Wahlduelle: "Es tritt niemand gegen uns beide oder gegen den ORF an"
Die ORF-„Sommergespräche“ (heute mit SPÖ-Chef Andreas Babler) münden direkt in die Phase der Wahlduelle mit den Spitzenkandidaten. Ab 5. September leiten Alexandra Maritza Wachter und Susanne Schnabl sie abwechselnd. Bei der „Elefantenrunde“ am 26. September – nur drei Tage vor der Nationalratswahl – stehen sie zu zweit vor der Kamera. Hitzig ging es bereits im Vorfeld zu, weil die Ansetzung des letzten Duells für Unmut bei der SPÖ sorgte. Nicht die beiden größten Parlamentsfraktionen (ÖVP und SPÖ) kommen zum Zug, sondern Karl Nehammer (ÖVP) und der in Umfragen vorne liegende FPÖ-Chef Herbert Kickl.
KURIER: Frau Schnabl, Sie haben vergangenes Jahr die Sommergespräche moderiert. Was haben Sie bei den bisherigen Sommergesprächen für einen Eindruck gewonnen, in welche Richtung es bei den Wahlduellen gehen könnte?
Susanne Schnabl: Man sieht ganz klar: Es sind alle bereits im Intensivwahlkampf. Sukzessive werden jetzt die Wahlprogramme eintrudeln, wer wofür steht, wer sich wie positioniert, wo die Schwerpunktsetzung liegt. Und die vier Wochen, die vor uns liegen, werden intensiv und spannend.
Frau Maritza Wachter, es sind Ihre ersten Wahlkonfrontationen im ORF. Wie sind Ihre Erwartungen?
Alexandra Maritza Wachter: Insgesamt gesehen ist die Stimmung aufgeladen, denn wir kommen aus wirklich schwierigen Jahren. Wenn man etwa an Corona denkt, den russischen Angriffskrieg oder die Energiepreise. Und genau in dieser Phase werden wir uns anschauen: Wie soll es denn jetzt weitergehen? Unser Anspruch ist, die Sache in den Mittelpunkt zu stellen und Lösungen zu erfragen. Und auch nachzufragen, bis man eine Antwort hat, wo man sagen kann: Das könnte man politisch auch tatsächlich so umsetzen. Das ist der Anspruch und dafür haben wir auch genug Zeit. Wir haben jeweils 45 Minuten pro Duell, da kann man auch wirklich in die Tiefe gehen und am Schluss die politischen Forderungen verstehen, das ist das Ziel.
Schnabl: Das ist auch die Stärke dieses Formats der Konfrontationen, nämlich die Positionen gegenüberzustellen und herauszuarbeiten, wer wofür steht. Konturiert, und auch zu schauen, wo gibt es Gemeinsamkeiten, Schnittmengen für Koalitionen.
In welche Themenblöcke werden die Konfrontationen aufgeteilt?
Maritza Wachter: Wir orientieren uns an einer Integral-Studie. Im Auftrag des ORF wurde gefragt: Was bewegt die Menschen in Österreich? Unter den Top-10-Themen, die für die Menschen am wichtigsten sind, liegen an der Spitze: Teuerung, Sicherheit und Gesundheit. Und wir haben uns jeweils überlegt: In welchem Duell ist welches Thema am wichtigsten? Wo muss man da am meisten hinschauen?
Schnabl: Diese repräsentative Studie ist für uns als Journalisten eine gute Möglichkeit der Rückkoppelung, weil man sieht, dass die Themen, über die bei uns berichtet wird, sich schon stark damit überschneiden. Vor allem das teure Leben, Wohnen, Einkaufen, die Auswirkungen der jetzt sinkenden Inflation. Und dann ist es natürlich die Gesundheit, die viele bewegt, das fängt beim Warten auf den Arzttermin an - und die Themen Integration, Zusammenleben, Sicherheit spielen in die aktuelle Berichterstattung hinein.
War es schwierig, die Reihung der TV-Duelle unter Dach und Fach zu bringen?
Schnabl: Es ist ein kurzer, aber sehr intensiver Wahlkampf, der ja nicht nur im ORF stattfindet, sondern auch bei den geschätzten Kolleginnen und Kollegen vom Privatfernsehen. Auch die Zeitungen machen Elefantenrunden. Daher war es schon keine leichte Übung, alles unter einen Hut zu bringen, und zu schauen, wann welche Kandidatin und welcher Kandidat verfügbar ist.
Irritationen bei SPÖ
Es gab Irritationen bei der SPÖ über das letzte Wahlduell. Können Sie verstehen, dass, wenn man von Usancen abgeht, wenngleich aus journalistischen oder terminlichen Gründen, dass es dann Unmut gibt?
