Matzka: „Der gesunde Menschenverstand sagt mir, dass diese Korrespondenz elektronisch abzuliefern ist.“ Es wäre ein Leichtes, einzelne Passagen aus eMails herauszulöschen, bevor man sie ausdruckt. Allerdings würden sich die Beamten damit wohl strafbar machen.
Weil die Dokumente vom Ministerium als „geheim“ (Stufe 3) klassifiziert wurden, sind nur Ausdrucke erlaubt. Die Opposition protestiert: Sie muss die Papierberge nun hinter verschlossenen Türen sichten – Blatt für Blatt. Das ist mühsame Kleinstarbeit. In der digitalen Variante wäre eine effizientere Suche möglich.
Zudem finden sich in der Aktenlieferung auch Zeitungsberichte, die ohnehin öffentlich sind. Kurzum: Die Abgeordneten fühlen sich gefoppt.
Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper sagt, die eMails dürften für den U-Ausschuss gar nicht als „geheim“ eingestuft werden, weil sie im Ministerium ja auch nicht als „geheim“ behandelt wurden. Sie wurden extra ausgedruckt und hochklassifiziert – und das sei nicht zulässig.
Im Finanzministerium hält man dagegen, dass sich in den Mails persönliche Daten von Mitarbeitern befänden und diese sehr wohl geheim seien, sobald sie das geschlossene System des Ministeriums verlassen.
Die Mitarbeiter hätten ihre Mails selbst ausgedruckt und in der Generaldirektion abgeliefert. Man habe dann nicht extra jedes Mail untersucht und einzeln eingestuft.
Genau das müssten nun aber die Abgeordneten tun, wenn sie beim U-Ausschuss-Vorsitzenden Wolfgang Sobotka eine Herabstufung beantragen. Viel Zeit bleibt für dieses Unterfangen nicht mehr: Der Ibiza-U-Ausschuss endet regulär am 17. Juli.
Wolfgang Peschorn, Chef der Finanzprokuratur, hat das Ministerium beraten – und auch er scheint in der „ZiB2“ am Sonntag nicht glücklich über die Entwicklungen: Er hatte ursprünglich vorgeschlagen, dass die eMail-Postfächer anhand von Suchwörtern aussortiert werden – das wurde aber von der Opposition abgelehnt, und der VfGH gab ihr recht.
Die Tatsache, dass alles so hoch eingestuft und teils „Groteskes“ mitgeliefert wurde, wie Peschorn es ausdrückt, sei wohl Ergebnis der bisher schwierigen politischen Debatte. Er hofft nun auf eine sachliche Lösung, „um nicht noch eine weitere Eskalationsstufe zu erreichen“.
Ministeranklage?
Finanzminister Gernot Blümel wird zudem weiter heftig dafür kritisiert, dass er das VfGH-Erkenntnis zwei Monate lang ignoriert und erst geliefert hat, als eine Exekution drohte.
Ex-Spitzenbeamter Matzka sieht darin einen „klaren Verfassungsbruch“ durch den Minister. Das Argument, dass die Exekution ja noch im gesetzlichen Rahmen sei, lässt er nicht gelten: „Ein Dieb ist auch dann noch ein Dieb, wenn er auf der Flucht erwischt wurde.“ Die Voraussetzungen für eine Ministeranklage seien gegeben.
Die Opposition berät bereits darüber, einen entsprechenden Antrag in einer Sondersitzung einzubringen. Für eine Ministeranklage braucht es aber eine Mehrheit im Parlament – es ist unwahrscheinlich, dass die Grünen da mitgehen.
Auch, wenn Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) den Regierungskollegen Blümel in einem Interview in der Kleinen Zeitung rügte: Sein Verhalten zeige „einen Mangel an Respekt vor den Institutionen, vor dem Verfassungsgerichtshof und dem Parlament“. Ein Minister dürfe ein Höchstgericht „nicht an der Nase herumführen“, sagte Kogler.
Hinweis: Dieser Artikel wurde um 23 Uhr durch das Interview von Finanzprokuratur-Chef Peschorn ergänzt.
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