TV-Duelle: Warum die Politiker sie defensiv anlegen – und was sie verändern
Geht man nach den Quoten, so war der Wahlkampf-Talk am malerischen Traunsee ein Erfolg: Durchschnittlich 737.000 Menschen haben das letzte „ORF-Sommergespräch“ mit Kanzler Karl Nehammer verfolgt. Mit einem Marktanteil von mehr als 32 Prozent schaffte der ÖVP-Chef damit Werte wie Andreas Babler (SPÖ) und Herbert Kickl, dem im Schnitt sogar 933.000 Zuschauer zuhörten.
Angesichts des bemerkenswerten Interesses könnte man meinen: Die Zahl der Unentschlossenen ist hoch, und solcherart werden auch die am Donnerstag beginnenden TV-Duelle im öffentlich-rechtlichen Rundfunk hohe Aufmerksamkeit genießen. Tatsächlich scheint die Sache aber anders zu sein.
Zumindest, wenn man Meinungsforscher Peter Hajek (Public Opinion Strategies) glaubt.
Mit dem Blick auf seine Forschungen und Umfragen geht Hajek von „bestenfalls zehn Prozent an Wahlberechtigten aus, die heute noch nicht wissen, was sie bei der Nationalratswahl wählen“. Die Erzählung von den vielen, vielen Unentschlossenen sei schlichtweg eine „Mär“.
Laut Hajek werden Wahlen nicht im Intensivwahlkampf, „sondern in den Jahren davor“ gewonnen. Und was die aktuelle Wahl angehe, habe die FPÖ messbar die besten Karten. „Weil Herbert Kickl die Partei über Jahre hinweg positioniert hat und jetzt nur noch feinjustiert, wie offensiv er auftritt.“
Soweit, so klar.
Wenn dem aber so ist, dass sich Österreichs Wähler weitgehend entschieden haben: Warum haben dann so viele zugesehen? Warum schaffen Sommergespräche anhaltend hohe Quoten? Und anders gefragt: Können Sie noch etwas am Wahlausgang ändern?
Sport-Arenen
„Die TV-Studios sind moderne Sport-Arenen, in denen sich die Kandidaten miteinander messen. Ist der eigene Kandidat gut, dann freut man sich. Ist der andere nicht so gut, ebenfalls“, so Hajek.
Dass Wähler „in Massen“ verschoben werden, schließt er aus. Auch deshalb, weil es gelebte Praxis sei, dass Spitzenkandidaten die TV-Duelle sehr defensiv anlegen. „Die Gefahr, Wähler zu verlieren, weil man sich blamiert, ist deutlich größer als die Chance, neue Wähler spontan für sich zu gewinnen.“
Ähnlich sieht die Sache Christoph Hofinger. „TV-Duelle haben einen affirmativen Effekt. Wähler wollen ihre Wahl-Präferenz bestätigt sehen“, sagt der Politikforscher, der mit dem Foresight-Institut die Wahltagsforschung für den ORF erledigt.
Die These, dass TV-Duelle eher unterhaltend als wahl-beeinflussend sind, schränkt er ein. „Beim Wählen geht es auch um eine ,emotionale Abkürzung’.“ Man entscheidet sich – stellvertretend für die Partei – für einen Menschen. „Und hier muss ich beurteilen, ob er oder sie führen kann. Bei neuen Politikern ist der Eindruck im Fernsehen durchaus wesentlich.“
Für die aktuelle Wahl gelte das eher nicht. „Wir haben diesmal ein relativ gut eingeführtes Personal“, sagt Hofinger. Damit meint er, dass bis auf Andreas Babler bekannte Politiker wie Karl Nehammer, Herbert Kickl, Werner Kogler oder Beate Meinl-Reisinger den Parteien vorstehen. „Im Unterschied zum Ibiza-Jahr oder bei der Spaltung der Grünen wurden die Karten nicht neu gemischt.“
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