Schnabl: Ich sage es einmal so: Diskussionen gab es ja immer schon, wir erinnern uns an die Relevanzstudie, die als Grundlage dafür gedient hat, dass 2019 die Grünen eingeladen wurden. In einem Wahlkampf geht es natürlich um viel, aber wichtig ist - und das wurde ja von Chefredakteur Johannes Bruckenberger kommuniziert: Diese Entscheidung wurde aufgrund von transparenten, journalistischen und terminlichen Gründen getroffen. Und diese Abstimmung ist den Parteien seit Monaten bekannt.
Maritza Wachter: Andreas Babler kommt ja auch gegen Karl Nehammer zum Zug, am 12. September und gegen Herbert Kickl, am 16. September. Und man kann ja noch gar nicht voraussetzen, dass bei den letzten Duellen am 23. September auch am meisten Zuseherinnen und Zuseher dabei sind. Zusätzlich kommen alle ja noch einmal in der Runde der Spitzenkandidaten zu Wort.
Schnabl: Und das ist ja das Spannende an einem Wahlkampf: Wir alle können ja gar nicht abschätzen welche Dynamik das bekommt. Der Höhepunkt ist uf alle Fälle die Elefantenrunde am Schluss und das ist bisher immer die meistgesehene Sendung gewesen.
Wird die Elefantenrunde möglichst klassisch oder gibt es dazwischen auch irgendwelche Taferln?
Maritza Wachter: Wir werden auf jeden Fall verschiedene Elemente einbauen, weil es eine sehr lange Sendung wird. Daher ist es wichtig, dass man zwischendurch das Tempo immer wieder wechselt. Der große Vorteil dieser Runde ist, dass man sich drei Tage vor der Wahl noch ein finales Bild machen kann. Wir können alles, was vorher gesendet oder publiziert wurde, einbringen.
Holt man drei Tage vor der Wahl noch viele Spätentscheider ab?
Schnabl: Dieser späte Termin ist eine Usance, die es beim ORF schon lange gibt. Wahrscheinlich ist das auch gut so, es gibt natürlich Medienkonsumenten, die sagen: Das hab ich alles schon einmal gehört. Aber es gibt ganz viele, die haben das vielleicht erst ein Mal gehört oder gar nie, und die wollen sich das kurz vor der Wahl ganz genau ansehen.
Dennoch haben viele Medienkonsumentinnen und Konsumenten dann schon einige Standpunkte öfters gehört. Wie gestaltet man das dann noch spannend?
Maritza Wachter: Man kann vieles, was schon gesagt wurde, vielleicht noch einmal hinterfragen. Vielleicht wurde bis dahin noch nicht alles so beantwortet, dass es auch tatsächlich stringent ist? Oder vielleicht klingt eine Lösung, die präsentiert wurde, zwar gut, ist aber in Wahrheit nicht umsetzbar. Wir haben die Gelegenheit, noch einmal in die Tiefe hinein zu recherchieren und genau solche Punkte noch einmal anzusprechen. Ich sehe es als großen Vorteil, dass wir den Schlusspunkt setzen können.
Schnabl: Es kommt auch ein bisschen auf die Dramaturgie drauf an, aber man kann wirklich ganz konträre Positionen gegenüberstellen und durch diese Unterschiedlichkeit kann manches noch geschärft werden, um dem Publikum noch einmal einen umfassenden Blick zubieten.
Kickls Vorwürfe
Was beim Sommergespräch mit Herbert Kickl auffiel, ist, dass er den ORF zwar nicht namentlich nanntem aber dafür den einzelnen Journalisten - Martin Thür - heftig angegriffen hat. Wie würden Sie darauf reagieren, wenn das bei einem Wahlduell kommt oder bei der Elefantenrunde?
Schnabl: Es kommt immer darauf an, was der Vorwurf ist. Wenn der Vorwurf kommt, dass das "unsauber" sei, muss man das entkräften und auf die Sachebene zurückkommen. Wir kennen die Positionierungen der Parteien, aber in den Konfrontationen ist es nicht so, dass irgendwer gegen uns beide antritt oder gegen den ORF, es ist eine Nationalratswahl.
Maritza Wachter: Wenn jemand auf so eine Art die Ebene wechselt - das ist durchaus eine Möglichkeit der politischen Kommunikation -, dann muss man das auch als solches ansprechen. Wir sind aber da, um über sachpolitische Themen zu sprechen. Wenn, so wie im Sommergespräch, der Interviewer attackiert wird, dann muss man das Gespräch zurückholen von dieser Metaebene.
Wird die Koalitionsfrage in der Elefantenrunde noch eine große Rolle spielen?
Schnabl: Wir lassen uns gerne überraschen, aber in Österreich gibt es nicht diese Tradition wie in anderen Ländern, wo vorher ganz klar gesagt wird, was die einzelnen Wunschkoalitionen sind. Die Frage ist bei uns natürlich journalistisch relevant.
Wie viel Emotionalität erwarten Sie in diesem Wahlkampf?
