diese Weisung kam nicht in den Akt - was der grüne Abgeordnete David Stögmüller fragwürdig findet.

Vrabl-Sanda schien das aber zu akzeptiert zu haben: "Ich schätze ihn (Jabloner) sehr. Er war jemand, der in der Fachaufsicht auch Verantwortung übernehmen wollte. Eine Weisung ist auch eine Art, Verantwortung zu übernehmen und damit zu entlasten." 

Die Zusammenarbeit klappe auf Ebene der Sachbearbeiter nun aber sehr gut und "reibungslos", betonte die WKStA-Chefin. 

Und so geht's heute weiter

Nach Vrabl-Sanda soll am Donnerstag noch ein Beamter des Finanzministeriums über die Gesetzgebungsprozesse in der türkis-blauen Regierungszeit sprechen. Es geht dabei um mögliche Beeinflussung und Gegenleistungen wie etwa Parteispenden.

Eine Nachlese zum U-Ausschuss vom Mittwoch, 2.12., finden Sie hier: 

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