Maritza Wachter: Ich glaube, es kann durchaus emotionaler zugehen, das macht ja auch Live-Fernsehen aus, es ist nicht alles vorhersehbar und planbar. Es kann durchaus sein, dass da das eine oder andere Mal etwas hochkocht, dann ist es eben unsere Aufgabe im Sinne des Publikums, dass es alles verständlich bleibt. Wenn alle durcheinander reden, wird es schwierig. Aber wenn man emotional seine Punkte anbringt, kann das auch einen Mehrwert haben - solange es nicht untergriffig ist.
Schnabl: Wahlkämpfe sind immer emotionale Hochphasen in der Innenpolitik. Das muss auch so sein. Die Parteien wollen natürlich ihre potenziellen Wählerinnen und Wähler erreichen. Aber die Verständlichkeit aufrecht zu erhalten, dafür gibt es ja Moderatorinnen und Moderatoren. Es gab ja bereits einmal ein unmoderiertes Duell. Da hat man gesehen, was herausgekommen ist.
Maritza Wachter: Immer, wenn es um etwas geht, wird der Mensch emotional. So ist das. (lacht)
In der Analyse des Sommergesprächs mit Kickl gab es verschiedene Ansichten. Manche meinten, er sei so wie immer gewesen. Die andere Sichtweise war, er versuchte staatstragender zu sein. Ist dann doch wieder. In sein Element gekommen. Was erwarten Sie?
Maritza Wachter: Live-Interviews sind grundsätzlich immer gut für Überraschungen.
Schnabl: Ich finde, als Moderatorin muss man auf alles vorbereitet sein und dann lassen wir uns überraschen. Es hängt immer von der Dynamik des Wahlkampfes ab -und vom einzelnen Thema. Wem wird ein Thema nützen, wem schadet es? Dann wissen die Parteien auch aus Umfragen, wie die Mobilisierung läuft, da gibt es viele strategische Überlegungen. Lassen wir uns überraschen.
Maritza Wachter: Wir werden uns halt auf unterschiedliche Szenarien vorbereiten. Ob er eher gemäßigt auftritt oder angriffig - wir werden auf beides vorbereitet sein.
Schnabl: Und dasselbe gilt natürlich auch für alle anderen Kandidaten und Kandidatinnen.
Es ist ja oft die Rede von den Duellen um den ersten Platz. Aber ist bei den Duellen der kleineren Parteien diesmal auch mehr an Emotionen möglich? Man will ja in eine Koalition hinein.
Schnabl: Wenn man sich anschaut, was die Schnittmengen sind und wenn manche um dieselbe Wählerklientel buhlen, dann kann das durchaus hitzig werden. Aber wenn sich zum Beispiel zwei Faserschmeichler gegenüber stehen, kann sich das Publikum wiederum ein Bild machen, warum die jetzt so amikal miteinander sind. Ich finde, das ist das Tolle an diesem Format: Dass es so ehrlich und authentisch ist. Politik ist natürlich Inszenierung und Strategie, aber 45 Minuten sind dann schon lang. Und da ist Fernsehen gnadenlos ehrlich.
Zwei Frauen "selbstverständlich"?
Bei den Spitzenkandidaten gib es eigentlich drei neue Gesichter bei einer Wahl.
Maritza Wachter: Das macht es umso aufregender. Da muss man einschalten. (lacht)
Wollen Sie sonst noch etwas ansprechen, was mögliche Neuigkeiten beim Drumherum betrifft?
Schnabl: Was schon medial besprochen wurde, ist, dass es das erste Mal in der ORF-Geschichte ist, dass zwei Moderatorinnen die letzte Runde leiten.
Stimmt, aber vielleicht muss man das auch nicht mehr hervorheben, weil es mittlerweile auch nicht mehr so auffällt, wenn Frauen das machen.
Schnabl: Wir finden es auch nicht so besonders. Aber vielleicht finden es manche besonders. Ws liegt im Auge des Betrachters, ob das 2024 noch was Spezielles ist oder eigentlich eh selbstverständlich.
Maritza Wachter: "Selbstverständlich". Ja, finden wir auch gut ...
Schnabl: ... dass wir das ab jetzt jedes Mal machen! (lacht)
Elefantenrunden
30. August: „Konfrontation der Spitzenkandidaten aus Alpbach“ mit Lou Lorenz-Dittlbacher (20.15, ORF III).
26. September: „Diskussionsrunde“ mit Susanne Schnabl und Alexandra Maritza Wachter (20.15, ORF 2)
Duelle
jeweils um 20.15 und 21.05 Uhr in ORF 2. Analysen in der „ZIB2“ und in ORF III (22.35)
5. September:
Babler – Kogler
Kickl – Meinl-Reisinger
10. September:
Kickl – Kogler
Meinl-Reisinger – Nehammer
12. September:
Babler – Nehammer
Kogler – Meinl-Reisinger
16. September:
Kogler – Nehammer
Babler – Kickl
23. September:
Babler – Meinl-Reisinger
Kickl – Nehammer
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